Harte Töne aus Teheran
Es war bekannt, dass der neue iranische Präsident Mahmud Ahmadi-Nedschad über geringe außenpolitische Erfahrungen verfügt. Bekannt war auch, dass er innerhalb des in vielfältige Fraktionen unterteilten Lagers der Konservativen zu den Hardlinern zählt. Seit einigen Tagen wissen wir, dass Ahmadi-Nedschad ein ideologischer Eiferer ist, der nicht einmal auf die außenpolitischen Interessen seines eigenen Landes Rücksicht nimmt.
Auf einer Konferenz in Teheran mit dem Titel "Eine Welt ohne Zionismus" forderte er am 24. Oktober öffentlich, der Staat Israel müsse "von der Landkarte gefegt werden". Die Gründung des jüdischen Staates sei ein Schachzug der USA gegen die islamische Welt gewesen. Die Gefechte im besetzten Palästina seien Teil des "Krieges um unser Schicksal". Die Entscheidung über den Ausgang dieses Hunderte von Jahren andauernden Krieges werde in Palästina getroffen.
Die Konferenz gehörte zu einer Reihe von Veranstaltungen zur Vorbereitung der jährlichen "Jerusalem Demonstration", die am 28. Oktober stattgefunden hat. Auf dieser Demonstration, zu der Zehntausende mobilisiert werden, wird traditionell die Rückgabe des gesamten israelischen Gebietes an die Palästinenser gefordert.
Der Ruf "Marg Bar Israel!" (Tod Israel!) gehört weiterhin zu den Ritualen auf politischen Veranstaltungen im Iran, und im offiziellen Sprachgebrauch wird der jüdische Staat immer noch nicht beim Namen genannt, sondern als "zionistisches Gebilde" bezeichnet. Dennoch ist die politische Führung des Landes schon vor Jahren auf einen gemäßigteren Ton eingeschwenkt. Als offizielle Haltung gilt, dass der Iran Israel als Staat zwar nicht anerkenne, aber jede politische Lösung unterstützen werde, die von den Palästinensern befürwortet wird.
Vor allem Ahmadi-Nedschads Vorgänger Mohammed Khatami hatte sich sehr darum bemüht, die antiisraelische Rhetorik zu dämpfen und zwischen den Zeilen zu erkennen gegeben, dass der Iran einer Lösung des Konfliktes um Palästina nicht im Wege stehen werde. Am Rande des Begräbnisses von Papst Johannes Paul II im April in Rom hatte er sogar dem israelischen Präsidenten Mosche Katzav die Hand geschüttelt, ließ dies allerdings später dementieren, als diese Geste der Verständigung im Iran einen von den Hardlinern geschürten Aufruhr verursachte.
Die gemäßigtere Linie entspricht den politischen Realitäten. Die Beziehungen zwischen dem Iran und den palästinensischen Organisationen sind längst nicht mehr so eng, wie die ständigen Beteuerungen, an der Seite des palästinensischen Volkes zu stehen, glauben machen wollen. Die Hamas, die in ihren Anfangsjahren von Teheran unterstützt und wohl auch finanziert wurde, hat begonnen, eigene Wege zu gehen, indem sie ihre Terroraktionen gegen Israel ausgesetzt hat und am politischen Prozess teilnimmt. Mit der PLO hatte der Iran schon seit langem wegen Yassir Arafats Bereitschaft zum Dialog mit Israel gebrochen. Auch die libanesische Hizbollah, einst vom Iran gegründet und ausgehalten, hat sich in ihrer Politik mehr und mehr von den Ziehvätern in Teheran befreit.
Die Formulierung, Israel müsse "von der Landkarte gefegt werden" stammt noch von Revolutionsführer Khomeini. Dem Iran können solche Töne nur schaden. Seit Beginn der Kontroverse um das Atomprogramm war die politische Führung des Landes sehr darum bemüht, sich als ein normales Mitglied der internationalen Gemeinschaft darzustellen, das die selben Rechte in Anspruch nehmen kann und politisches Vertrauen verdient wie jeder anderer Staat auch. Eine eif-rige Diplomatie warb um Bündnispartner vor allem in der Dritten Welt, um die von den USA geforderten Sanktionen gegen den Iran abzuwenden.
Mit den wieder angeschlagenen scharfen Tönen gefährdet Ahmadi-Nedschad nun diese langjährigen Bemühungen. Am 24. November wird der Gouverneursrat der Atomenergiebehörde in Wien erneut darüber beraten, ob das Atomprogramm Teherans zum Thema im UN-Sicherheitsrat gemacht werden soll. Die Chancen standen bislang gar nicht so schlecht, dass sich eine Mehrheit der Ratsmitglieder in Wien auf die Seite des Irans stellen würde. Mit der neuen antiisraelischen Polemik hat Ahmadi-Nedschad deutlich gemacht, dass der Iran immer noch kein Staat ist, dem man vertrauen kann.