Stichwort
Auf der parlamentarischen Bühne erschien die Samoobrona (Selbstverteidigung) erstmals im Zuge der Parlamentswahlen 2001, bei denen es der rechtspopulistischen Formation gelang, etwa 10 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen und mit 53 Abgeordneten in das polnische Parlament, den Sejm, einzuziehen.
Der polnischen Öffentlichkeit bekannt war die Samoobrona jedoch schon zuvor, wenn auch eher als rüpelnder Bauernbund, denn als erstzunehmender parlamentarischer Akteur. Ihren Anfang nahm die Samoobrona 1991 in Bauernprotesten im westpommerschen Darlowo, dem Heimatort des Gründers und bis heute amtierenden Partei- und Verbandsvorsitzenden, Andrzej Lepper. Lepper selbst war einer der Bauern, die sich im Zuge der Privatisierung ehemals staatlicher Agrargenossenschaften verschuldet hatten und mit schwarz beflaggten Traktoren gegen den angeblichen Tod der polnischen Landwirtschaft demonstrierten. Die Proteste strahlten auf das ganze Land aus, landesweit wurden Komitees unter dem Namen Samoobrona Chlopska (bäuerliche Selbstverteidigung) gegründet, um die Forderungen der Bauern nach Schuldenerlass und Aussetzung von Zwangsvollstreckungen ihrer Höfe durchzusetzen. Zum Vorsitzenden des Warschauer Komitees wurde Andrzej Lepper gewählt, unter dessen Führung am 10. Januar 1991 der Verband Zwiazek Zawodowy Rolników Samoobrona (Bauerngewerkschaft Selbstverteidigung) registriert wurde. Die Registrierung der Partei erfolgte etwa ein Jahr später, am 26. Juni 1992.
In den 90er-Jahren agierte die Samoobrona vornehmlich als Interessenverband. Zwar trat sie bei den Parlamentswahlen in den Jahren 1993 und 1997 an, konnte aber ebenso wie ihr Vorsitzender Andrzej Lepper bei den Präsidentschaftswahlen 1995 und 2000 keine wesentlichen Stimmenanteile auf sich vereinen. Stattdessen erlangte sie durch gewaltsame Protestaktionen, wie Straßen- und Grenzübergangsblockaden und die Besetzung öffentlicher Gebäude negative Prominenz. Dabei stand zunächst die "Rettung der polnischen Landwirtschaft" im Zentrum. Ihre Forderungen betrafen vorrangig die Abschottung des polnischen Marktes von der Europäischen Union zum Schutz der polnischen (Land-) Wirtschaft. Die Agenda der Samoobrona umfasste aber neben wirtschaftsprotektionistischen Vorstellungen auch nationalistische und antisemitische Töne. Dies spiegelte sich auch in Kontakten zu rechtsradikalen Akteuren, wie dem Schiller Institut in den USA, zu Schirinowski in Russland und Le Pen in Frankreich.
Ende der 90er-Jahre weitete die Samoobrona ihre Agenda auf andere gesellschaftliche Gruppen aus und setzte sich auch für Arbeitslose, Rentner und Kleinhändler ein. Diese waren empfänglich für die mit wirtschaftsprotektionistischen Vorstellungen gepaarte scharfe Kritik der Samoobrona an der Europäischen Union und das Schüren der Ängste vor dem Ausverkauf des polnischen Bodens und der polnischen Wirtschaft: 1,3 Millionen, vorrangig ältere Wähler mit niedrigem Ausbildungsgrad aus ländlichen Gebieten gaben in den Parlamentswahlen 2001 der Samoobrona ihre Stimme.
Der Einzug ins Parlament stellte nicht nur die Samoobrona, sondern auch das politische Establishment vor erhebliche Herausforderungen: Wegen der neuen Rolle als parlamentarischer Akteur drohte die Samoobrona aufgrund ihrer Doppelstruktur aus Verband und Partei, in zwei Organisationen zu zerfallen. Tatsächlich verkleinerte sich die Fraktion in nur zwei Jahren von 53 auf 31 Abgeordnete. Der Versuch seitens der etablierten Parteien, die Samoobrona einzubinden und Lepper mit dem Posten des Vizemarschalls zu betrauen, scheiterte, da Lepper wegen polemischer Beleidigungen anderer Politiker Ende 2001 seines Amtes enthoben wurde, 2002 seine Immunität verlor und sich seitdem in mehreren Verfahren verantworten muss.
Dies hält etwa zehn Prozent der polnischen Wähler nicht davon ab, die Samoobrona weiterhin zu unterstützen: Zwar landete sie in den Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 mit 10,8 Prozent der Stimmen auf dem vierten Platz hinter der katholisch-nationalistischen Liga der Polnischen Familien.
Ihre Bedeutung für die nationale politische Landschaft aber konnte sie in den jüngsten Parlamentswahlen 2005 erneut unterstreichen: 11,4 Prozent der Wähler belohnten den populistischen Wahlkampf Leppers, der im ganzen Land Volksfeste mit der populären Popband "Ich Troje" veranstaltet hatte. Ebenso wie 2001 gelang es ihm mit diesem strategischen Mix aus wirtschaftsprotektionistischen und nationalistischen Positionen, vorrangig die ältere, ländliche Bevölkerung mit niedrigem Bildungsgrad zu mobilisieren.
Ob sich die Samoobrona weiter konsolidieren wird, hängt zum einen von ihrem strategischen Verhalten, also davon ab, ob sie sich weiter in Richtung einer parlamentarischen Partei entwickeln wird. Zum anderen ist das Verhalten der übrigen Parteien entscheidend: Wird sie, wie etwa in den jüngsten Präsidentschaftswahlen vom national-konservativen Kandidaten Lech Kaczynski als Mehrheitsbeschaffer genutzt, kommt dies einer Einladung des rechtspopulistischen Lepper und seiner Samoobrona in die politischen Salons gleich.
Die Autorin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl
für Politikwissenschaft an der Europa-Universität
Viadrina.