Unkontrollierte Globalisierung gefährdet den Weltfrieden
Für Ziegler hat die Ideologie des neoliberalen Dogmas - Gewinnmaximierung, Privatisierung, Entmachtung des Staates, unbeschränkter und regelloser Wettbewerb - zur "planetarischen Tyrannei des Finanzkapitals", zu einer "fortschreitenden Monetarisierung aller zwischenmenschlichen Beziehungen" und teilweise zur "Refeudalisierung der Welt" geführt. Er schildert, mit welcher Kaltblütigkeit und Habsucht die "Beutejäger des globalisierten Kapitals", wie er in seiner drastisch-deutlichen Sprache die Vertreter multinationaler Konzerne nennt, in so genannten "Sonderproduktionszonen" Sklavenarbeit organisieren, Hungerlöhne zahlen, die Natur schamlos verwüsten, die Infrastruktur in den Entwicklungsländern zerstören und auf Dauer eine "kannibalische Weltordnung" schaffen.
Hilfreich dabei, das wird mit vielen Zahlen untermauert, sind die "Söldlinge" der Weltbank, der Welthandelsorganisation (WTO) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die sich vor den Karren der den Welthandel beherrschenden Großunternehmen spannen lassen. Anders als die "Beutejäger" seien diese zwar weniger von Macht und Gier getrieben; doch als "Fundamentalisten des monetaristischen Dogmas" seien sie unfähig zu erkennen, welche Unmenschlichkeiten sie unterstützen.
Der Autor rechnet vor, dass Hunger, Seuchen, Durst und armutsbedingte Konflikte jedes Jahr ebenso viele Opfer fordern wie der Zweite Weltkrieg in sechs Jahren. Täglich verhungern ungefähr 100.000 Menschen oder sterben an den Folgen des Hungers. 826 Millionen Menschen sind chronisch unterernährt, 1,3 Milliarden steht weniger als ein Dollar am Tag zur Verfügung. In den Elendsquartieren Asiens, Afrikas und Lateinamerikas vegetieren bereits 40 Prozent der Weltbevölkerung.
Global steigt die Zahl der Verelendeten und Arbeitslosen unablässig, während das Vermögen der Eliten von Jahr zu Jahr sprunghaft wächst. Die 225 größten Privatvermögen belaufen sich auf 1.000 Milliarden Dollar - das ist so viel wie das Jahreseinkommen der 2,5 Milliarden ärmsten Menschen. 2004 kontrollierten die 500 mächtigsten transkontinentalen Kapitalgesellschaften 52 Prozent des Weltsozialprodukts, und das war mehr, als die 133 armen Länder an Vermögen aufweisen konnten.
Bestehen Chancen, der himmelschreienden sozialen Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten und die "kosmokratischen Barbaren" in die Schranken zu weisen? Ziegler ist davon überzeugt. Er setzt seine Hoffnungen auf die wachsende Zahl der großen sozialen Bewegungen wie Attac, Amnesty International, Jubilé 2000, Job with Justice oder der Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST) in Brasilien.
Ihre Waffen seien Gegendemonstrationen mit Zehntausenden von Teilnehmern, wenn die G8-Staaten, WTO oder der IWF ihre Konferenzen abhalten, außerdem große Märsche, so wie 1963 der "March on Washington" gegen Rassendiskriminierung oder 1995 der Weltmarsch der Frauen von Quebec. Nur Zivilgesellschaften und nicht staatliche Organisationen, auch nicht die UNO, können eine lebenswerte Zukunft schaffen.
Man kann Zieglers Bücher nicht ohne Betroffenheit aus der Hand legen. Sie können zur Lektüre all derer werden, die sich über die Unmoral und Schande der Herrschenden informieren und wissen wollen, wie Widerstand möglich ist.
Jean Ziegler
Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher.
Goldmann Taschenbuch 15309, München 2005; 318 S., 8,95 Euro
Das Imperium der Schande.
Der Kampf gegen Armut und Unterdrückung.
C. Bertelsmann Verlag, München 2005; 316 S., 19,90 Euro