Die Schriftstellervereinigung P.E.N. erinnert an verfolgte Kollegen
Auf dem Weltinformationsgipfel vergangene Woche in Tunis wurde es einmal mehr deutlich: Presse- und Informationsfreiheit sind nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Ausländische Journalisten, die nach Tunesien gereist waren, um über den Gipfel und die Menschenrechtslage im Land zu berichten, wurden überwacht, ein französisches Fernsehteam angegriffen. Die Bevölkerung selbst war von Veranstaltungen rund um den Gipfel ausgeschlossen - in Tunesien gibt es kein Versammlungsrecht.
Die Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" zählt den tunesischen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali zu einem der 34 "größten Feinde der Pressefreiheit": Es gibt keine unabhängigen Zeitungen im Land, das Internet wird zensiert. Regimekritische Journalisten werden schikaniert, verhaftet und teilweise gefoltert.
Aber auch in Ländern wie China, Iran oder dem Kongo müssen Journalisten, Autoren und Verleger fürchten, an ihrer Arbeit gehindert zu werden. Mehr noch: Nicht wenige landen im Gefängnis oder werden ermordet. So wurden nach Angaben des internationalen Schriftstellerverbandes P.E.N. weltweit 28 Journalisten allein im ersten Halbjahr 2005 getötet, weil sie gegen Ungerechtigkeit und Gewalt in ihren Ländern angeschrieben hatten. Über 200 wurden inhaftiert, oft aus fadenscheinigen Gründen, rund 100 mit dem Tode oder auf andere Weise bedroht.
Für P.E.N.-Präsident Johano Strasser sind all das "bedrückende Tatbestände". Seine Organisation setzt sich international dafür ein, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung durchgesetzt wird. So in Berlin am vergangenen Dienstag: Auf einer Solidaritätsveranstaltung anlässlich des so genannten "Writers-in-Prison"-Tages lasen im Haus der Kulturen der Welt Autoren wie Christoph Hein, Eva Menasse und Peter Schneider Texte verfolgter Kollegen, um auf die kritische Situation der Schreiber und Publizisten aufmerksam zu machen. Zum Repertoire des Abends gehörte der ungarische Literaturnobelpreisträger und Auschwitz-Überlebende Imre Kertész ebenso wie der nigerianische Schriftsteller und Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa.
Kertész wurde als Journalist einer Tageszeitung 1951 von den Kommunisten entlassen - wegen "mangelnder Gesinnung", wie es hieß. Viele Jahre schlug er sich zunächst als Übersetzer in Budapest durch, bevor er 1975 sein Buch "Roman eines Schicksalslosen" in Ungarn veröffentlichen konnte. Ken Saro-Wiwa dagegen hatte sich in den 90er-Jahren öffentlichkeitswirksam für das Überleben des nigerianischen Ogoni-Stammes eingesetzt und gegen eine industrielle Erschließung des Niger-Deltas durch internationale Öl-Multis gekämpft. 1994 erhielt er dafür den alternativen Friedensnobelpreis. Weltweite Proteste konnten nicht verhindern, dass Saro-Wiwa am 10. November 1995 von der Militärregierung hingerichtet wurde.
Zehn Jahre später erregt wieder ein prominenter Fall die Öffentlichkeit: In der Türkei ist gerade der Schriftsteller Orhan Pamuk wegen "Verunglimpfung des Türkentums" angeklagt. In einem Interview hatte er die Armenier-Frage und die Tötung von Kurden 1985 thematisiert - jetzt droht dem diesjährigen Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels in seiner Heimat eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. "Die türkische Regierung versucht, sich liberal zu verhalten, gerade im Hinblick auf eine Mitgliedschaft in der EU", sagt dazu P.E.N.-Präsident Johano Strasser. "Aber noch sind ältere Gesetze in Kraft, auf die sich die Richter berufen können. Die müssen erst mal beseitigt werden."
Allerdings gilt seine Sorge bei weitem nicht nur Ländern, die ohnehin seit Jahren die Menschenrechte missachten. Selbst gefestigte Demokratien mit vorbildlichen Gesetzen sind nicht gefeit vor einer "schleichenden Aushöhlung der Grundrechte", wie Strasser betont: Besonders in den USA habe die Angst vor dem Terror zunehmend zu einer Einschränkung der Meinungsfreiheit geführt. Und auch hierzulande gebe es "bedenkliche" Entwick- lungen. So wurden erst vor zwei Monaten in Potsdam die Redaktionsräume des Polit-Magazins "Cicero" vom BKA durchsucht; Meldungen, wonach in den 90er-Jahren Journalisten vom Bundesnachrichtendienst beobachtet worden sind, haben die Diskussion um die Freiheit journalistischer Arbeit zusätzlich angeheizt.
Der britische Schriftsteller George Orwell ("1984") hat es einmal so formuliert: "Freiheit bedeutet vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen." Wie es scheint, haben damit nicht nur Individuen ein Problem, sondern auch eine ganze Reihe von Staaten.