Fehleinschätzung eines Störfalls im AKW Brunsbüttel beschäftigt Ausschuss
Berlin: (hib/WOL) Die Siedewasserreaktoren der Atomkraftwerke Grundremmingen 1 und 2, Philippsburg 1, Krümmel und Isar 1 sind nach Regierungsangaben möglicherweise von Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen betroffen, nachdem sich am 12. Dezember 2001 ein Störfall im Atomkraftwerk Brunsbüttel ereignete, bei dem es durch eine Wasserstoffexplosion zum Abriss einer Anschlussleitung gekommen war. Die Vertreter des AKW-Betreibers und der zuständigen Behörden erklärten dazu am Mittwochvormittag im Umweltausschuss, der Vorgang hätte nicht zu einem "größten anzunehmenden Unfall" (GAU) führen können, jedoch hätte im schlimmsten Fall die Decke des Kühlwasserturms bei einer Notabschaltung nicht gekühlt werden können. Die Regierung unterrichtete die Abgeordneten, nachdem die CDU/CSU zuvor gefordert hatte, den Dingen nachzugehen, weil zwischen dem Zeitpunkt des Vorfalls und der Meldung der schleswig-holsteinischen Behörde an das Bundesumweltministerium und an den Ausschuss vom 18. Februar ein "unverständlich langer Zeitraum" vergangen sei.
Befremden löste im Ausschuss die Begründung des Betreibers aus, man habe auf Grund mehrerer früherer Analysen und Modellrechnungen eine Radiolyse, bei der es durch radioaktive Strahlung im Wasserkühlkreislauf zu einer Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff und damit zu einem explosiven Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisch (Knallgas) kommen könne, ausgeschlossen. Vielmehr sei wegen verschiedener Anzeigen und Rechnermeldungen über einen Druckanstieg im Sicherheitsbehälter und nach Ansprechen des Körperschallüberwachungssystems ein bestimmter Bereich der Sicherungskühlung über eine Fernbedienung abgesperrt worden. Von der Schichtmannschaft sei der Vorfall als Leckage an einer Flanschverbindung interpretiert worden. Man habe angenommen, das Problem bis zur nächsten Kontrolle beseitigt zu haben. Laut Bericht wurde das Bundesumweltministerium am Nachmittag des 18. Februar von der atomrechtlichen Landesbehörde Schleswig-Holsteins zum ersten Mal telefonisch über ein Ereignis im Atomkraftwerk Brunsbüttel informiert, das sich am 14. Dezember 2001 ereignet habe.
Erst nach wochenlanger Diskussion zwischen Landesaufsichtsbehörde und Betreiber über die Schlüssigkeit aufgelaufener Meldungen und Messwerte und der Notwendigkeit eines Abschaltens habe der Betreiber dazu gebracht werden können, die Leistung der Anlage so weit abzusenken, dass eine Inspektion möglich gewesen sei. Am 18. Februar sei dann festgestellt worden, dass eine Rohrleitung von zehn Zentimeter Durchmesser über eine Länge von zwei bis drei Metern völlig zerborsten war. Von rund 25 Trümmerstücken im Umkreis der beiden Bruchstellen hätten zwei bis drei Meter gänzlich gefehlt. Ursache sei vermutlich eine Wasserstoffexplosion im Innern der Rohrleitung. Das Bundesumweltministerium habe entschieden, die Anlage sofort völlig herunterzufahren, um einen ungehinderten Zutritt und eine vollständige Klärung des Schadens herbeiführen zu können. Die AKW mit Siedewasserreaktoren, bei denen es im Prinzip zu ähnlichen Vorgängen kommen könnte, seien entsprechend informiert worden. Beim Betreiber von Brunsbüttel sei zu klären, ob seine Zuverlässigkeit noch gegeben sei, nachdem man dort trotz vorliegender Meldungen nur die harmloseste Variante eines Schadensfalls unterstellt habe und nicht bereit gewesen sei, unverzüglich eine Inspektion vorzunehmen, so die Regierung.