Experten uneinig über Neuregelung des Schadensersatzrechts
Berlin: (hib/STT) Uneinig über Detailfragen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ( 14/7752) zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften waren sich die Experten in einer gemeinsamen Anhörung des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Gesundheit am Mittwochnachmittag. Begründet wird die Neuregelung damit, dass die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach denen sich das Schadensersatzrecht richtet, seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 1900 weitgehend unverändert geblieben seien. Anlass für eine Änderung des Schadensersatzrechts seien zwischenzeitlich entstandene Haftungslücken und Gerechtigkeitsdefizite. So müsse etwa in der Arzneimittelhaftung die Rechtsstellung der Geschädigten in einigen Punkten verbessert werden. Dazu sieht der Gesetzentwurf Beweiserleichterungen etwa durch einen Auskunftsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Pharmaunternehmen vor. Durch die ihm damit zur Verfügung stehenden Informationen könne der Geschädigte bereits vor einem möglichen Prozess seine Chancen besser einschätzen, heißt es.
Dirk Bartram vom Verband forschender Arzneimittelhersteller bemängelte in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass der zukünftige Auskunftsanspruch nur einseitig für Geschädigte, nicht aber für die betroffenen Unternehmen gelten solle. Diesen werde damit die Möglichkeit genommen, sich gegen unberechtigte Ansprüche verteidigen zu können. Auch müsse der Auskunftsanspruch des Geschädigten auf ein für den tatsächlichen Schaden "relevantes Maß" beschränkt werden, da sonst die Gefahr einer "Ausforschung" der Unternehmen bestünde. Des Weiteren bemängelte Bartram, dass die Umstellung der Haftungshöchstgrenzen von Mark auf Euro zu einer fast 20-prozentigen Aufstockung der Beträge genutzt würde. Besonders unverständlich sei dies, da die Haftungshöchstgrenzen erst 1994 verdoppelt worden seien. Rechtsanwalt Hans-Georg Hoffmann hielt vor allem die neu eingefügte Kausalitätsvermutung für problematisch. Wäre ein Medikament theoretisch geeignet, eine entsprechende Nebenwirkung zu verursachen, würde dem Gesetzentwurf zufolge angenommen, dass das betreffende Medikament auch wirklich Verursacher des Schadens sei, argumentierte Hoffmann. Dadurch komme es praktisch zu einer Beweislastumkehr zu Ungunsten der Unternehmen. Die neue Regelung sei zu weitreichend und sollte seiner Ansicht nach auf wirkstoffgleiche Präparate beschränkt werden.
Begrüßt hat der Richter am Bundesgerichtshof Wolf-Dieter Dressler die Ausweitung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld auch auf die Gefährdungs- und Vertragshaftungen. Damit käme es zu der gewünschten Umschichtung weg vom Sachschadensausgleich und hin zum Personenschadensausgleich. Diese Neuerung rechtfertige dann auch die Einschränkung der Schmerzensgeldgewährung bei so genannten Bagatellfällen. Professor Christian Huber von der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule Aachen befürwortete die Heraufsetzung des Alters, in dem Kinder für von ihnen verursachte Unfälle im Straßenverkehr verantwortlich sein sollen, vom vollendeten siebten auf das vollendete zehnte Lebensjahr. Damit werde neuen entwicklungspsychologischen Erkenntnissen Rechnung getragen. Er stellte aber auch klar, dass mit dem Erreichen einer bestimmten Altersschwelle sich nicht schlagartig die Rechtslage ändern dürfe. So müsse der jeweilige Richter in jedem Einzelfall ausloten, wie entwickelt die Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes sei. Eckhart Jung, Leiter der Juristischen Zentrale des ADAC in München, bemängelte am Gesetzentwurf vor allem die Beschneidung der fiktiven Abrechnungen, etwa bei Kfz-Schadensfällen. So solle die Umsatzsteuer nur noch dann dem Geschädigten ausgezahlt werden, wenn diese auch tasächlich, etwa bei der Reparatur in einer Fachwerkstatt, anällt. Entscheidend für die Schadensregulierung sei dann also nicht mehr das Sachverständigengutachten, so Jung. Hierdurch würden vor allem finanzschwache Geschädigte in eine deutlich geschwächte Position gebracht. Dem widersprach der Direktor der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft Gerhard Küppersbusch. Der Geschädigte könne immer noch frei entscheiden, in welcher Form ihm der enstandene Schaden ersetzt werden soll.