Sachverständigenkommisssion fordert "Recht des Kindes" im Grundgesetz
Berlin: (hib/STT) Die Sachverständigenkommission Elfter Kinder- und Jugendbericht fordert eine Ergänzung des Artikel 6 des Grundgesetzes um ein "Recht des Kindes". Damit würde die Bundesrepublik ihren in der UN-Kinderkonvention und der Europäischen Grundrechte-Charta festgehaltenen Verpflichtungen nachkommen. In dem von der Bundesregierung als Unterrichtung ( 14/8181) vorgelegten Kinder- und Jugendbericht heißt es weiter, die Lebensformen der Kinder und Jugendlichen hätten sich immer weiter ausdifferenziert. Alle Kinder sollten Zugang zu sozialen, ökonomischen, ökologischen und kulturellen Ressourcen haben, so die Sachverständigenkommission. Die Personengruppen würden heute in anderen sozialen Gefügen aufwachsen als früher. Die Familie habe sich in ihrer Bedeutung gewandelt und andere öffentliche und private Institutionen an Einfluss gewonnen. Wichtig sei deshalb vor allem, so die Kommission, die Arbeitsstruktur der Kinder- und Jugendhilfe an die Lebenswelt junger Menschen anzupassen. Die Leistungen müssten "kundenfreundlich" gestaltet sein, das heißt niedrigschwellige Zugänge, verlässliche Hilfen und Mitwirkungschancen.
Bei der Modernisierung der Finanzierungsstrukturen in der Kinder- und Jugendhilfe müsse vor allem beachtet werden, dass das Sozialraumbudget nicht die Gewährleistung von individuellen Rechtsansprüchen verhindern dürfe. Insgesamt sei bei allen Modernisierungsbestrebungen zu beachten, dass betriebswirtschaftliche Konzepte nicht unreflektiert auf die Kinder- und Jugendhilfe übertragen werden können. Die Ausgaben sollten in diesem Bereich den Aufgaben folgen und nicht umgekehrt. Gerade in der Bildungsbeteiligung ließen sich innerhalb der heterogenen Kinder- und Jugendgruppe deutliche Unterschiede feststellen. Der Staat müsse aber allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen geben. Auch wenn sogenannte "Normalbiographien" heute immer mehr in Frage gestellt werden, so behielten Ausbildung und Erwerbstätigkeit doch einen zentralen Stellenwert in der Identitätsfindung junger Menschen, so der Bericht. Die Kinder- und Jugendhilfe solle stärker in den Bereich der regionalen Arbeitsmarktpolitik eingreifen, den Übergang von der Schule in den Beruf begleiten und als "Clearingstelle" bereit stehen, heißt es in der Unterrichtung. Die Kommission fordert die Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Beschäftigungsgipfels im Jahr 1997, das heißt das Recht auf einen grundlegenden schulischen Abschluß, die Gewährung einer sogenannten "zweiten Chance", eine berufsqualifizierende Ausbildung und eine anschließende erste Beschäftigung. Aber auch die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen sei in einer Gesellschaft, die immer stärker von Migrationsbewegungen geprägt sei, wichtig.
Die Bundesregierung hält den Elften Kinder- und Jugendbericht nach eigenen Worten für einen wichtigen Maßstab zur Bewertung und Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendpolitik. Mit ihrem jugendpolitischen Programm "Chancen im Wandel" habe man ein umfassendes, ressortübergreifendes Jugendprogramm vorgelegt, das den Forderungen der Sachverständigenkommission entspricht, so die Regierung. Die Jugendpolitik werde dabei als eine aktivierende Querschnittspolitk verstanden, die auf eine breiten Allianz mit den Jugendlichen setze. Mit dem Sofortprogramm zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit habe man sich einem der drängendsten Probleme im Bereich der Jugendpoltik zugewendet. Laut Regierung konnte dadurch 377.000 jungen Menschen eine neue Chance auf dem Arbeitsmarkt eröffnet werden. Insgesamt sei festzuhalten, dass die Jugendhilfe ein unverzichtbares Element sei, um die gesellschafliche Integration von Heranwachsenden, ihren Erwerb von Wissen und die Vorbereitung auf ihre zukünftige Rolle in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern.