Bei Terrorbekämpfung Bürgerrechte wahren
Berlin: (hib/KOS) "Ein Rabatt bei Menschenrechten darf beim Antiterrorkampf unter keinen Umständen hingenommen werden." Mit dieser Forderung unterstrich die Grünen-Politikerin Christa Nickels als Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte am Mittwochnachmittag bei einer Anhörung die Sorge um eine Beschädigung der Bürgerrechte durch die nach den Attentaten vom 11. September 2001 im Zuge des weltweiten Kriegs gegen den Terror eingeleiteten Maßnahmen. Kritik an innenpolitischen Konsequenzen wie der Ausweitung verdachtsunabhängiger Fahndungsmethoden in den Staaten Nordamerikas und Westeuropas übte Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden an der Universität Duisburg. Während Professor Eckart Klein von der Universität Potsdam die Beseitigung des Taliban-Regimes in Afghanistan durch das den USA vom UN-Sicherheitsrat zugebilligte Selbstverteidigungsrecht gegen die als militärischen Angriff definierten Anschläge vom 11. September völkerrechtlich legitimiert sieht, bezweifelte dies bei dem Hearing Professor Thomas Bruha von der Universität Hamburg.
Aus Sicht Bruhas ist das von der UN-Charta gedeckte Recht auf Selbstverteidigung eine zeitlich begrenzte Angelegenheit, auch wenn der UN-Sicherheitsrat den Sturz des Taliban-Regimes "indirekt" gebilligt habe: Die präventive Gewalt- und Terrorbekämpfung sei eine Sache der gesamten Staatengemeinschaft. Die UN-Beschlüsse bedeuteten, so Bruha, keine unbefristete Ausweitung des Selbstverteidigungsrechts an sich. Die Eliminierung eines als gefährlich eingestuften Regimes wie etwa im Irak bedürfe einer eigenen Bewilligung durch die UNO, sofern von diesem Land keine konkrete Gefahr ausgehe. Andernfalls sei man beim "gerechten Krieg" angelangt: "Wer das tut, setzt sich selbst ins Unrecht."
Der Potsdamer Wissenschaftler Klein betonte hingegen vor allem das Selbstverteidigungsrecht von Ländern, die durch terroristische oder kriegerische Akte angegriffen werden. Ein Staat sei verpflichtet, seinen Bürgern Schutz zu gewähren. Dies gehe, so Klein im Blick auf die Bürgerrechte, nicht ohne "gewisse Einschränkungen". Dabei handele es sich um eine "Gratwanderung", bei der das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten sei - was aber die Schutzfunktion des Staates nicht einschränken dürfe. Sicher sei es "bedenklich", wenn wegen der Bildung und Aufrechterhaltung der internationalen Antiterror-Allianz die Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien oder in Tibet leiser geworden sei. Man müsse aber abwägen und auch mal Dinge hintanstellen, deren Durchsetzung im Vergleich zu Erfolgen beim Kampf gegen den Terror geringer zu gewichten seien.
Für Jochen Hippler besteht die Gefahr, dass im Zuge der ohne Zweifel dringenden Bekämpfung des internationalen Terrorismus die Menschenrechte generell weniger ernstgenommen und deshalb gleichgültiger behandelt werden. Der Duisburger Wissenschaftler warnte davor, Bürger- und Freiheitsrechte dem Erfordernis von Sicherheit sowie der Effektivierung polizeilicher, geheimdienstlicher und militärischer Maßnahmen unterzuordnen. Hippler wandte sich gegen eine "Verschiebung des fragilen Gleichgewichts von Freiheit und Sicherheit zugunsten letzterer". In mehreren Staaten werde der Anti-Terror-Kampf politisch zur Legitimierung innenpolitischer Repression instrumentalisiert. Hippler nannte unter anderem Usbekistan, Malaysia, China, Russland und Algerien. Oppositions- und Separationsbewegungen würden zunehmend als "Terroristen" bezeichnet und seien damit in besonderem Maße Verfolgung und Unterdrückung ausgesetzt.