Sachverständige: Umweltschutz als Wettbewerbschance für Deutschland
Berlin: (hib/geh) Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen hat am Mittwochvormittag bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit das Argument zurückgewiesen, dass anspruchsvolle Umweltschutzpolitik die Wettbewerbsfähigkeit Deutschland einschränke. Im internationalen Qualitätswettbewerb spiele der Umweltschutz eine immer größere Rolle, sagte Martin Jänicke, einer der Autoren des Umweltgutachtens 2002 mit dem Titel "Für eine neue Vorreiterrolle" ( 14/8792).
Beim Klimaschutz - einem der zwei Aspekte, die aus dem Umweltgutachten 2002 öffentlich diskutiert wurden - haben die Umweltsachverständigen geprüft, ob es möglich sei, aus der Atompolitik auszusteigen und dabei das Klimaschutzziel trotzdem zu verfolgen, erklärte Martin Jänicke. Die Antwort der Umweltgutachter lautet, dass es ginge, wenn die effizientesten zurzeit schon vorhandenen Techniken unter anderem bei Autos, Endgeräten und in Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen breiter eingesetzt würden. Der Atomausstieg sei mit Blick auf den Klimaschutz zu vertretbaren Kosten möglich, das heißt zu den heutigen Kosten, zu denen die aktuellen Kohlesubventionen hinzuzurechnen wären, sagte Jänicke. Zurzeit spiele die Kohle eine zu große Rolle, um noch bessere Ziele beim Klimaschutz zu erreichen. Das Rat hält das Kohlendioxid-Reduktionsziel von 40 Prozent bis 2020 in Deutschland für richtig. Nach Meinung des Abgeordneten Reinhard Loske (Bündnis 90/Die Grünen) sollte ab 2010 "Schluss mit den Kohlesubventionen sein". Es sei aber auf Grund der historisch gewachsenen Beziehungen zwischen dem politischen Raum und der Wirtschaft schwierig, dieses Ziel zu erreichen.
Was die Privatisierung und Liberalisierung der Wasserversorgung betrifft, wies der Umweltsachverständige Peter Michaelis auf einen "grundlegenden Positionswechsel des Rates" hin. Liberalisierung führe nicht zu der erwarteten Effizienzsteigerung. Die deutsche öffentliche Wasserversorgung sei im Vergleich "nicht schlechter" als die französische oder englische privatisierte Wasserversorgung. Nach Schätzungen der Deutschen Bank Research würde die Privatisierung der Wasserversorgung zu einer Kostensenkung von maximal 10 bis 15 Prozent führen, was eine Einsparung von maximal 10 Euro pro Haushalt im Jahr darstellen würde, sagte Michaelis. Dafür sei bei einer Liberalisierung eine stärkere, kostenintensive Regulierung nötig, um die aktuellen Standards in Umwelt und Gesundheit aufrecht zu erhalten. Es sei kein Zufall, wenn der Verkauf von verpacktem Wasser in Frankreich so hoch liege, denn das Leitungswasser sei dort schlecht. Durch Liberalisierung würde die Netzpflege an Qualität verlieren, weil es aus ökonomischen Gründen rationaler sei, Löcher im Netz zu lassen. Dabei könnte kontaminiertes Wasser durch die Löcher ins Netz gelangen. Durch die Liberalisierung wäre außerdem die regionale Grundwasserversorgung, die der Umweltrat für sehr wichtig hält, vernachlässigt, sagte Michaelis. Die Sachverständigen rieten davon ab, sich auf die Risiken einer Privatisierung einzulassen, zumal sie nicht rückgängig gemacht werden könne.