Mindestsozialleistungsquoten in der EU empfohlen
Berlin: (hib/VOM) Die Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft - Herausforderungen und Antworten" empfiehlt in ihrem Schlussbericht ( 14/9200), in der Europäischen Union die Einführung von Mindestsozialleistungsquoten zu prüfen. Damit könnte verhindert werden, dass sich die Mitgliedsländer im Standortwettbewerb gegenseitig unterbieten. Diese müssten sich dabei verpflichten, bestimmte Anteile des Sozialbudgets am Bruttoinlandsprodukt nicht zu unterschreiten. Solche Quoten könnten wegen der Unterschiede in den Ausgangsniveaus nicht für alle Mitgliedsländer gleich hoch sein, sondern müssten anhand der Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung differenziert werden, da die Sozialaufwendungen in der Regel schneller wachsen als das Wohlstandsniveau. In einem Minderheitenvotum hält die CDU/CSU-Fraktion diese Forderung für irrrational, da nicht berücksichtigt werde, wie viele soziale Leistungen notwendig seien und andererseits der politische Wille einzelner Mitgliedsländer ignoriert werde. Statt dessen sollten die Sozialbudgets effizienter dazu verwendet werden, um den Finanzbedarf zu senken und Räume für wachstumsfördernde Steuer- und Sozialabgabensenkungen zu schaffen. Nach dem Willen der Kommission sollte sich die Lohnpolitik an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen, also am langfristigen Produktivitätszuwachs, orientieren. Die Lohnentwicklung werde dann verstetigt und liefere ein Beitrag zur Preisniveaustabilität. Gleichzeitig könne die reale Konsumnachfrage stabilisiert und verstetigt werden. Wachstumsgerechte Anreize für produktivitätsschwache und -starke Unternehmen würden so geschaffen. Dagegen heißt es im Minderheitenvotum der CDU/CSU, die Lohnentwicklung müsse stets im Einklang mit der nationalen Produktivitätsentwicklung stehen und dürfe sich nicht an einem EU-Durchschnitt orientieren.
Bei der Unternehmensbesteuerung peilt die Kommissionsmehrheit eine starke Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen an. Dies würde die Transparenz erhöhen und die Möglichkeiten einschränken, Steuern zu gestalten und "unfairen" Steuerwettbewerb zu betreiben. Eventuell müssten Mindeststeuersätze eingezogen werden. Für die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen wird eine bessere Koordination angestrebt. Dies betreffe Transfer-Preise, Finanzierungsbeziehungen, die Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter, die Aufteilung von Betriebsausgaben und Gewinnen sowie den Verlustausgleich. Hier sollten einheitliche Anwendungsgrundsätze vereinbart und in die nationale Steuerpraxis umgesetzt werden. Die CDU/CSU sieht in diesen Empfehlungen ein "tiefes Misstrauen gegenüber dem internationalen Steuerwettbewerb", der einseitig als unfair interpretiert werde. Wenn Steuerwettbewerb zu einer höheren Effizienz der nationalen Steuersysteme führt, so könne dies positive wirtschaftliche Anreize entfalten. Für die Unternehmensbesteuerung wird bei einer Harmonisierung in der EU für sinnvoll gehalten, anstelle der Steuersätze die Vorschriften der Gewinnermittlung anzugleichen. Dies würde den Steuerwettbewerb transparenter machen und nicht ausschalten, so die Union.
Die Kommission unter Vorsitz von Professor Ernst-Ulrich von Weizsäcker (SPD) war im Dezember 1999 eingesetzt worden mit dem Auftrag, die Gründe zusammenzustellen, die zur Globalisierung der Weltwirtschaft geführt haben, ihre Auswirkungen in wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen zu untersuchen und Handlungsoptionen für die nationale und internationale Gemeinschaft darzustellen. Die Kommission hatte bereits einen Zwischenbericht ( 14/6910) vorgelegt. Der 620-Seiten starke Abschlussbericht geht im einzelnen auf die Finanzmärkte, die Waren- und Dienstleistungsmärkte, die Arbeitsmärkte und die globale Wissensgesellschaft ein, enthält Ausführungen zur "Geschlechtergerechtigkeit", zur Situation der Ressourcen, zur nachhaltigen Entwicklung, zur Entwicklung der Weltbevölkerung und zur "Global Governance". Minderheitenvoten haben die CDU/CSU, die FDP und die PDS vorgelegt.