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Dialog der Generationen
Zu einem festen und wichtigen Bestandteil des nationalen Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus hat sich mittlerweile der "Dialog der Generationen" entwickelt.
Auch in diesem Jahr diskutierten rund 250 Jugendliche aus Europa und den USA über den Holocaust, Rassismus und gesellschaftliche Ausgrenzung. "Es geht darum, Wissen über den Nationalismus zu vermitteln", sagte Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) bei der Begrüßung der 16- bis 28-jährigen Gäste.
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Jugendliche diskutieren mit Gad Beck, der die Nazizeit in Berlin versteckt überlebte und anderen untergetauchten Juden half. |
Unter den Teilnehmern befanden sich auch drei Jugendliche aus Schwerin, die das Thema "Minderheiten in der Gesellschaft" nach Berlin geführt hatte. Matthias Schultz, Cornelia Püschel und Norman Krenz engagieren sich in der "Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen", einer von der Stadt Schwerin geförderten Anlaufstelle für Ausländer. Dort ist der Kurzfilm "Stadt ohne Vorurteile" entstanden, den die drei Schweriner während der dreitägigen Veranstaltung präsentiert haben.
In dem zehnminütigen Streifen werden Passanten in der Schweriner Innenstadt gefragt, ob sie Vorurteile hätten. Immer wieder dieselbe Frage und immer wieder dieselbe Antwort: "Nein, ich habe keine Vorurteile." Die stereotypen Formulierungen bewirken in ihren zigfachen Wiederholungen das Gegenteil: Am Ende nimmt der Zuschauer die teils treuherzig bemühten, aber auch mit hintersinnigem Lächeln vorgetragenen Bekundungen immer weniger für bare Münze.
Der Amateurfilm fand großen Anklang unter den nach Berlin gereisten Jugendlichen. Der 17-jährige Matthias Schultz sieht in dem Streifen einen Beitrag gegen Fremdenfeindlichkeit, die es auch in Schwerin gebe. Aufmärsche rechtsradikaler Jugendlicher mit "Heil Hitler" Rufen haben den 17-jährigen Gymnasiasten und seine Mitstreiter sensibilisiert.
Norman Krenz bemängelt, das Thema "Nationalsozialismus" sei in der Realschule nicht ausführlich behandelt und eher kurz angesprochen worden. "Verdrängen ist angesagt", meint der junge Mann. Eine Kritik, die andere Jugendliche teilen.
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Am Rande der Jugendbegegnung. |
Während einer Podiumsdiskussion mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) und der Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, argumentierten mehrere Schüler, der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit sei meist ausschließlich an Fakten orientiert. So werde die Dimension der Judenvernichtung für die heutige Generation nicht begreifbar.
Die Gesprächsrunden der Jugendlichen mit Politikern und Zeitzeugen über die deutsche Vergangenheit und Gegenwart haben die drei Schweriner nachdenklich gemacht. In ihrer Schule wollen sie Referate über den "Dialog der Generationen" halten. Und in der "Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen" sind offene Nachmittage geplant, zu denen gezielt neue Jugendliche eingeladen werden sollen, kündigt Cornelia Püschel an.
Vielleicht fühlten sich die Schweriner durch die Mahnung des Bundestagspräsidenten angesprochen, der vor dem Bundestag daran erinnert hat: "Wie kein anderer Name steht Auschwitz für eine Schuld, die nicht vergeben werden kann und die nie vergessen werden darf. Wenn diese Schuld auch nicht übertragbar ist – die Verantwortung, die daraus erwächst, ist sehr wohl übertragbar."