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"Globalisierung rüttelt an den Grundfesten"
Aufgaben für neue Kommission
Mitte März nimmt die neue Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderung und Antworten" ihre Arbeit auf. Sie kümmert sich um eine völlig "neue" Fragestellung. Noch vor zehn Jahren war das Wort "Globalisierung" kaum bekannt. Und heute verknüpft sich damit schon eines der wichtigsten Themen von Gegenwart und Zukunft. Kommissions-Vorsitzender Ernst Ulrich von Weizsäcker sieht die Globalisierung "an den Grundfesten der Demokratie rütteln". Tief greifende Wirtschaftsentscheidungen würden außerhalb der betroffenen Nationalstaaten von global operierenden Unternehmen gefällt, die sich weder für die Meinung der Gewerkschaft noch der Bevölkerungsmehrheit interessierten. Gleichzeitig verweist der SPD-Politiker im Gespräch mit Blickpunkt Bundestag aber auch auf die friedensstabilisierenden Auswirkungen der Globalisierung: "Wenn über Renditen gesprochen wird, wird nicht mehr über Kriege geredet."
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Ernst-Ulrich von Weizsäcker. |
Weizsäcker sagt voraus, dass das Gremium "alles andere als eine weinerliche Anti-Globalisierungs-Kommission" sein werde. Zwei Fragestellungen stünden im Mittelpunkt. Einerseits sei zu klären, wie sich Deutschland einrichten müsse, um in dem unausweichlichen Globalisierungs-Prozess nicht aus dem Rennen zu fliegen. Andererseits gehe es um Strategien für die deutsche Politik, damit Globalisierung auf Deutschland, Europa und insbesondere auch die Entwicklungsstaaten positive und nicht negative Auswirkungen habe.
Die Versuchung, das brisante Thema immer wieder auch zur aktuellen politischen Auseinandersetzung heranzuziehen, sei selbstredend groß. Aber schon das Mandat des Bundestages sei parteiübergreifend und sehr kooperativ formuliert. Erste Gespräche unter den künftigen Mitgliedern des Gremiums deuteten ebenfalls darauf hin, dass der konsensorientierte Prozess in dieser wichtigen Frage beibehalten werden könne.
Für den Vizevorsitzenden der Kommission, Thomas Rachel (CDU/CSU), ist eine der Kernfragen, wie der deutsche Wirtschaftsstandort für den noch intensiveren Wettbewerb fit gemacht werden kann, damit wir in Deutschland einen weiteren Wohlstandszuwachs und eine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen schaffen können. Die Obfrau von Bündnis 90/Die Grünen, Annelie Buntenbach, betrachtet als Kernfragen des Gremiums die Regulierung der Finanzmärkte, die Schere zwischen Arm und Reich und die Umwelt- und Sozialstandards – und freut sich, im "Dreieck von Wissenschaft, Politik (Siehe auch Forum) und Öffentlichkeit" auf eine "spannende und grundsätzlich andere Arbeit". PDS-Obfrau Ursula Lötzer möchte im Rahmen der Enquete auch mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Vertretern der Umweltbewegung in einen intensiven Dialog kommen. Das Scheitern der WTO-Konferenz von Seattle zeige die Notwendigkeit, sich intensiv mit Nutznießern und Verlierern der Globalisierung zu beschäftigen. Für F.D.P.-Obfrau Gudrun Kopp besteht hingegen die Gefahr des Verzettelns: "Wir dürfen hier keinen Gemischtwarenladen aufmachen, sondern müssen darauf achten, dass wir strukturiert vorgehen." Für sie stehen deshalb der Erhalt des Wettbewerbs, die Fusionskontrolle und die Arbeitsplätze ganz oben auf der Liste, auf die sich die Enquete konzentrieren solle.
Gregor Mayntz