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Serie über die Parlamentarischen Geschäftsführer
Ansprechpartner für politische und persönliche Probleme
Er war Oberstaatsanwalt, ist Oberst der Reserve und der Dienstälteste unter seinen Kollegen. Drei Merkmale, die der Parlamentarische Geschäftsführer der F.D.P.-Fraktion Jörg van Essen als "sehr nützlich" für seine Management-Tätigkeit im Parlament erachtet. Mit ihm sprach Blickpunkt Bundestag im Rahmen der Serie über die Parlamentarischen Geschäftsführer.
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Jörg van Essen, Parlamentarischer Geschäftsführer der F.D.P.-Fraktion. |
Blickpunkt Bundestag: Eine aktuelle Frage am Anfang: Belasten die Finanz- und Spendenaffären auch einen Parlamentarischen Geschäftsführer?
Van Essen: Sie belasten uns alle. Weil wir Sorge haben müssen, dass das, was jetzt ans Tageslicht kommt, zu einer Demokratie-Krise führen kann. Indem Menschen sagen: Seht her, unsere Vermutung, "die da oben" wirtschaften in die eigene Tasche, trifft zu. Gravierender ist noch, dass Personen, auf denen besonderes Vertrauen ruhte, sich jetzt als fehlbar herausstellen. Deshalb sind wohl der Schock und die Enttäuschung so groß.
Sollten das Parteiengesetz und die Spendenregelungen verschärft werden?
Ja, aber ich bin gegen voreilige Schnellschüsse. Eine Gesamtkorrektur sollte man erst vornehmen, wenn die Aufklärungs-arbeit beendet ist. Erst dann wird man sehen können, welche Defizite vorliegen. Eine Konsequenz aber ist für mich jetzt schon erkennbar: Die Rechenschaftsberichte der Parteien sollten künftig strafbewehrt sein, wenn falsche Angaben gemacht werden.
Die Fraktionen des Bundestages werden gänzlich aus Steuergeldern finanziert. Birgt das nicht die Gefahr einer indirekten Parteienfinanzierung in sich – etwa durch "freiwillige" Zwangsabgaben von Abgeordneten an ihre Partei?
Die Rechtslage ist eindeutig: Aus Mitteln der Abgeordneten darf eine Finanzierung der Partei nicht erfolgen. Aber: Jedes Fraktionsmitglied ist ja auch Parteimitglied und zahlt, wenn es keinen anderen Beruf hat, die Beiträge aus den Diäten. Ich etwa zahle wie andere Fraktionskollegen 500 Mark an meine Partei. Das ist sicherlich rechtlich unproblematisch.
Parlamentarische Geschäftsführer sind zumeist auch zuständig für die Fraktionsfinanzen. Ergibt sich daraus nach der Devise "Wer Geld hat, hat Macht" zusätzlicher Einfluss?
Eher im Gegenteil. Denn in aller Regel müssen die Geschäftsführer darauf bedacht sein zu sparen, denn viel zu verteilen gibt es nicht. Das bedeutet, dass man häufig Wünsche abschlagen muss. Insofern ist diese Aufgabe eher eine Quelle von Ärger statt von Freude und Macht.
Wo ordnen Sie den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer in der Fraktionshierarchie ein?
Ich denke, dass er ein operatives Team mit dem Fraktionsvorsitzenden und den Stellvertretern bildet. Jedenfalls ist dies bei uns bei der F.D.P. so. Zwischen diesen Akteuren gibt es einen sehr engen Schulterschluss.
Wenn Sie für die taktische Planung und für die Geschlossenheit Ihrer Fraktion zuständig sind, kommt Ihnen da Ihr beruflicher Hintergrund als Staatsanwalt und Reserveoffizier entgegen?
Durchaus. Wer einmal die Funktion des Chefs des Stabes bei einer Division ausgeübt hat, verfügt über viele organisatorische Erfahrungen, die auch in einer Fraktion sehr nützlich sind. Mir jedenfalls hat das sehr geholfen. Da in einer Fraktion auch viele rechtliche Fragen anfallen, hilft es natürlich auch, wenn man von Haus aus Jurist ist.
Parlamentarische Geschäftsführer werden gerne als heimliche Manager des Parlaments bezeichnet. Eine richtige Einschätzung?
Ja, ich denke schon, dass dies so ist. Denn wir besprechen und klären alles Wesentliche im Voraus und aus dem Hintergrund heraus. Der Ältestenrat, der offiziell als Steuerungsorgan des Bundestages gilt, nickt zumeist nur noch das ab, worauf wir uns geeinigt haben.
Dienstaltersmäßig sind Sie der Senior unter den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführern. Zahlt sich dies im Aushandlungsprozess mit den Geschäftsführer-Kollegen der anderen Fraktionen aus?
Ja, weil man über mehr Erfahrung gegen-über den neuen Kollegen verfügt.
Wie ist das Verhältnis unter den Geschäftsführern?
Wir haben ein sehr offenes und vertrauensvolles Klima, können über alles reden. Das ist wirklich eine gute Grundlage für unsere Arbeit.
Sie waren erst Geschäftsführer einer Regierungsfraktion, nun müssen Sie die Oppositionsarbeit organisieren. Wie haben sich Ihre Aufgaben verändert?
Sie haben sich radikal verändert. In der Regierungsarbeit stand das Koordinieren zwischen den Regierungsfraktionen und der Regierung im Vordergrund. In der Opposition sind Sie viel freier: Sie können Ihre eigenen politischen Auffassungen stärker darstellen und den Schwerpunkt auf die konstruktive Sach- und Gesetzesarbeit legen. Das macht Spaß, zumal wenn man, wie die F.D.P., hier sehr viel leistet.
Es gibt immer wieder Kritik daran, dass Parlamentarische Geschäftsführer im Interesse reibungsloser Abläufe zu viel reglementieren und zu wenig Freiräume lassen. Ist das ein berechtigter Einwand?
Ich kenne diesen Vorwurf. Aber ich erlebe auch immer wieder, dass man, wenn man den Kollegen die Gründe für die notwendige Koordination erklärt, auf Verständnis stößt. Wir erledigen ja unsere Arbeit im Gesamtinteresse von Fraktion und Parlament.
Parlamentarische Geschäftsführer gelten auch als "Frühwarnsystem" ihrer Fraktion. Wie wichtig ist diese Aufgabe?
Im Prinzip sehr wichtig, denn Fraktionsführungen müssen wissen, wie die Stimmung in der Fraktion ist, was gedacht und gewollt wird. Bei uns in der F.D.P. tritt diese Funktion allerdings ein wenig zurück, weil wir in unserer Fraktion, die ja nicht so groß ist wie bei der SPD und der Union, wirklich breite Diskussionen führen können. Bei uns hat jeder Abgeordnete die Möglichkeit, das Wort zu nehmen. Bei 300 Abgeordneten ist das schon schwieriger.
Fraktionen sind ja nicht nur politische Zusammenschlüsse von Abgeordneten, sondern auch menschliche Gemeinschaften. Hat der Parlamentarische Geschäftsführer auch eine fürsorgende"Kummerkasten-Funktion"?
Dieser Aspekt ist sogar sehr wichtig. Denn auch Abgeordnete haben Probleme, politische wie persönliche. Da hilft es, wenn sie Ansprechpartner mit einem offenen und verständnisvollen Ohr haben. Zu dieser Funktion gehört im Übrigen auch, diejenigen zu fördern, die in besonderer Weise Initiative zeigen.
Parlamentsintern gehört der Parlamentarische Geschäftsführer zu den außerordentlich bedeutsamen Akteuren. Kann er sich aber zugleich auch nach außen fachpolitisch profilieren?
Auch dies ist bei der F.D.P. als kleinere Fraktion anders als bei den großen Fraktionen. Ich zum Beispiel betreue zugleich die Rechtspolitik. Das bedeutet allerdings sehr viel Arbeit. Aber es macht eben auch Spaß, Organisation und Sachpolitik zu verbinden.
Einer Ihrer Vorgänger hieß Hans-Diet-rich Genscher. Der nannte einmal das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers einen der "interessantesten Jobs, den die deutsche Politik zu vergeben hat". Richtig?
Das hat er mir auch bei meiner Bestellung gesagt. Und nach fünf Jahren kann ich bestätigen: Genauso ist es.
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Jörg van Essen wurde im September 1947 in Burscheid geboren. Nach dem Abitur studierte er Jura und arbeitete von 1976 bis 1985 als Staatsanwalt in Münster, Hagen und Dortmund. Bis 1990 war er Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm. Von 1978 bis 1984 nahm van Essen außerdem einen Lehrauftrag im Bereich Strafrecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen wahr. Er ist Oberst der Reserve und seit 1980 F.D.P.-Mitglied, wurde 1990 erstmals in den Bundestag gewählt. Dort ist er seit November 1994 Parlamentarischer Geschäftsführer der F.D.P.-Bundestagsfraktion.