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Serie über die Parlamentarischen Geschäftsführer
"Verlässlichkeit ist Grundlage unserer Arbeit"
Unter den Geschäftsführern der ersten Reihe ist er der einzige Ostdeutsche. Roland Claus vertritt im Bundestag engagiert und couragiert die Interessen der PDS. Das Interview mit ihm beschließt die Serie von Blickpunkt Bundestag über die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer im Deutschen Bundestag.
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Roland Claus, Parlamentarischer Geschäftsführer der PDS-Fraktion. |
Blickpunkt Bundestag: Andere Parteien haben ihre Affären oder streiten um Personen und Richtung. Nur um die PDS ist es ruhig. Wie kommt's?
Claus: Auch wir haben durchaus unsere internen Entwicklungsprobleme. Nur dringen sie nicht durch, weil zurzeit in der Tat alles vom Finanzskandal der CDU überlagert wird. Hier ist unsere Position klar: Wir wollen aus dem Schaden anderer keinen Nutzen ziehen. Wir verlangen Aufklärung, aber agieren nicht in alten Klassenkampf-Parolen. In dieser Krise der Demokratie ist ein Zusammengehen der demokratischen Parteien geboten.
Keine Angst, dass es auch bei der PDS schwarze Kassen aus alten Zeiten gibt?
Nein. Der Übergang von der SED zur PDS war wirklich nicht leicht. Auch finanziell nicht. Aber wir haben die Sünden so schmerzhaft und gründlich hinter uns gelassen, dass da keine Gefahr mehr besteht. Seit 1991 sind wir nicht mehr im Besitz irgendwelcher SED-Gelder, auch Auslandskonten gibt es nicht.
Im Bundestag präsentiert sich die PDS relativ geschlossen. Dabei gibt es ja auch in Ihrer Partei unterschiedliche Strömungen. Koppelt sich die Fraktion von der Partei ab?
Keineswegs. Auch in der Fraktion spiegeln sich die verschiedenen Strömungen und Ansätze durchaus wider. In der praktischen Arbeit als Oppositionsfraktion im Bundestag versuchen wir allerdings, klare Positionen zu beziehen. Darauf haben unsere Wähler einen Anspruch.
Anders als in den ersten Jahren der Parlamentszugehörigkeit besitzt die PDS in dieser Legislaturperiode Fraktionsstatus. Wie wirkt sich das auf die Politik aus?
Wir verfügen endlich über die normalen demokratischen Möglichkeiten einer Parlamentsfraktion, die uns vorher verwehrt waren. Jetzt können wir zumindest in Verfahrensfragen gleichberechtigt mit den anderen Fraktionen agieren, können Aktuelle Stunden und namentliche Abstimmungen verlangen und uns an vielen Gremien beteiligen, die uns vorher nicht offen standen.
Gibt es keine Versuche der Ausgrenzung mehr? Ist die Zeit der politischen Schmuddelkinder vorbei?
Sie geht vorbei, aber vieles bleibt anomal. Etwa, dass Anträge von uns im Plenum abgelehnt werden; und zwar nicht aus der Sache heraus, sondern einfach aus dem Grund, dass sie von der PDS stammen. Und noch eine weitere Besonderheit gibt es: Alle Fraktionen im Bundestag stehen untereinander in Konkurrenz, die aber mit einer grundsätzlichen Akzeptanz verbunden ist. Nur gegenüber der PDS findet eine Konkurrenz ohne Akzeptanz statt. Die PDS soll am liebsten wieder verschwinden.
Wie charakterisieren Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen?
Sie ist im normalen Gang des Plenums und bei der Abstimmung unter den Parlamentarischen Geschäftsführern professionell und entspannt. Ich fühle mich bei dieser Arbeit absolut gleichberechtigt. Was ich kritisiere, ist, dass es keine oder kaum Sachkooperation mit anderen Fraktionen, insbesondere den Sozialdemokraten, gibt. Vor dem Kosovo-Krieg waren wir schon nahe dran, diese Blockade zu überwinden; mit dem Weggang von Oskar Lafontaine ist alles wieder komplizierter geworden. Die SPD legt gegenüber der PDS immer nur so viel Kooperationsbereitschaft an den Tag, wie ihr von der CDU erlaubt wird. Selbst bei gleich lautenden Anträgen verweigert sich die SPD. Das finde ich albern.
Gibt es in der Runde der Parlamentarischen Geschäftsführer feste Absprachen mit der PDS?
Selbstverständlich. Denn alle sind ja daran interessiert, dass die dort getroffenen Vereinbarungen anschließend auch eingehalten werden. Verlässlichkeit von allen Seiten ist die Grundlage unserer Arbeit.
Existiert so etwas wie eine Koalition der Geschäftsführer in der Opposition?
Wir haben das mehrfach angestrebt. Ich habe dem Kollegen Repnik von der CDU gesagt: Wir müssen uns ja nicht lieben, könnten uns aber gegenseitig benutzen im Bemühen, der Regierung die Arbeit zu erschweren. Das ist bislang gescheitert. Weniger am Kollegen Repnik und an Wolfgang Schäuble, sondern an der CSU und den ehemaligen Bürgerrechtlern in der Union.
Die meisten Parlamentarischen Geschäftsführer sind alte parlamentarische Hasen. Sie sind ganz neu im Parlament. Ist das ein Handicap?
Ganz so neu im Geschäft bin ich ja nicht. Ich war sieben Jahre Landesvorsitzender der PDS in Sachsen-Anhalt und zwei Legislaturperioden lang Abgeordneter im dortigen Landtag. Insofern kenne ich parlamentarische Abläufe durchaus, wenn auch die Arbeit im Bundestag anders ist.
Welchen Stellenwert hat das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers in der PDS-Fraktion?
Es ist eine wichtige Schaltstelle für die innerfraktionelle Koordination. Eine kleine Fraktion wie die PDS mit 37 Köpfen ist ein ziemlich kompliziertes Gebilde: Sie ist zu klein für feste Hierarchien und zu groß, als dass alle über alles reden können. Das macht die Sache bisweilen nicht ganz einfach. Zum anderen ist der Parlamentarische Geschäftsführer zuständig für die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen. Gerade wegen deren Berührungsängsten uns gegenüber ist dies eine ganz wichtige Aufgabe.
Wie schwer haben Sie es mit der Fraktionsdisziplin, also der Forderung nach Präsenz und Geschlossenheit?
Mehrheitlich wird durchaus akzeptiert, dass es Fraktionsdisziplin geben muss, aber nicht mit einem Fraktionszwang verwechselt werden sollte. Blinden Gehorsam fordert bei uns niemand ein. Aber alle verstehen, dass es wichtig ist, eigene PDS-Anträge im Plenum mit einer guten Präsenz zu unterstützen. Da unsere Vorstöße häufig erst am späten Abend aufgerufen werden, müssen unsere Abgeordneten viel Geduld und Disziplin aufbringen.
Oft murren Abgeordnete über zu viel Reglementierung durch die Parlamentarischen Geschäftsführer. Ist das auch in der PDS-Fraktion der Fall?
Natürlich kommt das auch bei uns bisweilen vor. Aber eine Mehrheit in der Fraktion erwartet eher, auch von mir, dass man von der Mehrheit Gebrauch macht. Insofern gibt es weniger ein Murren an einem Übermaß an Disziplinierung als eine Erwartung, zu Entscheidungen zu kommen und nicht alles laufen zu lassen. Vor lauter interner Diskussion nicht zu Potte zu kommen, können wir uns einfach nicht leisten. Die Gesellschaft hat ein Recht darauf zu erfahren, wie wir das, was in unserem Parteinamen steht - demokratischer Sozialismus - konkret politisch gestalten. Da haben die PDS und auch die Fraktionen an manchen Stellen durchaus noch eine Bringschuld.
Wie ist Ihr Verhältnis zu Fraktionschef Gysi?
Wir haben ein sehr gutes, sehr persönliches und über viele Jahre gefestigtes Verhältnis. Darin ist kritischer Rat eingeschlossen.
Parlamentarische Geschäftsführer wirken zumeist nicht im Rampenlicht. Braucht der Bundestag mehr Spontaneität und Transparenz?
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Ja, ich finde, dass es zu viele Absprachen gibt, wodurch das ganze parlamentarische Geschehen sehr vorbestimmt wird. Überraschungsmomente kommen kaum noch vor. Der Bundestag wird dadurch langweilig. Dabei könnte er mehr Lebendigkeit gut vertragen.
Wenn Sie einen Wunsch an das Parlament frei hätten: Welcher wäre es?
Den Mut zu finden, die fest gefügten Fraktionsgrenzen häufiger mal zu überspringen und die Chance zu fraktionsübergreifenden Abstimmungen zu nutzen. Das pauschale Aufeinandereindreschen führt doch nicht weiter.
Roland Claus wurde am 18. Dezember 1954 in Hettstedt (Sachsen-Anhalt) geboren. Nach dem Studium an der TH Merseburg machte er 1976 seinen Abschluss als Dipl.Ing oec. Von 1978 bis 1989 war Claus in verschiedenen FDJ-Wahlfunktionen tätig, so als 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Halle. In den Jahren von 1990 bis 1997 war er Landesvorsitzender der PDS Sachsen-Anhalt sowie von 1990 bis 1998 auch Mitglied des Landtages. Claus gehörte 1990 der ersten frei gewählten Volkskammer an. Seit 1998 ist er Abgeordneter des Bundestages und Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.