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Trotz geringer Macht mit Leidenschaft dabei
Die Mitglieder des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von den meisten anderen Bundestagsausschüssen. In der Bildungspolitik sind die Kompetenzen des Bundes durch die Kulturhoheit der Länder begrenzt. In der Forschungspolitik sind Ausgaben und Schwerpunkte oft durch langfristige Programme und Bund-Länder-Absprachen festgelegt. Dennoch wollen die 38 Ausschussmitglieder mit ihrem Vorsitzenden, dem FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann, eigene Schwerpunkte im Parlament setzen.
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Sitzung des Ausschusses: Die 38 Mitglieder kommen in der Regel am Mittwoch zusammen. (360-Grad-Foto) |
Im Gespräch mit Ausschussmitgliedern scheint bei vielen Unzufriedenheit über die begrenzten Handlungsmöglichkeiten durch. Ein so entscheidendes Regelwerk, bei dem die Ausschussmitglieder einen größeren Gestaltungsspielraum hatten, wie das Hochschulrahmengesetz, das erst in der letzten Legislaturperiode einer Generalrevision unterzogen wurde, wird nicht alle Jahre neu gefasst. Und bei vielen weiteren Gesetzen, die den Bildungsbereich betreffen, haben oft andere Ausschüsse die Federführung. Die jetzt angestrebte Dienstrechtsreform für die Hochschulen mit einer leistungsbezogenen Bezahlung der Professoren kann von den Bildungspolitikern nur in engster Abstimmung mit ihren Parlamentskollegen vom Innenressort umgesetzt werden.
Auch die von den Bildungspolitikern aller Fraktionen angestrebten Verbesserungen beim Meister-BAföG können nach dem mit der letzten Regierungsbildung erfolgten Neuzuschnitt der Kompetenzen zwischen dem Bildungs- und Wirtschaftsministerium nur gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss auf den Weg gebracht werden. Und beim Studenten-BAföG, das eigentlich die Domäne der Bildungspolitiker sein sollte, hatten nach einhelliger Aussage der Ausschussmitglieder in den vergangenen Jahren viel zu oft die Haushaltspolitiker das Sagen.
Ebenso ist bei den Milliarden-Ausgaben für die Forschungsorganisationen, wie die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Gestaltungsspielraum der Abgeordneten eingeschränkt. Bereits vor Aufstellung des Bundeshaushaltes hat in der Regel auf Regierungsseite ein schwieriger Abstimmungsprozess über die Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben zwischen Bund und Ländern stattgefunden. Ähnliches gilt für internationale Verpflichtungen, die die Bundesrepublik beispielsweise mit der Beteiligung an der Europäischen Raumfahrtagentur ESA eingegangen ist.
Dennoch bekunden die meisten Mitglieder des 1994 zusammengelegten Bildungs- und Forschungsausschusses, gern und mit Leidenschaft dabei zu sein. Der junge CDU-Abgeordnete Thomas Rachel, stellvertretender bildungs- und forschungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, sagt: "Anfangs wurde ich von Kollegen aus anderen Ausschüssen etwas mitleidsvoll belächelt, und ich musste immer wieder beteuern, dass ich kein Lehrer bin, sondern wirklich aus Interesse Bildungspolitik mache." Ähnlich beschreibt auch der Informatiker Stephan Hilsberg seine Erfahrungen, der dem Bildungsausschuss schon seit 1990 angehört und seit 1998 bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ist.
Das kollegiale Klima im Ausschuss nennen beide Politiker als im Großen und Ganzen gut. Rachel wie die anderen Oppositionspolitiker hätten gern mehr Information durch die Bundesregierung. Hilsberg wünscht sich "mehr inhaltliche Debatten" im Ausschuss und "weniger Fensterreden". Als bedauerlich bezeichnet er es, dass man in den knapp anderthalb Jahren dieser Legislaturperiode noch keinen gemeinsamen fraktionsübergreifenden Antrag zustande gebracht hat. Dabei liege man doch in vielen Fragen der Bildungs- wie der Forschungspolitik gar nicht so weit auseinander, sagt Hilsberg. Die soziale Lage der Studenten müsse nach der rigiden Sparpolitik beim BAföG nach Aussage aller Fraktionen jetzt umgehend verbessert werden. Im Ausschuss sieht Hilsberg auch bei seinen Kollegen von der Opposition eine deutliche Mehrheit gegen Studiengebühren.
Eine interessante Besonderheit des Ausschusses stellt das ihm zugeordnete Büro für Technikfolgenabschätzung (TAB) beim Deutschen Bundestag dar. Es wurde 1990 eingerichtet, um durch Beobachtung und Analyse neuer wissenschaftlich-technischer Trends den Abgeordneten aller Ausschüsse bessere Beratungsgrundlagen bei forschungs- und technologiepolitischen Entscheidungen zu liefern. Ob es um das Klonen von Tieren geht, den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, umweltfreundliche Verkehrsmittel oder die Folgen des Tourismus - immer ist das Büro mit seinen Analysen und Gutachten gefragt. Neben dem Leiter arbeiten zurzeit acht Wissenschaftler im TAB-Büro. Es arbeitet eng mit dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Forschungszentrums Karlsruhe zusammen.
Hilsberg wie Rachel sehen die wichtigste Rolle ihres Ausschusses denn auch vor allem bei langfristigen Weichenstellungen in der Forschungs- wie in der Bildungspolitik. Die stellvertretende Ausschuss-Vorsitzende Ursula Burchardt (SPD) versteht den Ausschuss dabei auch als "Wächter und Mahner" bei der Erfüllung des Grundgesetzgebotes nach einheitlichen Lebensverhältnissen und damit gleichen Bildungschancen in der föderalen Bundesrepublik.
Die "bewegten" Zeiten im Bund-Länder-Verhältnis, als der Bildungsausschuss Ende der 80er Jahre erst mit einem Rechtsgutachten klären musste, ob der Bundestag wegen der Länder-Kulturhoheit überhaupt über Schulpolitik debattieren dürfe, sind heute vorbei. Das Verhältnis sei viel entspannter, glauben Rachel wie Hilsberg. Wer beispielsweise nach den Ursachen des Fachkräftemangels in der Informatik forscht, der könne nicht erst bei den Hochschulen anfangen, da gehöre die Schulpolitik mit auf den Prüfstand.
Dem Ausschussvorsitzenden Jürgen W. Möllemann geht das nicht weit genug. Im Bildungsföderalismus und seiner "langwierigen Abstimmungsmechanik" zwischen 16 Bundesländern und dem Bund sieht er "das größte Hemmnis, um auf neue bildungspolitische Herausforderungen zu reagieren". Spätestens im Rahmen einer neuen EU-Verfassungsordnung sollte aus Sicht des FDP-Politikers "diese bildungspolitische Kleinstaaterei beendet werden". Karl-Heinz Reith