streitgespräch
Die Nichtraucher und der blaue Dunst
Streitgespräch über die Initiative zum Schutz der Nichtraucher
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Rauchen gefährdet die Gesundheit. Nicht nur die der Raucher. Auch Nicht- und Passivrauchern drohen durch den blauen Dunst ernste Gesundheitsgefahren: Das Krebsrisiko ist deutlich erhöht. Nach zwei gescheiterten nläufen für ein Nichtraucherschutzgesetz versucht jetzt eine interfraktionelle Nichtraucherschutzinitiative im Bundestag erneut, zumindest den Arbeitsplatz von Tabakkonsum freizuhalten. Und diesmal besteht Aussicht auf Erfolg: Fast 200 Abgeordnete haben den Antrag auf einen verbesserten Nichtraucherschutz bereits unterschrieben. Doch muss gesetzlich geregelt werden, was eigentlich Gebot selbstverständlicher Rücksichtnahme wäre? Darüber führte Blickpunkt Bundestag ein Streitgespräch mit einer Vertreterin der Initiative Uta Titze-Stecher (SPD) und dem CSU-Abgeordneten Herbert Frankenhauser, der sich selbst als "aktiven Genussraucher" bezeichnet, beim Streitgespräch aber auf seine geliebte Pfeife verzichtete.
Blickpunkt Bundestag: Frau Titze-Stecher, warum die Keule einer Verordnung mit Bußgeld-Androhung? Trauen Sie dem mündigen Bürger keine Verantwortung gegenüber seinem nicht rauchenden Kollegen zu?
Uta Titze-Stecher: Ich traue dem Bürger, was seine Mündigkeit und die Übernahme von Verantwortung anbelangt, eine Menge zu. Aber starke Raucher sind in ihrer Mehrheit süchtig, da sind Abmachungen oft sehr schwierig. Wir wollen mit unserem Gesetz eine Regelung anbieten, auf die sich beide Seiten stützen können. Sowohl der Raucher, der künftig weiß, wo er rauchen darf und wo nicht, als auch der Nichtraucher, der dann nicht mehr um gute Luft betteln muss. Insofern schaffen wir Rechtssicherheit, die freiwillige Rücksichtnahme natürlich nicht ausschließt.
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Herbert Frankenhauser: Wenn wir etwas in unserem Land im Überfluss haben, dann sind es Regelungen. Man kann nicht einerseits ständig von den Mitbürgern mehr Eigenverantwortung und Mündigkeit einfordern, ihnen aber im selben Augenblick immer mehr Dinge vorschreiben. Es ist sicherlich traurig, wenn einige Menschen nicht die Grundregeln des Anstands gelernt haben, aber insgesamt lässt sich die Frage des Rauchens doch in einer ganz normalen zwischenmenschlichen Weise regeln. Ich rauche doch auch nicht nur dort nicht, wo es verboten ist, sondern auch dort nicht, wo es unerwünscht ist.
Titze-Stecher: Das klappt nur im Freundeskreis oder in Gruppen, deren Mitglieder sich kennen. Im Charter-Flieger sieht das oft ganz anders aus. Selbst im Haushaltsausschuss habe ich vier Jahre gekämpft, bis er endlich rauchfrei war. Im Gegensatz zu den ersten Initiativen soll sich der Nichtraucherschutz jetzt auf die Arbeitsstätten – und auch noch mit Ausnahme der Gaststätten – beschränken.
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Herbert Frankenhauser (CDU/CSU) |
Ist das Taktik, oder ist das gesetzliche Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln abgeschrieben?
Titze-Stecher: Keineswegs. Der Ausdruck Arbeitsstätte subsumiert ja vieles – er umfasst etwa auch eine Arbeitsstätte im Rathaus oder anderen öffentlichen Gebäuden. Denn dort halten sich ja auch Menschen auf, die sich vom Tabakqualm belästigt fühlen. Die Gaststätten haben wir vom strikten Verbot ausgenommen, weil niemand gezwungen ist, ein verräuchertes Lokal aufzusuchen. Am Arbeitsplatz ist das anders: Dort können Sie dem paffenden Kollegen nicht ausweichen und müssen deshalb geschützt werden.
Frankenhauser: Mag sein. Nur würde ich den Begriff Arbeitsplatz nicht so weit auslegen wie Sie. Arbeitsplatz ist dort, wo jemand arbeitet. Theoretisch kann man alles auswalzen. Im Übrigen ist nach meinen Erfahrungen der Nichtraucherschutz in den Betrieben schon jetzt weitgehend geregelt. Also wozu wieder ein Gesetz?
Titze-Stecher: Nein, nur bei 30 Prozent der Betriebe ist der absolute Nichtraucherschutz gewährleistet. Ansonsten gibt es so genannte weiche Lösungen, die sich nur auf Pausen-, Liege- und Bereitschaftsräume beziehen. Wir aber möchten generell den Platz schützen, an dem Sie acht Stunden am Tag arbeiten. Dabei liegt es uns fern, die Raucher zu diskriminieren, wie dies zurzeit in den USA passiert. Das wollen wir nicht.
Frankenhauser: Aber Sie sind auf dem besten Wege dazu ...
Titze-Stecher: Nein, nein. Wir nehmen den Raucher durchaus ernst, wollen ihm sein Vergnügen, wenn es denn eins ist, auch nicht nehmen. Nur: Beim Alkohol schädige ich die eigene Leber, beim Essen geht es um mein eigenes Gewicht, nur beim Rauchen ist immer auch ein anderer mitgeschädigt. Ob der will oder nicht. Warum aber soll einer zwangsweise bepafft werden? Das ist nicht einzusehen.
Frankenhauser: Dann müssen Sie bald auch den gesetzlich schützen, der an einer belebten Straßenkreuzung Abgase einatmet ...
Wie hoch sollen die Bußgelder für Arbeitgeber sein, die das Gebot des tabakrauchfreien Arbeitsplatzes ignorieren?
Titze-Stecher: Das haben wir nicht festgelegt. Das ist Sache der Länder und der Gewerbeaufsichtsämter. Wichtig ist uns, dass wir nicht den Raucher an die Kandare nehmen wollen, sondern den Hausrechts-Inhaber, also die Behörde oder den Arbeitgeber. Der soll dafür sorgen, dass am Arbeitsplatz gute Luft herrscht.
Sind Rauchverbote mit Strafgeldern zu realisieren?
Frankenhauser: Realisieren kann man alles, nur kommt man dann bald in die Nähe des Überwachungsstaates. Sie können auch mit Härte durchsetzen, dass Tabak künftig nur noch durch Verteilerkolonnen ausgegeben wird. Aber Gesetze und Verordnungen,
die praktisch nur von einem Big-Brother-Staat überwacht werden können, sind doch eher nutzlos und landen im Papierkorb.
Titze-Stecher: Ein Parkverbot wird auch überwacht. Ein Gesetz ohne Bußgeldbewehrung ist ein zahnloser Tiger. Deshalb ist es richtig, dass es Sanktionen gibt. Besser aber ist es, nicht gleich nach dem Kadi zu rufen, sondern selbst den Arbeitgeber auf seine Pflicht aufmerksam zu machen.
In der Verordnung ist auch eine "innerbetriebliche Nikotinentwöhnung" für rauchende Arbeitnehmer vorgesehen. Riecht das nicht stark nach Gängelung und nach einer Pflicht-Entwöhnung?
Frankenhauser: Ja, Massenumschulung!
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Uta Titze-Stecher (SPD) |
Titze-Stecher: Unsinn. Wir wollen doch keine Gehirnwäsche. Aber wir wissen, dass 75 Prozent der Raucher sich das Rauchen abgewöhnen wollen, es jedoch nicht schaffen. Deshalb ist das ein kostenloses Angebot zur Entwöhnung, das jeder annehmen, aber auch ablehnen kann. Zwang gibt es nicht.
Frankenhauser: Ich kenne auch eine Menge Torten-Abhängiger, ist da auch was zu erwarten?
Der Griff zum Glimmstängel beginnt immer früher. Müsste der Staat nicht vorrangig Jugendliche schützen, als Erwachsene zu bevormunden?
Frankenhauser: Ja, das wäre wichtiger. Wie fragwürdig die Initiative ist, zeigt sich ja auch daran, dass Familien und Privatwohnungen zu Recht außen vor bleiben. Eltern dürfen weiterhin ihre Kleinkinder einqualmen. Es bleibt dabei: Die Verantwortung sollte beim Individuum, und nicht beim Staat liegen.
Titze-Stecher: Dies beweist, dass bei uns eben nicht eine Regelungs-Wut herrscht, sondern dass wir im Privatbereich die Eigenverantwortung durchaus akzeptieren. Wir beschränken uns wirklich auf den Arbeitsplatz. Richtig aber ist, dass im Jugend-schutz analog zum Alkoholabgabeverbot an unter 16-Jährige auch ein Zigarettenabgabeverbot kommen muss. Daran arbeiten wir.
Wie sieht die Raucher-Zukunft aus?
Titze-Stecher: Der Raucher wird nicht ausgegrenzt oder diffamiert, aber er muss sich in öffentlichen Räumen dem Wunsch nach halbwegs guter Luft beugen.
Frankenhauser: Der Kollegin Titze-Stecher nehme ich das ab. Andere gehen mit einem Sendungsbewusstsein vor, das selbst rück-sichtsvolle Raucher in die Ecke der Aussätzigkeit rückt. Das halte ich nicht für gut. Ich bin, zumal als Bayer, für die Devise: Leben und leben lassen.