Der Buchtipp
Liegt die Zukunft in der Provinz?
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Seit Jahren verstummt die Kritik an den Parteien und Abgeordneten nicht mehr. Vieles daran war den Moden des Zeitgeistes geschuldet. Dass wir uns aber begründete Sorge um die Zukunft der Parteiendemokratie machen müssen, darauf weisen Franz Walter und Tobias Dürr in ihrer aufregenden Analyse der Parteienentwicklung in Deutschland hin. Der erstaunliche Erfolg parlamentarischer Demokratie in Deutschland hatte nach ihrer Einschätzung seinen Grund in der Stabilität gesellschaftlicher Milieus, auf die sich die großen Parteien verlässlich stützen konnten. Aber eben jene sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen und christlich-kirchlichen Milieus zerbröseln. Den Parteien fehlte zunehmend das gewohnte Stützkorsett, die sozialen Ressourcen versiegen. Dadurch erhöhen sich die Erwartungen an die Politiker: Die Bürger erwarten kurzfristige Erfolge statt geduldigen Bohrens harter Bretter.
Die Autoren fragen: Wächst sich die Entkoppelung von Parteien und Gesellschaft, von Ansprüchen und Ressourcen, zu einer dramatischen Krise aus? Wer das nicht wolle, müsse die Lernfähigkeit und Anpassungsbereitschaft der Parteien fördern. Inhaltliche Erneuerung helfe, die "Sinndepots" der Parteien aufzufül-len und neue "Loyalitätspolster" zu gewinnen. Im Gegensatz zu den orientierungsloser gewordenen politischen Eliten sehen Franz Walter und Tobias Dürr noch erhebliche soziale und kulturelle Potenziale in der Gesellschaft. Vor allem die Kommunen erweisen sich als Orte leben-diger Reform. Ein Lob der Provinz – die politische Zukunft besitzt doch noch eine Heimat. B.B.
Franz Walter/Tobias Dürr: Die Heimatlosigkeit der Macht. Wie die Politik in Deutschland ihren Boden verlor, Berlin 2000, Alexander Fest-Verlag, 39,80 DM.