GROSSE MEHRHEIT IM PLENUM Stiftungsgesetz zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter verabschiedet(in) In namentlicher Abstimmung hat der Bundestag das Gesetz zur Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" am 6. Juli verabschiedet, mit dem die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Regimes erfolgen soll. 556 von 620 Abgeordneten stimmten für den Gesetzentwurf, 42 dagegen, 22 enthielten sich. In diesem Zusammenhang nahm das Parlament auch einen Entschließungsantrag von SPD, Bündnisgrünen, F.D.P. und PDS ( 14/3790) an. Darin hält der Bundestag fest, die Errichtung des Zukunftsfonds innerhalb der Stiftung sei eine besondere Chance, der Verantwortung von Staat, Gesellschaft und Privatwirtschaft gerecht zu werden. Hierdurch werde auch den kommenden Generationen die Möglichkeit eröffnet, die Erinnerung an das NS-Unrecht weiter wach zu halten. Eine Initiative der PDS zur Errichtung einer Stiftung ( 14/1694) erklärte das Parlament für erledigt. Bei den letzten Beratungen des Gesetzentwurfs ( 14/3206, 14/3459, 14/3758) im Innenausschuss des Bundestages war noch ein Passus eingefügt worden, nachdem die Entschädigungen erst ausgezahlt werden, wenn die anhängigen Sammel- und Einzelklagen abgewiesen sind und für die deutschen Unternehmen die angestrebte Rechtssicherheit erreicht ist. Die Zustimmung des Bundesrates am 14. Juli vorausgesetzt, sollen die Verhandlungen am 17. Juli in einem feierlichen Akt ihren Abschluss finden. Kritik an der WirtschaftZur Entschädigung der auf eine Zahl von 1,2 Millionen geschätzten ehemaligen Zwangsarbeiter werden der deutsche Staat und die Wirtschaft jeweils 5 Milliarden Mark bereitstellen. Danach werden Zwangsarbeiter, die in Konzentrationslagern eingesperrt waren, mit jeweils 15.000 Mark entschädigt; für andere Zwangsarbeiter sind 5.000 Mark vorgesehen. Die Verteilung der Gelder soll über namentlich genannte Organisationen erfolgen. Ein Kuratorium aus 23 Mitgliedern soll offene Frage klären und entscheiden. Der Vorsitzende wird vom Bundeskanzler ernannt. Neben je drei Vertretern von Bundesregierung und Bundestag wird der Bundesrat zwei Mitglieder und die Stiftungsinitiative der Wirtschaft vier Mitglieder stellen. Je einen Vertreter entsenden die Regierungen der USA, Israels, Polens, Russlands, der Ukraine, Weißrusslands, Tschechiens und die "Conference on Jewish Material Claims against Germany". Zum Gremium gehören außerdem ein von den USA benannter Anwalt, sowie ein Vertreter der Sinti und Roma. Heftige Kritik der Fraktionen hatte es an der zögerlichen Beteiligung der Wirtschaft gegeben. Von 200.000 angeschriebenen Unternehmen hätten sich bisher nur etwa 3.000 beteiligt, erst 3,1 Milliarden Mark seien fest zugesagt. Ein "öffentliches Ärgernis", nannte es der Beauftragte der Bundesregierung und F.D.P.-Ehrenvorsitzende Graf Lambsdorff, dass die Mehrzahl der deutschen Wirtschaft der Stiftung noch nicht beigetreten sei. Die CDU/CSU erklärte, es sei kein Ruhmesblatt, dass sich erst 1,5 Prozent der deutschen Unternehmen an der Stiftung beteiligt hätten. Bündnis 90/Die Grünen nannten namentlich eine Reihe von Unternehmen wie Haribo, Stollwerck, Warsteiner und die Südfleisch AG und warfen ihnen vor, sich ihrer historischen Verantwortung zu entziehen. Auch die Bauwirtschaft oder das Transportgewerbe halte sich fern. Die Zahlung von 10 Milliarden Mark könne angesichts der Leiden der Opfer ohnehin nur eine humanitäre Zuwendung sein. Die PDS nannte das Verhalten der Wirtschaft "einen Skandal". Kein neues Reparations-KapitelBundesfinanzminister Eichel (SPD) hatte geäußert, es werde kein neues Kapitel zu Reparationen mehr geben. Die nun beschlossene humanitäre Geste sei notwendig gewesen, da es niemandem erlaubt sei, aus der Geschichte auszutreten. Namentlich dankte Eichel Graf Lambsdorff und dem amerikanischen Verhandlungsführer Eizenstat sowie dem Vertreter der deutschen Wirtschaft, Gentz von der Daimler-Chrysler AG, für ihr Engagement. Auch die Union erinnerte daran, Deutschland habe sich seit Kriegsende redlich um Entschädigung bemüht. In den letzten 50 Jahren seien etwa 140 Milliarden Mark gezahlt worden, weitere 20 Milliarden Mark an Entschädigungsleistungen würden unabhängig von der Stiftungsinitiative noch fällig. Unklarheiten des Stiftungsgesetzes und unzureichende Regelungen für den tatsächlichen Rechtsfrieden sowie ungeklärte künftige Ansprüche auf Entschädigungen oder Reparationen machten Abgeordnete geltend, sich bei der Abstimmung zu enthalten oder gegen das Gesetz zu stimmen. Obwohl grundsätzlich "für eine Entschädigung der Zwangsarbeiter"mahnten Unionsvertreter, man dürfe auch nicht die deutschen Opfer vergessen, die nach dem Krieg in anderen Ländern ebenfalls Zwangsarbeit hätten leisten müssen. Auch diese Opfer könnten eine humanitäre Geste erwarten. Auch wenn Unrecht nicht gegen Unrecht aufgerechnet werden könne", müssten sich auch andere ihrer Verantwortung stellen". Auf Selbstgerechtigkeit könne keine gute Nachbarschaft in Europa gedeihen. Selbst wenn die Deutschen keine Entschädigung einklagen würden, hätten frühere deutsche Zwangsarbeiter doch ebenfalls Anspruch auf eine humanitäre Geste. Auf Nagelprobe nicht verzichtenObwohl die Zusagen der US-Regierung zur Sicherung des Rechtsfriedens im Rahmen der Zwangsarbeiterentschädigung "weit über das hinausgehen", was bislang in vergleichbaren Verhandlungen erzielt wurde, ließe es die Situation nicht zu, auf die erste Nagelprobe zum Rechtsfrieden zu verzichten, hatte der Beauftragte der Bundesregierung, Graf Lambsdorff, noch am 30. Juni in einer Sondersitzung vor dem Innenausschuss erklärt. Lambsdorff sagte, er sei dankbar für die Entscheidung, die Aufteilung an die verschiedenen Opfergruppen mit in das Gesetz aufzunehmen. Dies sei ein deutliches Zeichen, dass man alle Gesprächspartner und nicht nur US-Anwälte ernst nehme. SPD und Bündnisgrüne wandten sich gegen die Einschätzung der Union, den Bundestag nur "als Notar" in diesem einmaligen Gesetzgebungsverfahren und Vertragswerk zu sehen. Es habe in vielen Punkten Einfluss- und Einwirkungsmöglichkeiten gegeben. |