REGIERUNGSERKLÄRUNG ZUM AUSSTIEG AUS DER KERNENERGIE
"Vereinbarung mit Energiewirtschaft ist ein fairer Kompromiss"
(um) Als einen "fairen Kompromiss" mit der Energiewirtschaft hat Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung vom 28. Juni die mit der Energiewirtschaft erzielte Vereinbarung zum Ausstieg aus der Atomenergie bezeichnet. Dabei nannte er die massive Unterstützung der Fotovoltaik und ein "vorbildliches" Programm für die Kraft-Wärme-Koppelung im Bereich der öffentlichen Energieversorgung "wichtige Marksteine" auf dem Weg zu einer umweltverträglichen und wettbewerbsfähigen Energiewirtschaft.
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Eine "Epoche gesellschaftlichen Konfliktes" sei zu Ende gegangen, der "das politische Bewusstsein einer ganzen Generation" geprägt habe. Der Kanzler betonte, es lohne nun nicht mehr, in die "strahlende Rüstung des Atomritters zu schlüpfen, um ein letztes Mal die Schlachten der Vergangenheit zu schlagen".
Angela Merkel (CDU/CSU) warf der Bundesregierung vor, sie habe nicht wegen des Umweltschutzes oder wegen der Energieversorgung eine Vereinbarung getroffen, sondern "um taktische, ideologische Vorhaben auf gerade noch vertretbare Weise umzusetzen". Des Weiteren hielt die Union der Regierung vor, sie weigere sich Erkundungen zum Endlager durchzuführen und mache Zwischenlager "implizit für lange Zeit zu Quasiendlagern". Merkel kündigte Widerstand bei der Umsetzung des Konzepts für die geplanten Zwischenlager an. Für die Union bleibe es "ein Rätsel", wie nach dem Ausstieg aus der Kernenergie ein klimaverträglicher, CO2-freier Ersatz für den 30-prozentigen Anteil der Kernenergie an der Grundlast der Energieerzeugung geschaffen werden könne. Es gebe in all den Vereinbarungen "nicht einen einzigen Hinweis darauf", wo die Bundesregierung einsteigen wolle und wie sie die Defizite beheben wolle, die durch diese Vereinbarung hervorgerufen würden.
Dem hielt Michaele Hustedt (Bündnis 90/Die Grünen) entgegen, man habe den Einstieg in umweltverträgliche Energieversorgung bereits begonnen. Das Gesetz für erneuerbare Energien sei das "weltweit" ambitionierteste Förderprogramm, mit dem in 30 bis 50 Jahren die Hälfte der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien gewonnen werden sollte. "Es ist eine völlig irre Vorstellung, dass man ohne Atomkraft die Grundlast nicht betreiben kann." Bevor mit in der Solarenergie einen Anteil von 50 bis 100 Prozent erreicht habe, setze man auf Energieeinsparung. Hustedt nannte das Festhalten der CDU/CSU an einer "Sackgassentechnologie des letzten Jahrhunderts" als Ursache dafür, dass sie am Rande der Gesellschaft stehe und sich außerhalb "jeglicher vernünftiger Debatten" über die Zukunft der Energieversorgung befinde.
Für die F.D.P. erklärte Walter Hirche, dem Parlament werde ein Konsens vorgegaukelt, der überhaupt nicht vorhanden sei. Aus Sicht der Betreiber gehe es darum, Rechtssicherheit zu kaufen und sich durch Verzicht auf unbeschränkte Betriebsgenehmigungen von "Manipulationen des bestehenden Rechts durch rot-grüne Regierungen freizukaufen". Die jetzige Vereinbarung erinnere an die Methoden der Schutzgeldzahlungen, wie sie in anderen Bereichen der Welt üblich sei.
Eva Bulling-Schröter (PDS) nannte die Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen ein "Geschenk des Kanzlers zum Burgfest der Atomindustrie". Schließlich sollte mindestens noch einmal so viel Atomstrom und -müll hergestellt werden, wie bisher insgesamt in Deutschland hergestellt wurde. Sie kritisierte, dass Transporte mit hochradioaktiven Abfällen noch in diesem Jahr wieder zugelassen werden sollten.
Das Wichtigste am Atomkompromiss ist aus der Sicht von Michael Müller (SPD), dass es sich um eine Richtungsentscheidung zugunsten von Zukunftstechnologien handelt. Es gehe um eine "Hinwendung zu einer Energiepolitik", bei der mit möglichst wenig Energie auszukommen sei, anstatt an verschwenderischen und ineffizienten Strukturen festzuhalten. Auch Österreich sei bereits aus der Atomenergie ausgestiegen. Dänemark und Italien hätten per Parlamentsbeschluss den Austieg und die Schweiz ein Moratorium beschlossen. In den USA hätten Bundesstaaten den Ausstieg von Entscheidungen der Bevölkerung abhängig gemacht.