DEBATTE ZUM ZEHNTEN JAHRESTAG DER WIRTSCHAFTS-, WÄHRUNGS- UND SOZIALUNION "Zu einem radikalen Neuanfang hat es keine Alternative gegeben"(nl) Die Wiedervereinigung hat die ostdeutsche Bevölkerung vor einem wirtschaftlichen und sozialen Absturz bewahrt. Diese Auffassung vertrat Sabine Kaspereit (SPD) am 30. Juni in der Debatte anlässlich des zehnten Jahrestages der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR im Plenum des Bundestages. Sprecher aller Fraktionen erinnerten an die Einführung der D-Mark in der DDR am 1. Juli 1990. Kaspereit bezeichnete die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion als zentrales Ereignis im Vereinigungsprozess. Für nicht wenige Ostdeutsche sei der 1. Juli der Tag gewesen, an dem die Industrielandschaft der DDR platt gemacht worden sei und von dem an Millionen ihren Arbeitsplatz verloren hätten. Dies sei "grundfalsch", so die Abgeordnete. Die ehemals blühende ostdeutsche Industrielandschaft sei während 40 Jahren Sozialismus platt gemacht worden. Zu den entscheidenden Fehlern der Kohl-Regierung habe es gehört, die Menschen in Ost und West nicht auf die Konsequenzen eines schnellen Übergangs vorbereitet zu haben. Für Theodor Waigel (CDU/CSU) steht das Konzept der Währungsunion "historisch ohne Vorbild" da. Der ökonomische Wiederaufbau habe länger gedauert und mehr Finanzmittel als ursprünglich geplant erfordert. Die Treuhandanstalt sei später zu Unrecht zum Sündenbock gestempelt worden, sagte der Abgeordnete. Auch wenn es in Einzelfällen zu Fehlern gekommen sein möge, so habe sie doch mit über 40.000 Privatisierungen hervorragende Arbeit geleistet. Zehn Jahre danach gebe es keinen Anlass zum Lamentieren. Die größte Solidaraktion in der deutschen Geschichte "greift", unterstrich Waigel. Nach Ansicht von Oswald Metzger (Bündnis 90/Die Grünen) war der entscheidende Fehler, im Rahmen des Umrechnungskurses von 1:2 aus Buchungsschulden echte Schulden zu machen, die für viele Ost-Unternehmen zu einer drückenden Last geworden seien. Das Versprechen von blühenden Landschaften habe eine realitätsnahe Einschätzung der wirtschaftlichen Konsequenzen der Wiedervereinigung und der Kosten verhindert. Die Abwicklung der DDR-Wirtschaft durch die Treuhandanstalt gehöre nicht zum Ruhmesblatt dieser Republik. Günter Rexrodt (F.D.P.) zog eine positive Bilanz. "Ich wüsste nicht, was ernsthaft und nachhaltig einer erfolgreichen Entwicklung im Wege steht", betonte der Politiker. Rexrodt beklagte, dass im Osten eine lebendige, gewachsene, selbstbewusste Bürgerkultur fehle. Es gebe zu wenig Bürger, die willens und in der Lage seien, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, die in ihrem Gemeindewesen Kräfte mobilisierten, um etwas auf die Beine zu stellen. Dies sei viel schlimmer als die verrotteten Straßen und die grauen Häuser, und dieses zu heilen dauere 25 Jahre. Für Christa Luft (PDS) gibt es nur die Währungsunion. Die Wirtschafts- und die Sozialunion ließen auf sich warten. Zu den Hauptfehlern gehöre, dass die Weichen für eine "nahezu zwanghafte Übertragung des westdeutschen Systems" auf die neuen Länder gestellt worden seien. Im Osten gewonnene Erfahrungen und überlebensfähige Strukturen hätten keine Chance gehabt. Nun müsse den überwiegend hoch qualifizierten Ostdeutschen eine Chance gegeben werden, sich in das einbringen zu können, was "wir im vereinten Land noch gemeinsam gestalten müssen". |