interview
Serie: Junge Journalisten fragen junge Abgeordnete
"Dann denke ich nee, nun erst recht"
Katja Bigalke: Sie sind das jüngste Mitglied der F.D.P.-Fraktion im Bundestag – Geburtsjahr 1965: Ist das jung für die F.D.P.?
Birgit Homburger: Die F.D.P. hat bei der letzten Bundestagswahl verloren, so dass junge Leute, die bei uns durchaus auf aussichtsreichen Positionen standen, dann doch nicht reingekommen sind. That's life. Aber ich hoffe und gehe davon aus, dass ich nicht noch einmal eine weitere Legislaturperiode die Jüngste der Fraktion sein muss.
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Birgit Homburger (links) im Gespräch mit Katja Bigalke (27). |
Fühlen Sie sich den anderen jungen Abgeordneten verbunden?
Ja, weil ich viel Verständnis hab', dass Dinge auch anders gemacht werden können. Nein, weil ich in meiner 3. Legislaturperiode Dinge doch anders sehe, als jemand der ganz frisch drangeht. Ich bin 1990 in den Bundestag gewählt worden. Natürlich habe ich da Dinge anders gemacht als heute. Als jetzt die Runde gemacht wurde mit den jüngsten Abgeordneten, hätte ich bei jedem dritten Satz sagen können, warte's mal ab, du wirst schon sehen, dass das nicht so geht.
Verlieren Sie nach zehn Jahren Bundestag manchmal die Hoffnung, etwas bewegen zu können?
Nein. Es gibt natürlich Momente, wo man denkt, ich habe keine Lust mehr. Auf der anderen Seite habe ich immer auch den Antrieb, dass wenn ich das Feld anderen überlasse, dann sind da Leute, die wollen etwas anderes als ich, dann denke ich nee, nun erst recht. Man hat ja auch im Leben immer mal wieder schwierige Phasen. Und das ist in der Politik genauso, wenn man dann aufgibt, dann ist man halt weg vom Fenster.
Werden Sie als junge Abgeordnete angesprochen oder über Ihre Themen?
Ich wurde in meiner ersten Legislaturperiode sehr oft als junge Abgeordnete angesprochen. Das hat sich auf Themen verlagert. Und dafür bin ich auch sehr dankbar. Denn Jungsein allein ist ja nichts. Mein Gott, was ist denn jung, das kann jeder sein.
Was ist denn jung sein?
Ich würde sagen eine Interessengemeinschaft. Man geht doch in dieselbe Zukunft. Zum Beispiel: Bei der Entwicklung der Rentenversicherung müssen sich junge Leute darum kümmern, dieses Rentensystem dauerhaft tragbar zu machen.
Muss man heute in der Politik ein Medienstar sein, um junge Leute anzusprechen?
Das ist leider ein bisschen die Tendenz. Was ich nicht unbedingt gut finde. Wenn man mit den Leuten vor Ort spricht, im direkten Kontakt, kann man sie durchaus für Politik begeistern. Aber damit erreichen Sie natürlich viel zu wenig Leute.
Möllemann bei Big Brother, ist das die Veranstaltungsform, die sich die F.D.P. für junge Leute ausgedacht hat?
Hier ist nicht die Frage für mich, ob das richtig ist oder falsch, sondern ob das effektiv ist oder nicht. Und es ist ohne Zweifel effektiv.
Sind junge Menschen weniger politisch, eher konsumorientiert?
Als ich noch in der Schule war – das war die Zeit um den NATO-Doppelbeschluss, da war die Friedensdiskussion, da war die Atomkraftdiskussion. Da war richtig Zoff in der Bude. Ein paar Jahre später hat sich das anders entwickelt, da waren solche Diskussionen nicht mehr da. Da hat man sich eher gelangweilt. Dass man bestimmte Konsumartikel haben muss – ich glaube, das ist erst so Mitte/Ende der Achtziger richtig losgegangen, wo es dann eben die Markenhose sein musste oder das Handy.
Welches war das Lieblingsspielzeug Ihrer Kindheit?
Meine Stofftiere.
Was wollten Sie früher gerne werden?
Kriminalkommissarin. Das hat mich fasziniert, diese ganze Polizeiarbeit. Das hätte ich auch ganz gerne gemacht. Aber dafür war ich zu klein.
Was sagt die Politikerin heute zu diesem Traum?
Ich würde heute alles wieder so entscheiden, wie ich es getan habe. Wenngleich manche Entscheidung bei mir sehr spontan gefallen ist, auch 1990 die Entscheidung, für den Deutschen Bundestag zu kandidieren.
Was war ihr größter politischer Erfolg?
Im Bundestag das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Dies war mein erstes großes Projekt und eines der wichtigsten, die ich gemacht habe. Aber auch andere umweltpolitische Gesetze.
Sind Sie mit dem Thema Umwelt bei der F.D.P. nicht in der falschen Partei?
Wir sind bei den Zielen oft nicht so unterschiedlicher Meinung zwischen den Parteien. Die Frage ist, wie erreicht man das Ziel. Und da sind wir auf einem konsequent marktwirtschaftlichen Weg – im Gegensatz zu den anderen.
Trennen Sie Ihren Müll?
Ja. Aber nicht im Deutschen Bundestag. Wir trennen hier zwar den Restmüll und das Papier... Aber zu Hause trenne ich ordentlich und fein säuberlich.
Fahren Sie Auto?
Ja, ohne Auto komm' ich in meiner Situation nicht klar.
Ist die Politik Ihr Beruf oder Ihre Leidenschaft?
Ich würde sagen, ein Beruf. Meine Leidenschaft ist das nicht. Es gehört schon Leidenschaft dazu. Aber nicht in dem Sinne, dass ich mir das immer vorgestellt habe und das immer machen will, sondern Leidenschaft in der Sache, im Sinne von Max Weber.
Was haben Sie aufgegeben für die Politik?
Viel. Freiheit. Mein Bundestagsmandat macht mir Spaß. Das ist ein total abwechslungsreicher Job. Auf der anderen Seite tun Sie sich wahnsinnig schwer mit der Familie, dem Freundeskreis. Wenn es ernsthafte Schwierigkeiten geben würde im privaten Bereich, würde ich die Politik jederzeit aufgeben. Das ist es nicht wert. Man braucht einen Rückhalt.
Was stört Sie am politischen Betrieb?
Wie zum Beispiel das Plenum organisiert wird. Dass da der kleinste Antrag diskutiert wird. Das dauert wahnsinnig lange. Spätestens ab nachts um zwölf sind die Leute entnervt und geben zu Protokoll. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der ganzen Angelegenheit. Anstatt interessante Sachen zusammenzufassen, die dann im Plenum diskutiert werden... Wenn wirklich wichtige Entscheidungen getroffen werden, ist das Plenum nämlich auch voll.
Die F.D.P. – "Partei der Besserverdienenden" – ist das was für junge Menschen?
Das ist ein weit verbreitetes falsches Urteil. Wenn man sich die Struktur in unseren Kreisverbänden anschaut, dann findet man da eine Menge Leute, die in dieses Schema gar nicht reinpassen. Es sind bei der F.D.P. die, die selber Initiative ergreifen wollen. Das hat nichts mit Geld zu tun. Das hat was mit Lebensgefühl zu tun.
Berlin ist politisch nicht gerade bekannt für seine liberale Tradition. Wie fühlt sich eine F.D.P.-Abgeordnete in dieser Stadt?
So' ne gewisse Distanz zu Berlin ist schon da, zumal ich mich als Badenerin oder Alemannin fühle. Also, als Stadt finde ich sie eigentlich toll. Ich muss sagen, sie hat sehr gewonnen seit der Wiedervereinigung. Sie ist auf dem Weg zu einer Weltstadt.
Was machen Sie in Berlin, wenn Sie nicht Politik machen?
Das gibt es nicht.
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Katja Bigalke |
Katja Bigalke wurde am 4.12.72 in Aachen geboren. Von 1993 bis 1999 studierte sie Politikwissenschaften an der Freien Universität Berlin und dem Institut d'Études Politiques in Paris. Im Rahmen ihrer Praktika bei der Deutschen Welle, dem ORB und dem ZDF sammelte sie erste journalistische Erfahrungen. Seit April 2000 gehört Katja Bigalke zur 15. Lehrredaktion der Berliner Journalistenschule.
Birgit Homburger, am 11. April 1965 in Singen/Hohentwiel geboren, ist seit 1990 Mitglied des Bundestages. Die diplomierte Verwaltungswissenschaftlerin trat 1982 der F.D.P. bei und war u.a. von September 1990 bis Februar 1993 erste Bundesvorsitzende des gesamtdeutschen Verbandes der Jungen Liberalen. Als Bundestagsabgeordnete ist sie im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit tätig und seit 1994 auch Umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
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Birgit Homburger |