menschen im bundestag
Die Bündelung vieler Einzelteile
Matthias Graf von Kielmansegg arbeitet in der Planungsgruppe der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages. Seine Stärke ist das Spiel nach vorn.
"Da kommt er", sagt die Fotografin und nickt über meinen Kopf hinweg in Richtung Glastür. Ich drehe mich um und erkläre: "Nein, das kann er nicht sein. Viel zu jung. Der Mann am Telefon hatte so eine tiefe Stimme. Klang irgendwie ein bisschen älter. Und außerdem handelt es sich hier um einen Grafen. Grafen sind doch nicht so jung."
|
Durch ein großes Fenster hat Graf von Kielmansegg einen Blick auf den futuristisch gestalteten Eingangsbereich der Britischen Botschaft. |
"Vorurteile", schnaubt die Fotografin. "Guten Tag", sagt der Mann und kommt auf uns zu. "Tut mir leid, dass es ein paar Minuten gedauert hat. Ich war noch in einer Besprechung. Kielmansegg", sagt er und lächelt liebenswürdig.
Soviel zu Klischees.
Matthias Graf von Kielmansegg führt uns durch lange Gänge in sein Büro. Erst durch den Neubau und dann, nachdem man eine etwas unscheinbare Eisentür hinter sich gelassen hat, durch die Gänge des Altbaus, dessen Frontseite zur Wilhelmstraße zeigt und der noch vor gut zehn Jahren das Volksbildungsministerium der DDR beherbergte. Am Telefon hatte Graf von Kielmansegg beschrieben, wie man sein Büro findet. Es stand alles in meinem Kalender. Verlaufen hätten wir uns trotzdem.
So aber sind wir innerhalb kurzer Zeit im richtigen Büro – dem eines Referenten der Planungsgruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. In gewisser Weise ist auch dieses Büro, wie noch so viele Büros von Bundestagsmitarbeitern oder Abgeordneten, ein Provisorium. Nicht allzu groß, etwas zu voll gestellt, aber mit Möbeln in einem warmen Farbton, mit weißen Wänden, der in einem Schrank versteckten Einbauküche, etwas zu großen Stühlen für die Anzahl der Quadratmeter und einem großen Fenster, von dem aus man über den Innenhof auf die Britische Botschaft blicken kann.
"Reden wir davon, wie man in dieses Büro kommt und Referent der Planungsgruppe wird", schlage ich vor. "Gut", sagt Graf von Kielmansegg, steht auf, geht um den Schreibtisch und hilft der Fotografin, einen Beistelltisch zu verrücken, der das Öffnen des Fensters verhindert. "Ausblick", murmelt die Fotografin, "den muss ich fotografieren, bevor es dunkel wird." Ein kleines metallenes Flugzeug mit dem Schriftzug "South Africa" unternimmt beim Verrücken einen Startversuch vom Tisch. Flugzeug?, Südafrika?, notiere ich mir.
"Ich bin Jurist", beginnt Graf von Kielmansegg, "und somit vielleicht ein bisschen der Sonderling in der Familie, die ja traditionell eine Familie von Soldaten ist. Ich habe in Freiburg, Bonn und Göttingen studiert und bin 1993 als Referendar nach Berlin gekommen. Hier habe ich als Beamter der Berliner Landesregierung in der Senatskanzlei gearbeitet. Im Roten Rathaus. Ich war Leitungsreferent für den Chef der Senatskanzlei, dann im Europareferat der Senatskanzlei und später im Bereich ‚Flughafenprivatisierung'. Alles in allem zweieinhalb Jahre."
Hätte er, so erzählt Graf von Kielmansegg, ein Studium nur nach Leidenschaft gewählt, wäre es vielleicht Geschichte und Germanistik gewesen. Und ginge man noch weiter zurück, in die Kinderjahre, da wollte er Flugzeugbauer werden. Ist er auch, dank Lego und dank eines Onkels, der Flugzeuge konstruierte und ihm irgendwann richtige Räder für seine Lego-Flugzeuge mitbrachte. Mit ein wenig Fantasie ließe sich nun der Bogen spannen zum Thema "Flughafenprivatisierung". Das habe ihm damals, so Graf von Kielmansegg, viel Spaß gemacht, dieses Thema. "Es ist eine spannende Sache, zwischen öffentlicher und privatwirtschaftlicher Seite zu vermitteln. Man muss unendlich viel Geduld haben – die eine Seite denkt ökonomisch, die andere in den Kategorien von Verwaltungsvorschriften und staatlichen Haushalten. Viele Einzelteile und noch mehr Einzelinteressen sind zu bündeln". Das, sagt er, "ist wirklich eine Herausforderung."
|
|
|
Matthias Graf von Kielmansegg... |
|
|
|
...im Gespräch. |
Es war zugleich eine gute Vorbereitung auf das, was er heute gemeinsam mit vier anderen Kolleginnen und Kollegen in der Planungsgruppe tut. Man könnte sie den inhaltlichen Stab des Fraktionsvorsitzenden nennen, auch wenn das nur einen Teil der Arbeit beschreibt – die erste Säule, wie der Referent von Kielmansegg es nennt.
"Die zweite Säule betrifft unsere Aufgabe als Koordinatoren der Fraktionsarbeit. Wir müssen rechtzeitig wissen und erkennen, wo Konfliktfelder sind, wo sich neue Aufgaben stellen. Wenn wir gut sein wollen, sollten wir helfen, das schnell auf ein konstruktives Gleis zu bringen. Die dritte Säule betrifft die mittelfristige und langfristige Planung der Fraktion. Wo liegen Themenschwerpunkte? Ich nenne mal für die aktuelle Situation Stichworte wie Zuwanderung und Integration, neue Bürgergesellschaft, Extremismusbekämpfung. Ich bin der einzige Jurist in der Planungsgruppe, also mit zuständig für Innenpolitik, Justiz, Bildung, Kultur, Verfassungsfragen, Föderalismus."
"Sagen wir mal so", Matthias Graf von Kielmansegg lächelt, "die Planungsgruppe versucht auf der Arbeitsebene, die Züge auf das richtige Gleis zu bringen. Sie begleitet den Zug dann nicht unbedingt bis zum Bahnhof, schaut aber immer, ob er auf dem richtigen Gleis bleibt und ob der Zug gut ankommt im Bahnhof."
Mit diesem schönen Bild im Kopf entsteht im Raum eine kleine entspannte Ruhepause. Die Fotografin wechselt die Blickrichtung, Graf von Kielmansegg bietet Kaffee an. "Was ist das wirklich Spannende daran?", frage ich und ändere mit dem Zeigefinger die Position des kleinen Flugzeugs.
"Die Möglichkeit, zu denken, wie es besser sein könnte, es aufzuschreiben und andere davon zu überzeugen. Die Möglichkeit – im besten Fall – zu sehen und dabei zu sein, wenn es dann besser gemacht wird. Das fordert Geduld, und es passt zu mir. Ich bin ein Dauerläufer. Ich denke gern gründlich, schreibe gründlich auf und arbeite gern an langfristigen Projekten." Ist das seine Stärke? "Ja", sagt er, "das ist wohl meine Stärke. Die Bereitschaft, nach vorn zu spielen, die Analysefähigkeit und die Ausdauer. Irgendwann wird es mich wieder auf die Seite der Exekutive ziehen, um dort sehen zu können, ob das, was man hier gedacht hat, funktioniert."
"Und Berlin", frage ich, "ist Berlin die Stadt, in der Sie sein und so arbeiten möchten?"
"Oh, Berlin", sagt Graf von Kielmansegg, "über Berlin rede ich auch gern mit Ihnen. Ich mag diese Stadt. Sie gefällt mir. Unter ästhetischen Gesichtspunkten würde sie vielleicht nicht so gut abschneiden, mit all diesen Brüchen, die man so deutlich sieht. Aber sie ist lebendig, sie hat Geschichte, sie ist laut, sie hat Rhythmus. Gute Hochhäuser können sie hier nicht bauen, das ist wahr. Aber es gibt wunderschöne Plätze, wie den Viktoria-Luise-Platz zum Beispiel."
|
Die Zeitungsstapel im Büro... |
Und was fehlt ihm in Berlin? "Früher habe ich im Chor gesungen. Hier habe ich aber noch keine Zeit und keine Gelegenheit gefunden. Ich würde es aber gern wieder machen." "Bariton?", frage ich und werfe nach seiner Bestätigung der Fotografin einen triumphierenden Blick zu. Von wegen Vorurteile. Ein Bariton klingt am Telefon immer etwas gesetzt und älter.
"Dieser Zeitungsstapel", lenkt die Fotografin ab, "sieht gefährlich hoch aus."
"Das geht so schnell", sagt Graf von Kielmansegg, "jeden Tag eine Zeitung drauf, und innerhalb kürzester Zeit ist es ein riesiger Stapel." Wie sähe denn ein Büro nach seinen Idealvorstellungen aus, will ich wissen. "Über den Dächern. Also kein Hochhaus, sondern nur eine Etage höher als die Dächer ringsum. Keine weißen Wände, sondern eine wärmere Farbe. Pastellton und vielleicht noch ein dunkles Rot oder ein dunkles Grün dazu. Offene Türen und in einem Haus, wo die Büros nicht wie Perlen auf eine Schnur aufgereiht sind. Keine langen Flure. Lieber ein Zentrum mit Büros, die sich darum gruppieren. Das erleichtert das Arbeiten, macht es kommunikativer."
Keine Karten mehr an der Wand? "Bilder", sagt er lächelnd. "Eher Bilder."
|
...des Referenten der Planungsgruppe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. |
Was ist ihm ein besonders wichtiges Anliegen? "Eine grundlegende Reform des deutschen Föderalismus", nennt der Referent der Planungsgruppe zuerst. "Das klingt vielleicht etwas langweilig, ist es aber nicht. Eine solch anspruchsvolle Konstruktion von Staatsaufbau ist nicht langweilig. Die Verteilung von Rechten und Pflichten, wer darf und kann was machen. Und wenn alles gut gelingt, dann ist ein Kunstwerk entstanden."
Kunstwerk also. Ein nicht so häufig benutztes Synonym für Föderalismus. So, wie es Matthias Graf von Kielmansegg sagt – lächelnd, selbstsicher, mit einem kleinen schwärmerischen Unterton -, denkt man darüber gern mal nach. Das will er dann vielleicht auch so.
Der Referent der Planungsgruppe der CDU/CSU-Fraktion steht auf und stellt mit der Fotografin den Beistelltisch wieder an seinen angestammten Platz unters Fenster. "Südafrika?", frage ich noch nach einem letzten Blick in die Notizen. "Das war wohl Liebe auf den ersten Blick", sagt Graf von Kielmansegg. "Ein wunderschönes Land."
"Siehst du," sagt die Fotografin. "Ich hab dir gesagt, dass er
es ist." Ich werde mich irgendwann revanchieren können. Da bin
ich sicher.
Kathrin Gerlof
Infos
Bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten ca.315 Mitarbeiter; von diesen sind etwa ein Drittel Beamte (beurlaubt von ihren Dienststellen) und zwei Drittel Angestellte. Die Fraktionsmitarbeiter bilden das Rückgrat der Fraktion und arbeiten entweder in einer der Fraktions-Arbeitseinheiten - es gibt 20 Arbeitsgruppen, sieben soziologische Gruppen und Einheiten zu den verschiedenen Enquetekommissionen und Untersuchungsausschüssen - oder sie unterstützen den Fraktionsvorsitzenden, einen seiner acht Stellvertreter, die fünf Parlamentarischen Geschäftsführer und die zwei Justitiare. Ein weiteres Tätigkeitsfeld der Fraktionsmitarbeiter ist die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und die Planungsgruppe derCDU/CSU-Fraktion.
Informationen zur CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Internet:
www.cducsu.de
E-Mail:
fraktion@cducsu.bundestag.de