Buchtipp
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Roman Herzog, Strukturmängel der Verfassung? Stuttgart u.a. 2000, Verlag DVA, 29,80 DM. |
Macht und Leidenschaft
Parlamentarische Demokratie, das ist die strukturelle Regelung von Macht – aber Macht und Persönlichkeit sind nicht voneinander zu trennen. Krause-Burger zeigt dies exemplarisch am Beispiel des Bundeskanzlers auf. Gerhard Schröder hat sich, so Krause-Burger, mit den Anforderungen als Kanzler verändert. "Machtmensch" und "Profi der Nähe" sind bei Schröder im Laufe des Politikerlebens eine Einheit geworden. Krause-Burger beobachtet an Schröder einen inzwischen unverkrampfteren Stil, die "Begabung im Umgang mit den Medien", das "Regieren im Gespräch und durch das Gespräch". Aus dem Juso-Rebell ist ein "kompatibler Kanzler" geworden. Krause-Burger zeigt dies in den persönlichen Impressionen des politischen Alltags aus dem Zentrum der Macht, in denen auch der Mensch Gerhard Schröder hinter den "Masken" sichtbar wird.
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Sibylle Krause-Burger, Wie Gerhard Schröder regiert. Beobachtungen im Zentrum der Macht, München 2000, DVA, 32,- DM. |
Dass das politische Amt verändert, gerade dann, wenn man es prägt, zeigt sich auch bei Rita Süssmuth. Von der Professorin zur Präsidentin des Deutschen Bundestages – das ist ein Weg voller Auseinandersetzungen in der Sache und mit Andersdenkenden gewesen. Politik wurde so zur Lebensaufgabe. Süssmuth beschreibt ihren Einsatz für Reformen: die Gleichberechtigung der Frauen, eine moderne Familienpolitik, einen nicht ausgrenzenden Umgang mit sozialen Minderheiten, Öffnung verfestigter Machtstrukturen. Eine selbstbewusste und sich selbst vertrauende Bürgergesellschaft, in deren Mitte ein Parlament mit hohem Ansehen steht, war und ist ihre Leitperspektive. Das Buch trägt die Handschrift einer überzeugten Demokratin und leidenschaftlichen Kämpferin.
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Rita Süssmuth, Wer nicht kämpft hat schon verloren. Meine Erfahrungen in der Politik, München 2000, Econ-Verlag, 39,90 DM. |
Das Grundmotiv unserer Verfassung ist eine lebendige Demokratie.
Trotz ihrer Offenheit auf der Basis institutionalisierter
Machtausübung weist sie "empfindliche Strukturmängel"
auf, die in bestimmten historischen Konstellationen "nicht imstande
wären, Regierungskrisen zu verhindern". Darauf macht Roman
Herzog aufmerksam, der als ehemaliger Präsident des BVG und
Bundespräsident besonders mit der Materie vertraut ist. Er
sieht im GG Diskrepanzen in der Gewaltenteilung zwischen Parlament
und Regierung, zu geringe Anerkennung von Parteien/Fraktionen in
der Verfassung, Mängel in der Finanzverfassung,
Überschätzung des konstruktiven Misstrauensvotums,
fehlendes Selbstauflösungsrecht des Bundestages. Vor allem
fordert er eine Eindämmung der Gesetzesflut durch
Konzentration der Parlamentsarbeit auf die wichtigsten Themen statt
Ersticken in Detailarbeit, mehr Kompetenzen für die Regierung,
aber auch eine Beschneidung der Wirkung des
Bundesverfassungsgerichts. Herzogs nüchterne Kritik bietet
Stoff genug für ein erneutes Nachdenken über eine
Verfassungsreform.
Bernward Baule