AKTUELLE STUNDE
Vorgänge im Bundesinnenministerium zum NPD-Verbotsverfahren kritisiert
(in) "Alle wussten es, Herr Bundesminister, nur Sie nicht – fünf Tage nicht!" Mit diesen Worten kritisierte Erwin Marschewski (CDU/CSU) die nach seinen Worten vom Deutschen Richterbund als "Schlamperei" bezeichneten Vorgänge im Bundesinnenministerium (BMI) zum Verbotsverfahren der NPD in einer Aktuellen Stunde, die am 25. Januar auf Verlangen der PDS-Fraktion im Deutschen Bundestag stattfand.
Geschadet habe, dass das Bundesverfassungsgericht (BVG) trotz telefonischer Anfrage nicht informiert worden sei.
"Objektiv falsch" sei hingegen die Gerichtsschelte von Bundesinnenminister Schily, ihm sei "dort kein rechtliches Gehör" gewährt worden. "Erst als es eng wurde" habe Schily eingestanden, dass der Kreis der Informierten im Ministerium aus mehr als einem Beamten bestand, so unter anderem aus Staatssekretär Claus Henning Schapper.
Dennoch, so Marschewski, dürfe der Verbotsantrag nicht scheitern, "weil dies sonst den Extremisten nützt und uns Demokraten schadet".
Im Fernsehen mehr erfahren
Wolfgang Zeitlmann (CDU/CSU) legte nach, pikant sei auch, dass von Schily "nicht im Ausschuss, sondern erst aus dessen Fernsehinterview" zu erfahren gewesen sei, dass es im Bundesinnenministerium (BMI) bereits "viel früher" Informationen über den Informanten des NRW-Verfassungsschutzes gegeben habe.
Ulla Jelpke (PDS) betonte, das Problem werde nicht dadurch gelöst, dass der V-Mann Wolfgang Frenz 1995 "abgeschaltet" worden sei. Dem Bundesverfassungsgericht sei mit dem Verbotsverfahren gegen die NPD vielmehr "verschmutztes Material vorgelegt" worden.
Der innen- und außenpolitische Schaden sei enorm, das Verfahren politisch und juristisch zurückgeworfen. Manche glaubten, ein NPD-Verbot werde gar nicht mehr gefordert. Dazu fragte Petra Pau (PDS) den Innenminister, ob er weitere Aussagen von
V-Leuten im Verbotsantrag ausschließen könne und nannte dazu Tino Brandt aus Thüringen, Michael G. und Michael Meier aus Mecklenburg-Vorpommern sowie Erwin Kemna aus Nordrhein-Westfalen.
Michael Bürsch (SPD) unterstrich als Berichterstatter das "gemeinsame wichtigste Ziel", die Debatte wieder auf das Verbotsverfahren zu richten und die NPD "so schnell wie möglich zu verbieten".
Kommunikationsdefizite habe es auf beiden Seiten gegeben. Entscheidend sei nicht das Material des V-Mannes, sondern die Wesensverwandtschaft zur NSDAP in Programmatik, Strategie, Rhetorik und anderen Elementen. An der Stichhaltigkeit der Argumentation des Verbotsantrages habe sich nichts geändert.
Auch Dieter Wiefelspütz (SPD) erklärte, es dürfe angesichts der Fehler keine Debatten über einen Nebenpunkt geben. Hauptpunkt sei die verbotswürdige NPD. Wiefelspütz erklärte: "Wir haben als Verfassungsorgan gemeinsam diesen Antrag gestellt." Wenn Schaden entstanden sei, so sei es "unser Schaden". Deshalb gebe es eine gemeinsame Verantwortung.
Gemeinsame Verantwortung
Die gemeinsame Verantwortung betonte auch Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), als er sagte, auch wenn die FDP aus demokratietheoretischen Erwägungen gegen ein Verbotsverfahren gewesen sei, stehe sie mit den anderen Fraktionen doch in der gemeinsam Verantwortung, damit die NPD nachher nicht als feixender Sieger aus dieser Sache hervorgehe. Im Übrigen sei ein V-Mann eben kein "agent provocateur" des deutschen Staates, sondern ein bezahlter Informant. Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen) bekräftigte die Notwendigkeit des NPD-Verbotes, mahnte aber, damit allein seien die Probleme rechtsextremer Propaganda und Gewalt sicher nicht zu lösen.
Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) sprach die vielfältigen Facetten an, wobei "die Frage, was wusste wann der Minister", schon fast zur Nebensache geworden sei.
Zu klären seien die Fehler sowie die Folgen für das Parteiverbotsverfahren. Zu klären sei auch die Grenze nachrichtendienstlicher Infiltrierung verfassungsfeindlicher Organisationen und inakzeptabler Mitwirkung.
Insgesamt, so Schmidt-Jortzig, sei die Bekämpfung des Rechtsextremismus aber eine zu ernste Sache, um sie für politischen Aktionismus zu nutzen, auch wenn die Regierung es sichtlich an Sorgfalt habe mangeln lassen.
Verzögerungen denkbar
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bedauerte, dass Fehler seines Hauses dazu beigetragen hätten, wenn es nun zu erheblichen Verzögerungen im NPD-Verbotsverfahren kommen könne. Er wiederhole
daher seine Entschuldigung an das Bundesverfassungsgericht.
Fehler in seinem Hause werde er nicht beschönigen. Dennoch müsse es gemeinsame Überzeugung bleiben, dass die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder für ihre Arbeit auf ergiebige Informationsquellen angewiesen sind.
Schily unterstrich, das Verbotsverfahren werde nach seiner Überzeugung nicht scheitern. Die Aussagen der Informanten "sind keine tragende Wand in der Architektur der Antragsbegründung", so der Minister.