Dialog
STREITGESPRÄCH ÜBER DIE ARBEITSVERMITTLUNG
Bleibt der Staat in der Verantwortung?
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Die geschönten Vermittlungsstatistiken der Arbeitsämter haben in Öffentlichkeit und Politik den Ruf nach einer umfassenden Reform der Arbeitsvermittlung laut werden lassen. Doch wie soll eine solche Reform aussehen? Soll es künftig neben der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit verstärkt eine private Arbeitsvermittlung geben? Darüber führte Blickpunkt Bundestag ein Streitgespräch mit dem Arbeitsmarktexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Dirk Niebel, und der sozialpolitischen Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion, Pia Maier.
Blickpunkt Bundestag: Herr Niebel, ist das staatliche Vermittlungsmonopol nun endgültig gescheitert?
Dirk Niebel: Dieses Monopol besteht ja schon seit 1994 nicht mehr, weil die alte Bundesregierung es aufgehoben hat. Allerdings wird die Möglichkeit der privaten Vermittlung viel zu gering genutzt, weil ihre Zulassung durch den Mitbewerber Bundesanstalt für Arbeit erfolgt und die Zulassungskriterien sehr restriktiv sind. Notwendig ist aber, dass alle Personengruppen auch von privaten Vermittlern betreut werden können.
Blickpunkt: Wie steht die PDS dazu, Frau Maier? Darf sich der Staat aus seiner Verantwortung für die Arbeitsvermittlung verabschieden?
Pia Maier: Nein, das darf er nicht. Der Weg, die Privatvermittlung noch weiter zu stärken, ist der falsche Weg. Denn er funktioniert einfach nicht. Arbeitsvermittlung ist nun einmal kein marktfähiges Geschäft.
Niebel: Falsch.
Maier: Wieso?
Niebel: Falsch, weil die Qualität der Vermittlung bei den Privaten höher ist als bei der in ein enges Vorschriften-korsett gezwängten staatlichen Arbeitsvermittlung. Ein staatlicher Vermittler betreut im Durchschnitt 500 Arbeitssuchende, seine Vermittlung ist bewerberorientiert; der private Vermittler macht es stellenorientiert. Er hat in der Regel eine Stelle, für die er die passende Arbeitskraft sucht. Das erhöht natürlich die Qualität der Vermittlung.
Blickpunkt: Besteht bei privaten Vermittlern die Gefahr, dass sie sich nur die leichten und lukrativen Fälle aussuchen, die Problemfälle – wie etwa Langzeitarbeitslose – aber der staatlichen Arbeitsvermittlung überlassen?
Niebel: Diese Gefahr wird immer ins Feld geführt, aber sie besteht nach meiner Meinung nicht. Es gibt jetzt schon private Vermittler, die sehr gezielt langzeitarbeitslose Sozialhilfeempfänger vermitteln und das recht erfolgreich. Mit wirtschaftlichem Nutzen für die Firma und der Eingliederung für die Menschen. Und, nicht zu vergessen, mit Kostenersparnis für die öffentliche Hand. Es geht darum, wie man das organisiert. Die FDP ist für ein Gutscheinsystem, bei dem der Arbeitssuchende als Anspruch auf Beratung und Vermittlung einen Gutschein erhält, mit einer Basisvergütung für die Grundberatung und mit einem Erfolgshonorar nach der Vermittlung. Dieses Honorar muss nach Schwierigkeitsgrad im Preis variieren. Dadurch wird es auch für Private attraktiv, sich um schwierige Fälle zu kümmern.
Blickpunkt: Wer zahlt die Vergütung?
Niebel: Derjenige, der den Auftrag erteilt hat. In diesem Fall wird sie aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung bezahlt. Persönlich bin ich allerdings der Meinung, der Abbau der Arbeitslosigkeit ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die aus Steuermitteln zu finanzieren ist.
Maier: Ich sehe das anders. Die privaten Vermittler achten natürlich in erster Linie auf ihren Gewinn, das ist doch klar. Und Gewinn bekommt man durch Abwerbung von Fachkräften und Vermittlung von Fachkräften auf offene Stellen. Das ist derzeit das Hauptgeschäft der privaten Arbeitsvermittler. Langzeitarbeitslose sind da wenig gefragt. Arbeitslosigkeit zu bekämpfen ist nun einmal eine staatliche Aufgabe, die ja nicht nur die Seite hat zu vermitteln, sondern auch, sich um Beschäftigungsorientierung zu kümmern. Das kann nur im Gesamtverbund eines Arbeitsamtes funktionieren.
Niebel: Einspruch. Das meiste ist eine Frage der Organisation. Unser Ziel ist, zu Job-Centern zu kommen, also zu Dienstleistungszentren, wo staatliche und private Vermittler gemeinsam, aber auch in Konkurrenz zueinander, zusammen mit Personal-Leasing-Firmen, Bildungsträgern und Therapieangeboten ein Dienstleistungsangebot aus einer Hand anbieten. Das Ziel ist, wer dort arbeitslos hineingeht, sollte nicht ohne ein Arbeitsplatz- oder Qualifizierungsangebot oder einen Therapieplatz wieder herausgehen.
Blickpunkt: Klingt das nicht gut, Frau Maier? Kann sich damit auch die PDS anfreunden?
Maier: Klingen ja, aber in Bezug auf die Realität habe ich doch Zweifel. Ich glaube einfach nicht an die Selbstlosigkeit der privaten Anbieter. Die Arbeitsvermittlung ist nun einmal die klassische Aufgabe der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, die sicherlich verbesserungsfähig ist, im Kern aber beim Staat belassen bleiben sollte. Dies gilt ganz besonders in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit, die wir ja wohl noch eine Weile haben werden. Da hilft individuelle Vermittlung wenig, sondern nur öffentlich geförderte Beschäftigung.
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Im Gespräch: Pia Maier ...
Niebel: Hier wird unser völlig unterschiedlicher Grundansatz gut sichtbar. Arbeitskräftevermittlung ist insbesondere in einer älter werdenden Gesellschaft durchaus ein marktfähiges Gut. Was Sie vorschlagen, ist verhaftet im alten Denken: staatliche Aufgaben, Monopol einer großen Behörde, ordnungspolitische Rahmenbedingungen. Das ist am Markt vorbei gedacht. Die Menschen, die Arbeit suchen, wollen den Vermittler ihres Vertrauens in Anspruch nehmen. Diese Möglichkeit muss man ihnen geben. Die Menschen, die Arbeitskräfte suchen, wollen eine schnelle, möglichst passgenaue Dienstleistung haben. Beides ist in dem staatlichen Bedingungsgefüge, das wir haben, nicht möglich.
Blickpunkt: Hat das bisherige Interessengeflecht aus öffentlicher Hand, Arbeitgebern und Gewerkschaften an der Spitze der Nürnberger Bundesanstalt mit ihren fast 90.000 Beschäftigten und einem "Umsatz" von fast 50 Milliarden Euro Reformen verhindert?
Maier: Das Problem der bisherigen Selbstverwaltung der Nürnberger Mega-Behörde ist, dass dort keine Betroffenen beteiligt sind. Die Arbeitslosen haben eine ganz andere Sicht auf die Verwaltung einer solchen Behörde, die ihnen ja Arbeitsplätze verschaffen soll. Von da her gibt es erhebliche Strukturmängel. Aber diese durch eine reine Managementreform ersetzen zu wollen, geht an dem Grundprinzip unseres Sozialstaates und seiner Selbstverwaltungsorgane vorbei.
Niebel: Meine Antwort ist ganz klar: Wirkliche Strukturreformen werden durch das Konglomerat der Besitzstandwahrer in der Selbstverwaltung verhindert. Deshalb ist es richtig, dass dies jetzt aufgebrochen wird. Die Selbstverwaltung sollte aber ganz abgeschafft werden.
Blickpunkt: Der Vermittlungsskandal hat zu einer Vertrauenskrise geführt. Könnten jetzt auch Zweifel an der Wirksamkeit des Job-Aqtiv-Gesetzes und Riesters Vermittlungsoffensive entstehen?
Niebel: Eindeutig ja. Wenn in Wahrheit nur rund 20 Prozent der Arbeitslosen von den Arbeitsämtern vermittelt wurden, wird ein ganz anderes Maß an Effizienz als bisher zu Grunde gelegt – auch im Übrigen dafür, wohin und wie viele Finanzmittel fließen. Deswegen muss nicht nur die Frage gestellt werden, wie zukunftsfähig die Bundesanstalt in ihrer bisherigen Form ist, sondern auch, inwieweit die Arbeitsmarktpolitik und ihre Instrumente noch zeitgemäß sind.
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... und Dirk Niebel.
Maier: An die große Wirksamkeit des Job-Aqtiv-Gesetzes glaube auch ich nicht. Wenn die Regierung jetzt von grundlegenden Reformen spricht, kann ich nur sagen: Dafür wäre schon über drei Jahre Zeit gewesen.
Blickpunkt: Sollte der Vermittlungsskandal als große Zäsur für eine gänzlich andere Arbeitsmarktpolitik genutzt werden?
Niebel: Ja, er ist eine historische Chance. Aber ich fürchte, dass der Mut fehlt, sie zu nutzen. Weil man sich nicht von viel zu vielen lieb gewonnenen Traditionen, Besitzständen und alten Zöpfen trennen mag.
Maier: Auch ich bin skeptisch. Weil die Hauptstoßrichtung wieder einmal nur um Verbesserungen bei der Vermittlung geht, das Problem aber bei der Arbeitsplatzschaffung liegt. Die wird aber als Aufgabe nicht anerkannt.