Ablauf einer Parlamentswoche
Der 80-Stunden-Job
Abgeordneter im Bundestag – ein Traumjob? Ohne Chef und nur dem Gewissen verantwortlich? Dienstag, Mittwoch, Donnerstag im Parlament in Berlin, ansonsten im lockeren Gespräch mit dem Bürger? So, wie sich hartnäckig das Bild vom Champagnerglas schwenkenden Diplomaten hält, wird auch die Tätigkeit des Bundestagsabgeordneten gern schön- gezeichnet. Dabei ist der Abgeordnetenberuf in der Realität längst zum Knochenjob geworden. Zumindest in den Sitzungswochen des Parlaments. Unter 80 Stunden in der Woche läuft es bei kaum einem Volksvertreter. Termine, Termine, Termine, heißt es dann in Berlin. Feierabend ist meist erst am späten Abend. Blickpunkt Bundestag zeichnet eine typische Sitzungswoche nach.
Montag
Weil der Terminkalender des Parlaments längst aus allen Nähten platzt, gehört der ursprünglich "freie" Montag für viele Abgeordnete längst zum Berliner Arbeitstag. Das bedeutet, dass sie meist schon am Sonntagnachmittag Abschied nehmen müssen von Familie und Wahlkreis, um den Zug oder das Flugzeug in die Hauptstadt zu erwischen. Am nächsten Morgen warten dann schon erste Gremiensitzungen: Anhörungen von Ausschüssen, Diskussionen in Enquete-Kommissionen, Vorbesprechungen von Fraktionsarbeitskreisen. Am Montagnachmittag tagen die Vorstände der Fraktionen. Hier werden wichtige Weichen gestellt für die Plenarwoche, werden mögliche Konflikte analysiert und die eigenen strategischen Linien abgestimmt. Danach müssen im Büro mit den Mitarbeitern das Wochenprogramm erörtert, Arbeitsaufträge verteilt und Post und Drucksachen durchgesehen werden. Für den Abend stehen oft lang verabredete Treffen mit Kollegen, Lobbyisten oder Journalisten auf dem Programm.
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Montag: öffentliche Sitzung des Rechtsausschusses.
Dienstag
Im Arbeitsrhythmus des Parlaments gehört der Dienstag zum ersten "Großkampftag". Denn an diesem Tag tagen nicht nur viele Fraktionsarbeitsgruppen und Ausschüsse, in denen die eigentliche Gesetzesarbeit geleistet wird, sondern auch – am Nachmittag – die Fraktionen. Die Vollversammlung der jeweiligen Fraktion ist ein "Muss" für jeden Abgeordneten. Denn sie ist eine große Informations- und Stimmungsbörse. Hier wird über Inhalt und Taktik der eigenen Politik diskutiert, über die Stimmungslage in den Wahlkreisen referiert, über parlamentarische Vorhaben und Initiativen befunden und über Rednerlisten entschieden. Zuvor haben meistens die Landesgruppen getagt, in denen sich die Abgeordneten nach Parteizugehörigkeit und Landsmannschaft zusammengeschlossen haben, um im Parlament eine gemeinsame "Heimat" zu haben und mit möglichst viel politischem Gewicht die Interessen ihres Bundeslandes zu vertreten. Noch früher – zumeist zu "Arbeitsfrühstücken" – haben sich die Spitzen der Mehrheitsfraktionen getroffen, um mit Regierungsvertretern Taktik und Verfahren der Woche abzustimmen.
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Dienstag: Enquete-Kommission.
Mittwoch
Ein langer, mühevoller Tag. Der Tag der Ausschüsse, der Fachpolitiker, der Details komplizierter Politik. Fast rund um die Uhr tagen die über 20 Ausschüsse des Bundestages. Beginn morgens um 8.30 Uhr, spät abends brennt immer noch Licht im Paul-Löbe-Haus, wo sich die Sitzungssäle der Ausschüsse befinden. Die Arbeit an den Gesetzen ist aufwendig, da die Materie oft komplex und schwierig ist. Wer sich nicht auf andere verlassen will, muss sich selbst sachkundig machen. Das kostet Zeit und bedeutet Mühe. Einige Abgeordnete, besonders der kleineren Parteien, sind Mitglieder in mehreren Ausschüssen. Da wird die Terminnot noch größer. Zumal am frühen Nachmittag auch noch das Plenum des Bundestages zusammentritt. Erst zur Befragung der Bundesregierung, anschließend zur Fragestunde. Beide Tagesordnungspunkte stellen wichtige Kontrollrechte vor allem der Opposition dar. Hinzu kommen Aktuelle Stunden. Meist ist auch nach den Ausschuss- und Plenarsitzungen nicht Schluss. Im Terminkalender der Abgeordneten sind Vorträge, Gespräche, Diskussionsrunden notiert.
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Mittwoch: Fragestunde.
Donnerstag
Der zweite "Großkampftag" der Abgeordneten. Diesmal steht nicht die Fraktion, sondern das Plenum des Bundestages im Mittelpunkt. Meist mit einer ellenlangen Tagesordnung, die nicht selten eine Sitzungszeit von morgens neun Uhr bis in den späten Abend, bisweilen sogar bis nach Mitternacht bedingt. Das Themenspektrum ist gewaltig. Von der Außenpolitik bis zum wohnungspolitischen Strukturwandel in den neuen Ländern, von der Geschäftsordnungsdebatte bis zum Finanzausgleichsgesetz. Nicht jeder Abgeordnete kann zu jeder Einzelfrage kompetent sein. Das Parlament funktioniert in dieser Hinsicht wie die gesamte Gesellschaft: arbeitsteilig. Deshalb sind auch nicht immer alle Abgeordneten im Plenarsaal, zumal einige Ausschüsse noch parallel zum Plenum tagen. Aber in ihren Büros verfolgen sie per Parlamentsfernsehen die Debatten, sind schnell zur Stelle, wenn es brenzlig wird oder die Klingeln zur Abstimmung schrillen.
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Donnerstag: vor der Plenardebatte.
Freitag
Schlussgalopp im Bundestag. In den Garderoben des Reichstagsgebäudes stapeln sich die Handkoffer der Abgeordneten für die Heimreise. Bevor es aber so weit ist, zeigt die Uhr häufig 15 Uhr. Sitzungen von offiziellen und informellen Fraktionskreisen, aber auch das Plenum, das wegen der Dichte der Themen der Tagesordnung häufig hinterherhinkt – bisweilen werden auch Zusatzpunkte aufgesetzt -, fordern ihren Tribut. Bis die Abgeordneten wieder zu Hause sind, ist es Abend.
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Freitag: namentliche Abstimmung.
Wochenende
Endlich durchatmen? Daraus wird meist nichts. Längst sind die Terminkalender wieder prall gefüllt. Im Wahlkreis warten die Orts- und Kreisverbände zu Diskussionsveranstaltungen auf "ihren" Abgeordneten. Auch auf Feuerwehrbällen, Einweihungen, Skat-Turnieren ist er gerne gesehen. Am besten mit einer launigen Rede und einer kleinen Spende. Auch in seinem Wahlkreisbüro muss der Abgeordnete vorbeischauen. Für die Familie bleibt ein halber Sonntag. Ein Traumjob?