Experten sprechen sich für die Stärkung der betrieblichen Berufsbildung aus
Berlin: (hib/BES) Das duale System der Berufsausbildung in Deutschland hat sich in seiner Grundstruktur bewährt und sollte erhalten bleiben. Es muss jedoch den Herausforderungen der Zeit angepasst werden, um dem von vielen Experten mittelfristig befürchteten Fachkräftemangel entgegenzuwirken - so die Meinung von Sachverständigen, die in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Montagnachmittag über die Zukunft der beruflichen Ausbildung diskutierten. Grundlage der Beratungen waren Gesetzentwürfe der Bundesregierung ( 15/3980, Bundesrats-Drucksache 587/04), des Bundesrates ( 15/4112) der CDU/CSU-Fraktion ( 15/2821), der FDP-Fraktion ( 15/3325) sowie der Berufsbildungsbericht 2004 der Bundesregierung ( 15/3299). Gegenstand des Meinungsaustausches war unter anderem die Praxis der beruflichen Bildung sowie deren Organisation, aber auch die Stärkung der regionalen Verantwortung. Dabei sprachen sich die Experten in ihrer Mehrheit für die Stärkung der betrieblichen gegenüber der schulischen Berufsausbildung aus und begrüßten grundsätzlich die Absicht, das geltende Berufsbildungsgesetz zu novellieren. Auf breite Zustimmung stieß dabei die geplante Internationalisierung der betrieblichen Berufsausbildung, wonach Teile der Lehre künftig auch im Ausland absolviert werden können.
Für Professor Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts für Arbeit und Technik in Gelsenkirchen, ist die Frage der "Durchlässigkeit nach oben" von zentraler Bedeutung. Das deutsche Berufsbildungssystem biete den Absolventen der dualen Berufsbildung zwar bis jetzt viele Möglichkeiten des Aufstiegs in Führungstätigkeiten. Dies sei auch eine seiner Stärken im internationalen Vergleich. Allerdings bringe die "Expansion der Akademisierung" Gefahren mit sich. So könne die mangelnde Durchlässigkeit des Systems dazu führen, dass die besten Jugendlichen für das duale System verloren gingen. Zunehmend wichtiger werde auch die Qualitätssicherung in der Berufsausbildung. Dem schloss sich unter anderem Klaus Heimann von der IG Metall an, zuständig für Jugend-, Bildungs- und Qualifizierungspolitik. Allerdings finde man dazu im Gesetzentwurf gar nichts, kritisierte er.
Unterschiedliche Meinungen vertraten die Sachverständigen in der Frage der von der Opposition vorgeschlagenen Flexibilisierung der Ausbildungsvergütung als Anreiz zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze. Strikt dagegen war Ingrid Sehrbrock vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Es sei die Frage der Tarifpartner vor Ort. Wenn die Arbeitgeber niedrigere Vergütungen durchsetzen wollen, müssten sie dies in den entsprechenden Verhandlungsrunden tun. Im Übrigen sei kein Zusammenhang zwischen einer niedrigeren Ausbildungsvergütung und der Entstehung neuer Ausbildungsplätze bekannt. Für flexiblere Ausbildungsvergütungen sprachen sich hingegen unter anderem der Zentralverband des Deutschen Handwerks, die Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber aus.
Als positiv bewertete die IG Metall in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung die beabsichtige internationale Öffnung des dualen Systems, die Modernisierung des Prüfungsrechts und der Prüfungsmethoden und die neuen Einstiegswege für benachteiligte Jugendliche. Dennoch kritisierte sie den Regierungsentwurf als "ein insgesamt enttäuschendes und unzureichendes Reformkonzept mit wenig Mut zu umfassender Erneuerung der Ausbildung in den Betrieben". Das Vorhaben sei keine Antwort auf die strukturellen Probleme der Berufsausbildung, dafür aber "ein Ausstiegskonzept", das anstatt betrieblicher Ausbildung mehr Verschulung fördere. Auch aus der Sicht der Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand verfehle der vorliegende Gesetzentwurf "in weiten Teilen" den Ansatz einer Modernisierung der dualen Ausbildung. Er zeichne sich durch Verschulung, Zerstückelung von Ausbildungsgängen und Überbürokratisierung aus.