Einsatz für den Frieden
Die Kosovo-Krise und die SFOR-Mission in Bosnien
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Der Balkan bleibt explosiv. Während der Friedensprozeß in Bosnien unter dem Schutz der SFOR-Friedenstruppe voranschreitet, wachsen in der jugoslawischen Provinz Kosovo die Spannungen zwischen Albanern und Serben. Der Bundestag hat der Verlängerung der SFOR-Mission in Bosnien mit großer Mehrheit zugestimmt (siehe Debattenbericht S. 17), aber schon beschäftigt eine mögliche Intervention im Kosovo die Außenpolitiker von Koalition und Opposition.
Die Kosovo-Krise gleicht fatal den Ursprüngen des Krieges
in Bosnien. Auch im Kosovo stemmt sich die Regierung der
Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) gegen den
weiteren Zerfall des Staates, indem sie die Autonomiebestrebungen
der nichtserbischen Bevölkerung gewaltsam unterdrückt.
Das stärkt auf der Gegenseite die radikalen Kräfte der
"Befreiungsarmee Kosova" (UCK), die sich nicht mit der Autonomie
begnügen wollen, sondern die völlige Loslösung von
Jugoslawien fordern.
Wegen der Angriffe serbischer Sicherheitskräfte und
Gegenschlägen der UCK steigt die Spannung im Kosovo zusehends.
Plünderungen, Vertreibungen, Morde - das Szenario erinnert an
fast schon wieder verdrängte Bilder aus Bosnien. Tausende
demonstrieren in der Kosovo-Hauptstadt Pristina, die Rufe nach
einem Eingreifen des Nordatlantikpaktes (NATO) wollen nicht
verstummen, und Strom der Flüchtlinge steigt weiter an. Die
Krise auf dem Kosovo steht daher bei den Vereinten Nationen und der
NATO, aber auch bei den außen- und verteidigungspolitischen
Gremien des Bundestages ganz oben auf der Tagesordnung.
Aber es gibt auch Hoffnung auf dem Balkan: Der Friedensprozeß
in Bosnien kommt voran. Zu verdanken ist das vor allem der
internationalen SFOR-Streitmacht (Stabilisation-Force), deren
Mandat der Bundestag gerade verlängert hat.
Neues Mandat
Frieden schaffen, auch mit Waffen - so könnte man den
Auftrag der SFOR-Truppe umschreiben. Im Bundestag legt man
großen Wert auf die Feststellung, daß es sich um ein
"neues" Mandat für die "Stabilisierungstruppe" - so die
Übersetzung der NATO-Abkürzung SFOR - handelt. Aber klar
ist doch, daß es sich um die Fortsetzung des vor eineinhalb
Jahren begonnenen Einsatzes zur Umsetzung des Friedensabkommens von
Dayton handelt. Denn nicht ohne Grund wird die Bezeichnung SFOR
beibehalten, auch der Auftrag bleibt derselbe. Die insgesamt 30.000
Mann starke internationale Streitmacht soll wie bisher in erster
Linie das Wiederaufflammen von Feindseligkeiten zwischen den
Volksgruppen verhindern, indem Übergriffe unterbunden und die
Konfliktparteien auseinandergehalten werden. Hinzu kommt die
Überwachung der Abrüstung, die Sicherung der
Bewegungsfreiheit in ganz Bosnien und die Unterstützung des
zivilen Wiederaufbaus.
Die Bundeswehr stellt dazu wie bisher rund 3.000 Soldaten aller
Waffengattungen, die dieselben Aufgaben erfüllen wie ihre
Kameraden aus anderen Nationen. Wie das jetzt abgelaufene Mandat
ist auch der neue Auftrag befristet: Bis zum 21. Juni 1999 sollen
die Friedenssoldaten in Bosnien bleiben, das legt das gerade
erneuerte Mandat des UN-Sicherheitsrates fest.
Kontrolle durch das Parlament
Doch im Parlament ist allen Beteiligten klar, daß die
SFOR-Soldaten so lange vor Ort bleiben, wie der Friedensprozeß
gefährdet ist. Wenn die Friedensmission trotzdem immer wieder
befristet wird, dann aus einem, vor allem im Bundestag mit
Argusaugen beobachteten Grund: Einen Automatismus soll es für
Militäreinsätze nicht geben, die Kontrolle des Parlaments
muß gewahrt bleiben. Und dazu gehört die
Möglichkeit, den Einsatz zu einem festgelegten
Überprüfungstermin zu beenden. Auch deshalb soll der
Einsatz alle sechs Monate, zum ersten Mal schon nach den
Bundestagswahlen im September, überprüft werden, mit dem
Ziel, bei einer Stabilisierung der Lage die Truppenzahl zu
reduzieren. Deshalb auch hat Bundesverteidigungsminister Volker
Rühe ausdrücklich zugesagt, den Verteidigungs- und den
Auswärtigen Ausschuß des Bundestages regelmäßig
über den Stand der Operation zu unterrichten.
Dabei hat SFOR schon beachtliche Fortschritte erzielt. Die
Streitkräfte der früheren Konfliktparteien sind getrennt
und kaserniert, schwere Waffen in Sammellagern zusammengezogen und
die Abrüstung vorangebracht. Gleichzeitig scheint der
Wiederaufbau von Infrastruktur und demo- kratischen Institutionen
auf gutem Wege. Warum also die SFOR-Verlängerung? Ganz
einfach: Die Fortschritte gibt es nur unter den wachsamen Augen der
Friedenstruppe, deren Abzug könnte das Erreichte wieder
zunichte machen. Verteidigungsminister Rühe: "Es konnte bisher
keine selbsttragende Stabilität erreicht werden, die es
erlaubt, auf eine militärische Absicherung zu verzichten."
Beides - die schon deutlich sichtbaren Erfolge und die immer noch
drohende Gefahr - ist denn auch der Grund, warum es im Parlament
weitgehende fraktionsübergreifende Zustimmung zum SFOR-Mandat
gab.
Die Erfahrungen mit SFOR haben dazu beigetragen, daß sich im
Bundestag ein weitgehender Konsens über internationale
Friedensmissionen entwickelt hat. Noch beim Einsatz in Somalia und
bei der Unterstützung der UN-Blauhelm-Truppe in Bosnien vor
drei Jahren war die Beteiligung der Bundeswehr äußerst
umstritten. Doch inzwischen erkennen alle Fraktionen an, daß
die NATO - mit der deutschen Beteiligung - in Bosnien hilfreich
gewirkt hat.
Dabei mag mitspielen, daß die Truppe neben ihren
militärischen Aufgaben auch zivile Aufbauhilfe leistet. So
schützen die Soldaten nicht nur private Hilfsorganisationen,
sondern packen auch selbst mit an, etwa beim Bau von Brücken,
Ausbessern von Straßen und ähnlichem. Diese Fortschritte
beim Wiederaufbau Bosniens spürt man auch in Deutschland
selbst. Von 320.000 Bosnienflüchtlingen konnten 130.000 schon
in halbwegs sichere Verhältnisse in ihrer Heimat
zurückkehren.
Vorbildfunktion
Auch für die NATO und die deutsche Außenpolitik ist die SFOR-Mission von weitreichender Bedeutung: Die Zusammenarbeit von NATO-Mitgliedern mit Staaten, die dem Bündnis nicht angehören, gilt in Bonn und Brüssel als Vorbild für eine umfassende Kooperation zur Sicherung des Friedens in Europa. Besondere Bedeutung kommt der Einbeziehung Rußlands zu, das in der Bosnien-Kontaktgruppe wie in der SFOR-Truppe gleichberechtigt dabei ist. In Moskau ist nämlich die Furcht vor einer Isolation durch die NATO - genährt durch die Osterweiterung des Bündnisses - verbreitet, so daß die praktische Zusammenarbeit in Bosnien die Entstehung eines neuen Ost-West-Konflikts verhindern helfen kann.
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Tausende Kosovo-Albaner fordern immer wieder ein Eingreifen der NATO. | ||||||||||
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Einsatz in Bosnien: Deutsche SFOR-Streitkräfte auf Patrouille | ||||||||||