Panorama
Heikle Erkundungstour in den Norden Koreas
Erstmals konnte eine Delegation von Bundestagsabgeordneten das lange Jahre abgeschlossene Nordkorea besuchen. Sie erreichte Erstaunliches: Auf ihre Vermittlung hin kommt es möglicherweise zu einem innerkoreanischen Parlamentariertreffen auf deutschem Boden.
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Die deutschen Parlamentarier mit dem Staatsoberhaupt von Nordkorea, Kim Yong Nam.
Die deutschen Abgeordneten waren schockiert. Kaum fassbar war, was sie im Kreiskrankenhaus von Pyoksong zu sehen bekamen. Schon der kurze Rundgang im düsteren Erdgeschoss mit zerbrochenen Scheiben der verfallenen Klinik, 200 Kilometer südlich der Hauptstadt machte das ganze Elend sichtbar. Einziges Inventar im Operationssaal war ein uralter Krankentisch. Im ganzen Haus kein Strom, kein Wasser, kaum Instrumente und Medikamente. Auf einer den Abgeordneten übergebenen Wunschliste standen ganz einfache Dinge wie Pflaster oder Katheter. Ganz dringend gebraucht werde aber ein Generator. Der Strom funktioniert in der ganzen Provinz nur ausnahmsweise, im Winter oft nur eine Stunde am Tag. Dann herrschen zudem noch Temperaturen von minus 20 Grad in den Krankenzimmern, weil wegen Kohlemangel nicht geheizt wird. So wie in Pyoksong sehe es in den meisten Krankenstationen des Landes aus, nicht selten sogar noch schlimmer, berichteten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
Die Parlamentarier wollen nun versuchen, Spenden von deutschen Firmen zu erhalten. In Pjöngjang bot sich der Parlamentariergruppe ein etwas anderes Bild. Im Zentrum mit den monumentalen Parteihallen, dem 150 Meter hohen Turm der "Ewigen Flamme" und dem überdimensionierten Triumphbogen war zumindest ein politischer Frühlingshauch spürbar. In den Straßen der Hauptstadt des Staates, der bis vor kurzem noch alle privaten Aktivitäten verboten hatte, waren an fast jeder Ecke Eiswagen oder Getränkestände aufgebaut. Auch der private Autoverkehr auf den sechsspurigen Boulevards, auf denen vor wenigen Monaten fast nur Staatslimousinen freie Bahn hatten, ist sichtbar gewachsen. Seitdem das von Hungersnöten, Dürrekatastrophen und einem katastrophalen Niedergang der Wirtschaft geplagte Nordkorea ausländische Hilfe ins Land gelassen hat, sei zumindest ein Hauch von Veränderung spürbar – "langsam, aber unwiderruflich", berichteten westliche Diplomaten den Gästen aus Berlin.
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Zentrum von Pjöngjang.
Auf ihrer heiklen Erkundungstour hatte die Gruppe sich vorgenommen, selbst einen konkreten Beitrag für eine weitere Öffnung in Gang zu bringen. Bei den offiziellen Treffen drangen die deutschen Abgeordneten darauf, die Arbeitsbedingungen und die Bewegungsfreiheit für die Hilfsorganisationen zu verbessern. Auch über die Aufnahme eines Dialogs über Menschenrechte wurde gesprochen. Und nach intensiven Gesprächen mit der Spitze des Parlaments in Pjöngjang kam sogar die grundsätzliche Zusage, sich erstmals mit Abgeordneten aus Südkorea treffen zu wollen – und zwar auf deutschem Boden.
Mit dieser überraschenden Offerte im Gepäck flogen die Abgeordneten nach Seoul weiter, nachdem sie sich vor ihrem Nordkoreabesuch in Peking über Chinas Einschätzung der Koreafrage informiert hatten. In Seoul wurde der Vorschlag mit offenen Armen aufgenommen. Der Präsident der südkoreanischen Nationalversammlung, Lee Man-sup, regte beim Treffen sofort an, diese Kontakte auf die Ebene der Parlamentspräsidenten, Fraktionsvorsitzenden und Fachausschüsse unter voller deutscher Beteiligung auszudehnen. Durch solche vertrauensbildende Schritte unter Einschaltung des Bundestages könnten auch Rückschläge im innerkoreanischen Annäherungsprozess leichter überwunden werden.