Aufgaben für ein Organisationstalent
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Die Bundestagsmitarbeiterin Birgit Franke auf einem Sofa. |
Birgit Franke arbeitet im Fraktionsbüro der SPD. Wer hier die Ruhe und den Überblick bewahrt, sagt sie, für den seien Probleme nur noch Aufgaben, die man lösen kann.
Eintausendfünfhundert rote Rosen zu besorgen, zu einem günstigen Preis und zum richtigen Termin, ist keine Hürde für Birgit Franke. Wenn der Wunsch besteht, wird er erfüllt. Am Tag der offenen Tür in den Häusern des Bundestages regnete es dann zwar nicht, wie Hildegard Knef es sich einst wünschte, rote Rosen, aber die Gäste der SPD-Fraktion bekamen je eine der 1.500 netten Gesten für ihren Besuch.
Ein Fraktionsbüro ist in gewisser Weise das Herzstück einer Fraktion. Hier werden Wünsche erfüllt und Anforderungen erledigt. Hier wird Arbeit abgenommen und dafür gesorgt, dass die Abläufe nicht ins Stocken geraten. Das liegt unter anderem in den Händen von Birgit Franke.
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Lesebrille
der Bundestagsmitarbeiterin Birgit Franke. |
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Birgit Franke könnte man als das Herzstück vom Herzstück ansehen. Sie ist erst seit zwei Jahren dabei, aber was sagt das schon. Wichtiger ist, dass sie ein Organisationstalent ist und ihren Beruf liebt. Schon immer, sagt die 51-Jährige. Sie ist ein herzlicher Typ und ein bisschen zapplig. Aber das liegt vielleicht daran, dass sie eine Arbeit beschreiben soll, die ihr ganz alltäglich erscheint. Da fasst sie Organisationsabläufe in einem Satz zusammen, und wenn man dann nachfragt, stellt sich heraus, dass hinter dem Satz viele Sätze stehen. Die Sache mit den Räumen und dem Essen beispielsweise.
„Wir besorgen Räume und ordern die Konferenztechnik, wir kümmern uns um das Catering und kontrollieren die Abrechnungen“, sagt Birgit Franke – und ist erst einmal fertig mit diesem Arbeitsbereich. In einer Sitzungswoche müssen rund 30 Räume für 30 verschiedene Veranstaltungen besorgt werden – Fraktionsvorstand, Arbeitsgruppen, Gesprächsrunden, Klausuren. Die Räume dürfen nicht zu groß und nicht zu klein sein, es müssen Absprachen mit dem Tagungsbüro des Bundestages, der Kommunikationstechnik und dem Sicherheitsdienst getroffen und das Catering bestellt werden. Und wenn man weiß, dass in einer Arbeitsgruppe der Abgeordnete sitzt, der am liebsten Earl-Grey-Tee trinkt, dann ordert man das sicherheitshalber noch mal extra. Kein Tag ist wie der andere.
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Birgit Franke. | ||||||||||
Reisen Mitarbeiter oder Abgeordnete der Fraktion als Delegierte zu einem Parteitag, kümmert sich das Fraktionsbüro um die Hotelbuchungen. Feiert jemand aus der Fraktion einen runden Geburtstag, gibt es Blumen. Im Fraktionsbüro wird die Adressdatenbank gepflegt, in der nicht nur alle Mitarbeiter und Abgeordnete verzeichnet sind, sondern auch die einstigen Mitstreiter. Zu Beginn einer Legislaturperiode ist das immer eine gewaltige Hauruckaktion, schließlich müssen alle Neuen möglichst schnell erfasst und die Informationen an die verschiedensten Referate des Bundestages weitergeleitet werden. Im Fraktionsbüro bekommt man die heiß begehrten Besucherkarten für die Tribüne im Plenarsaal. 24 Stück pro Stunde stehen der SPD-Fraktion zu. Wünsche und Buchungen gibt es teilweise bis zum Jahresende im Voraus. Und oft kommt jemand in allerletzter Sekunde, um zu fragen, ob er jetzt doch noch und ganz schnell mal zwei Besucherkarten für ganz liebe oder ganz wichtige Gäste bekommen kann. „Wo ein Wille ist, findet sich fast immer auch ein Weg“, sagt Birgit Franke. „Wir lösen solche Probleme oft auch mit anderen Fraktionen. Da wird nicht in Opposition und Regierung unterteilt, schließlich hat jedes Fraktionsbüro immer mal wieder die gleichen Probleme.“ Und um bei den Besuchern und Gästen zu bleiben: Im Fraktionsbüro landen auch die meisten Gesprächswünsche an, wenn Verbände, Vereine oder Institutionen mit Abgeordneten reden wollen. Je nach Thema werden dann die Gesprächspartner gesucht und die Räume gebucht.
All diese Arbeit sorgt für reibungslose Abläufe in der Fraktion, der 251 Abgeordnete angehören. Nun ist aber ein Fraktionsbüro zugleich auch zuständig für den ersten Eindruck. Wer bei der SPD-Fraktion anruft und nicht direkt mit dem Büro eines Abgeordneten verbunden werden möchte, wird zum Beispiel zu Birgit Franke durchgestellt. Wer per E-Mail oder Fax etwas an die Fraktion übermitteln möchte – sei es ein Gesprächswunsch, eine Beschwerde, eine Bitte, ein Statement – landet im Fraktionsbüro. Wenn Birgit Franke und ihre Kollegen morgens zur Arbeit kommen, sind zwischen 70 und 100 E-Mails zu lesen und dazu ein kleiner Berg Faxe. Dann wird entschieden, was wohin weitergeleitet wird und was sofort beantwortet werden kann.
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Das ist aber nur ein Teil der Arbeit nach außen. Fraktionsbüros sind immer auch Bürgertelefone. Tagtäglich rufen Menschen an, die etwas loswerden wollen oder eine ganz konkrete Frage oder Bitte haben. Sie wollen wissen, was mit der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ist, haben Fragen zur Gesundheitsreform, zur Zuwanderungspolitik oder reden über Präsenz und Umgangston im Plenarsaal. Es gibt welche, die melden sich regelmäßig und es kommt vor, dass Birgit Franke zu ihrem Kollegen sagt: „Ist dir aufgefallen, dass der Herr ... schon lange nicht mehr angerufen hat? Ob er wohl krank ist?“ Und dann meldet sich Herr ... nach vier Wochen doch wieder und war nur im Urlaub. So läuft das. Manchmal. „Das Leben kommt ständig zu uns ins Büro“, sagt Birgit Franke. „Und es gibt Zeiten, da lässt es einen dann nicht los. Als der Krieg im Irak begann, haben hier häufig ältere Menschen angerufen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. Die waren voller Angst, haben sich Sorgen gemacht. Da kann man nur zuhören und reden und beruhigen.“
Für Birgit Franke ist das alles keine Routine. Ihre professionelle Art lässt Zugewandtheit nicht vermissen. Auch dann nicht, wenn jemand den dringenden Wunsch verspürt, seine ganze Familiengeschichte zu erzählen. Und was hat sie im Laufe ihres Lebens schon für Geschichten gehört und selbst erlebt.
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Poster im Büro von Birgit Franke. | ||||||||||
Schließlich arbeitet sie schon seit dreizehn Jahren für Parlamente. Angefangen hat es 1990, als sie sich bei der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR als Sekretärin bewarb. Da wurde sie bei der Parlamentarischen Geschäftsführung der SDP-Fraktion angestellt. Eine aufregende Zeit sei das gewesen. Ständig habe es Veränderungen gegeben, sogar das Gehalt war zu Beginn fast jeden Monat ein anderes. Birgit Franke gehörte zu denen, die im Oktober 1990 in der Volkskammer das Licht mit ausgemacht haben, während sich in Bonn der erste gesamtdeutsche Bundestag konstituierte. Sie blieb im Berliner Büro der SPD-Bundestagsfraktion, das dem Bereich von Wolfgang Thierse zugeordnet wurde, und freute sich, als der Bundestag den Umzugsbeschluss fasste. Bald würde der Bundestag in die Hauptstadt kommen. Bonn war für die Mutter zweier Kinder weit weg, andererseits hing ihr Herz an dieser Arbeit. In der 14. Legislaturperiode arbeitete Birgit Franke im Büro einer SPD-Abgeordneten, dafür ging sie dann doch für einige Zeit nach Bonn.
Und wieder war es eine Arbeit, die die Berlinerin geliebt hat. „Ich habe jede Arbeit geliebt, die ich bis jetzt gemacht habe. Ich organisiere gern und ich kümmere mich gern darum, dass andere gut arbeiten können – den Rücken frei haben sozusagen.“ Ihr großes Herz führt nur an einer Stelle zum Konflikt. Wenn der Ehemann im Urlaub einen wirklich großen Fisch an der Angel hat, dann darf er ihn vermessen und bewundern und muss ihn danach wieder in die Freiheit entlassen. Da kennt Birgit Franke kein Pardon: „Ein Fisch, der so groß geworden ist, kommt mir nicht in die Pfanne. Würde auch gar nicht reinpassen.“ Vielleicht liegt es daran, dass sie selbst im Sternzeichen Fische geboren ist. Wahrscheinlicher aber ist, dass es an Birgit Frankes Charakter liegt. Glück für die Fische. Für die Kollegen sowieso.
Text: Kathrin Gerlof/Fotos: studio kohlmeier