Nicolas Sarkozy sagt, Frankreich melde sich zurück in Europa. Was bedeutet das für Europa?
Das ist eine Chance und ein Risiko. Es ist gut, dass nach Jahren der Passivität unter Chirac ein Gründerland der Europäischen Einigung sich für ein starkes Europa in einer globalisierten Welt einsetzt. Das kann man nur begrüßen. Einige Äußerungen von Sarkozy lassen allerdings auch die Sorge aufkommen, dass es ein Europa nach französischem Vorbild werden soll. Diese Zeiten sind vorbei. Wir haben jetzt eine EU mit 27 Staaten. Da kann Frankreich eine wichtige Rolle spielen. Nach der Musik aus Paris tanzen wird es nicht.
Was sagt eine solche Warnung denn über die Person des neu gewählten französischen Präsidenten aus?
Er ist sehr ehrgeizig, aber auch sehr egozentrisch. Nehmen Sie seine Äußerungen zur Türkei: So kann man im Wahlkampf reden, aber nicht als Präsident eines Mitgliedslands der Europäischen Union. Frankreich hat seit über vierzig Jahren alle Beschlüsse zur Annäherung der Türkei an Europa mitgetragen. Da kann es jetzt nicht auf der Zielgeraden plötzlich den Rückwärtsgang einlegen. Wenn der neue Präsident da nicht über seinen Schatten springt, provoziert er Krisen, wenn nicht sogar eine Spaltung der EU.
Ein wiedererstarktes Frankreich würde immerhin den deutsch-französischen Motor wieder ankurbeln...
Der deutsch-französische Motor war erlahmt. Wenn da frische Ideen einfließen, wäre das positiv. Allerdings hat Angela Merkel nun einen Mitbewerber um die Führungsrolle in der EU. Das ist kein Mann, der gern teilt. Ich hoffe, dass er ein Modernisierer ist - nach innen wie nach außen und erkennt, dass er Partner braucht. Er muss ein französischer Europäer sein, nicht nur ein europäischer Franzose.
Sarkozy hat zwar angekündigt, was er für eine Verfassung will, aber was wird das für den Text bedeuten?
Was er sagt, ist vage und nebulös. Seine Formel heißt: Ein vereinfachter Europa-Vertrag. Das kann alles und nichts bedeuten. Von seinen Beratern, die ja auch Europaabgeordnete sind, hört man, dass ein Großteil der Neuerungen aus dem Verfassungsvertrag auch von Frankreich befürwortet werden. Da muss die deutsche Präsidentschaft noch mehr fordern. Der Grundsatz muss lauten: Was in Rom unterschrieben wurde, gilt zunächst.
Was bedeutet Sarkozy für das soziale Europa?
Seine Rede nach der Wahl war ein Aufschrei gegen die Globalisierung. Da liegt ein Potenzial, um eine Politik für das europäische Sozialmodell zu machen. Die Sorge ist nur, dass der Protektionismus übertrieben wird. Auch seine Attacken auf die Europäische Zentralbank waren hoffentlich nur Wahlkampfmusik. Man hofft, dass er europäische Lösungen sucht, nicht nur französische.