Der Bundestagspräsident* bestimmt Zeit und Ort
Die Bundesversammlung tritt alle fünf Jahre zusammen, es sei denn, die Amtszeit des Staatsoberhaupts endet vorzeitig – durch Tod, freiwilligen oder erzwungenen Rücktritt. Wann und wo die Bundesversammlung zusammentritt, bestimmt der Präsident des Deutschen Bundestages. Verfassung und politische Wirklichkeit lassen ihm aber keinen allzu großen Spielraum. Das Grundgesetz bestimmt, dass die Bundesversammlung spätestens 30 Tage vor dem Ende der Amtszeit des Bundespräsidenten zusammentreten muss(Artikel 54 GG). Bisher wurden stets Tagungs-termine festgesetzt, die zwei bis sechs Wochen vor dieser äußersten Frist lagen.
Seit sich Bundestagspräsident Karl Carstens in der Vorbereitung der 7. Bundesversammlung 1979 für den »Verfassungstag«, den 23. Mai, entschied – am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet –, ist auch von seinen Nachfolgern an diesem besonderen Tag für die folgenden Bundesversammlungen 1984, 1989, 1994 und 1999 festgehalten worden, so dass sich von der Begründung einer Tradition sprechen lässt. Infolgedessen fand die 11. Bundesversammlung am 50. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes statt. Denkbar ist jedoch ein Fall, der zu einer Durchbrechung dieser Tradition zwingen könnte: Bei einer vorzeitigen Erledigung der Amtszeit eines Bundespräsidenten muss die Bundesversammlung spätestens 30 Tage nach diesem Zeitpunkt zusammentreten (Artikel 54, Absatz 4 GG). Der Bundestagspräsident trifft die Entscheidung über den Wahltermin üblicherweise nach Gesprächen mit den Fraktionsvorsitzenden und im Einvernehmen mit den Mitgliedern des Präsidiums des Bundestages.
Über den Versammlungsort gibt es keinerlei gesetzliche Vorschriften. Der erste Bundespräsident wurde 1949 in Bonn gewählt. Die nächsten vier Bundesversammlungen traten in Berlin zusammen (1954, 1959, 1964, 1969). Seit 1959 protestierten die Sowjetunion und die DDR dagegen und griffen schließlich zu Drohungen und dem Mittel der Behinderung des Reiseverkehrs nach Berlin. Bis zur Herstellung der Einheit Deutschlands war die Bundesversammlung von 1969 dann die vorläufig letzte, die in Berlin stattfinden konnte: Für die Vorteile des Viermächteabkommens über Berlin zahlte der Westen 1971 auch mit dem Verzicht auf Berlin als Stätte der Präsidentenwahl. Deshalb wurden die Bundesversammlungen seit 1974 nach Bonn einberufen.
Mit dem Einigungsvertrag von 1990 und dem Beschluss des Bundestages vom 20. Juni 1991 ist nunmehr Berlin Hauptstadt und Sitz von Parlament und Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Schon aus diesem Grund lag es nahe, die Bundesversammlung wieder nach Berlin einzuberufen. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth berief deshalb die 10. Bundesversammlung zum 23. Mai 1994 nach Berlin ein. Tagungsstätte war der Berliner Sitz des Bundestages, das Gebäude des ehemaligen Reichstages. Nach dessen Umbau fand dort auch die 11. Bundesversammlung (1999) statt. Ebenso wird dort die 12. Bundesversammlung (2004) abgehalten werden.
Nicht nur die Bestimmung von Zeit und Ort, sondern auch die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Bundesversammlung fallen weitgehend in den Zuständigkeitsbereich des Bundestagspräsidenten. Dazu gehören zum Beispiel die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel und die organisatorischen Vorbereitungen wie Bereitstellung der Sitzungsunterlagen für die Mitglieder, Druck der Stimmkarten, Aufstellung eines Sitzplans, Verzeichnis der Mitglieder, gegebenenfalls Anmietung von Sitzungsräumen für die Fraktionen und vieles andere, was einen reibungs- und störungsfreien Ablauf der Tagung gewährleistet. Da die Bundesversammlung keine eigene Tagungsstätte besitzt und wegen der großen Zahl ihrer Mitglieder in Bonn nicht im Plenarsaal des Bundestages tagen konnte, fanden die Tagungen der Bundesversammlung in der Zeit von 1974 bis 1989 im Großen Saal der Bonner Beethovenhalle statt.
* Grundgesetz und Gesetzestexte gebrauchen für die Bezeichnung von Staatsämtern die männliche Form, ohne sich damit auf das tatsächliche Geschlecht des Amtsinhabers beziehen zu wollen.