zur Besichtigung
Parastou Forouhar im Deutschen Dom
Parastou Forouhar wurde 1962 in Teheran, Iran, geboren. Nach dem
Kunststudium an der Universität Teheran entzog sie sich Zensur
und Konformitätsdruck und setzte ab 1991 ihr Studium in
Deutschland fort. Im Jahre 1998 wurden ihre Eltern – beide
prominente Oppositionspolitiker – in Teheran ermordet. Die
Drahtzieher des Mordes wurden bis heute nicht vor Gericht gestellt.
Zur Aufklärung des Mordes unternahm sie mehrere, gefahrvolle
Reisen in den Iran. Sie kämpft für die Demokratisierung
des Iran und insbesondere für die Gleichberechtigung der
Frau.
Parastou Forouhar setzt als Konzept-Künstlerin alle Medien
von der Zeichnung über die Fotografie bis zu
computeranimierten Bildsequenzen ein, um ihr Hauptthema zu
veranschaulichen: das Spannungsverhältnis in einer
Gesellschaft, insbesondere in der islamischen, zwischen dem
Bedürfnis des Individuums nach Selbstbestimmung und seinem
Zwang zur Anpassung, zwischen Religion und Staat, Tradition,
Moderne und Aufklärung.
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Die Künstlerin hat einen Figurenzyklus aus der Ausstellung
»TausendundeinTag« im Hamburger Bahnhof weiterentwickelt.
Im Deutschen Dom projiziert sie piktogrammartig gezeichnete
Menschenfiguren auf eine Mattglasfläche in einen am Boden
stehenden Holzkasten, so als schaute man in einen Brunnen hinein
und sähe die Figuren, mehrfach symmetrisch gespiegelt, wie
Ornamente eines persischen Teppichs.
Und wie Ornamente reihen sich die Gestalten, schablonenhaft als
Umriß und gesichtslos gezeichnet, aneinander. Eine aufmerksame
Betrachtung jedoch offenbart, daß die scheinbaren Ornamente in
Wirklichkeit Folterszenen darstellen: Menschen werden mit der Last
schwerer Steine gequält, müssen gefesselt auf Säulen
stehen, werden ausgepeitscht oder hingerichtet.
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Auf Ornament und Schablonen reduziert, erweisen sich die
Gefolterten als ihrer Individualität beraubte Opfer, als
Objekte medialer Inszenierung. Oft sind ihre Augen verbunden, sie
sind fremden Blicken ausgesetzt, können aber den Betrachter
selbst nicht anblicken. Mit der »Ornamentalisierung« der
Folterverbrechen versinnbildlicht die Künstlerin einen
für sie zentralen Kritikpunkt am Gesellschaftsentwurf der
herrschenden Schichten im Iran: Der Einzelne soll sich in der
Gesellschaft wie ein Ornament in der altpersischen Miniaturmalerei
dem Ganzen unterordnen: »Die Menschen bekommen ihren Platz,
ihre Körperhaltung und ihre Farbe zugewiesen, so daß sie
durch ihre Präsenz die ornamentale Ordnung und die
allgemeingültige Aussage bestärken. Ich bin mit
großer Anstrengung dieser Rolle entkommen und weigere mich, in
einen ähnlichen Zustand zurückzufallen und mich in die
erstickende Welt der Muster zu begeben.« (Parastou
Forouhar)
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Die altpersischen Miniaturszenen hat Forouhar mit Hilfe ihrer
piktogrammartigen Zeichnungen in die Gegenwart übertragen.
Durch die Gesichtslosigkeit von Tätern und Opfern sowie die
langsamen, automatenhaften Bewegungen der computeranimierten Bilder
wird das Mechanische des Bösen, seine Zeit- und Ortlosigkeit,
mithin das sich unendlich Wiederholende solcher Verbrechen
offenbar. Die von der Künstlerin visualisierten Szenen
können nicht nur im Iran, sondern überall und jederzeit
erlebt und erlitten werden, wenn nicht Aufmerksamkeit und Wachheit
gegenüber Gewalt in jeder Form der allzu großen
Eingängigkeit des Ornamentalen, des medial Inszenierten
entgegengesetzt werden. Eindrucksvoll warnen die Figurenszenen
Parastou Forouhars vor den Gefahren eines solchen Hanges zur
Einordnung, zur Anpassung aus der Bequemlichkeit des Tradierten,
des Gewohnten, aus einer »Lust an der Unfreiheit«.
Dr. Andreas Kaernbach
Projektbetreuer "Kunst am Bau" für die Parlamentsbauten in
Berlin
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Die Ausstellung ist zu sehen bis zum 29. April
2005 im Deutschen Dom am
Gendarmenmarkt 1, 10117 Berlin-Mitte
Öffnungszeiten:
Dienstag von 10 bis 22 Uhr
Mittwoch bis Sonntag
und an den Feiertagen 10 bis 18 Uhr.