Gut, dass gerade Landtagswahlkampf ist, da ist Zusammenhalt gefragt. "Ich erwarte Geschlossenheit", rief Ministerpräsident Günther Oettinger jüngst beim Wahlparteitag in Offenburg kurz nach der Demission von Sozialminister Andreas Renner beschwörend in den Saal: "Lassen Sie uns in den nächsten Wochen zeigen, dass wir eine Mannschaft sind." Die Basis ist folgsam: Die Südwest-CDU hat den bizarr anmutenden Rücktritt des engsten politischen Mitstreiters Oettingers, der nach dem Zoff mit einem katholischen Bischof auf innenparteilichen Druck hin gehen musste, ruckzuck zum Tabu erklärt. Rasch wurde Kultusstaatssekretärin Monika Stolz zur neuen Sozialministerin ernannt. Gewiss, bei einer Parlamentsdebatte mussten sich die Union und der Regierungschef wegen seines Schlingerkurses in dieser Affäre die Häme der Opposition anhören. Doch nun herrscht Ruhe, und dies, obwohl der Eklat um den nur neun Monate amtierenden Ressortchef die Partei erschüttert.
Weil in Gestalt des Rottenburger Oberhirten Gebhard Fürst ein leibhaftiger Bischof sauer ist auf einen Minister und dies einem Teil der Union missfällt, muss der Politiker seinen Hut nehmen. Im Sommer 2005 soll Renner bei einer internen Diskussion der CDU-Fraktion mit Kirchenvertretern Fürst während eines Streits um die Schirmherrschaft des Sozialministers über eine Schwulen- und Lesben-Parade in Stuttgart angeraunzt haben: "Halten Sie sich da raus. Fangen Sie doch erst einmal damit an, Kinder zu zeugen" - Worte, die auch für Oettinger "ungehörig" sind. Zuvor hatte das demonstrative Engagement Renners für das schwäbische CSD-Spektakel an der ländlich-katholischen Parteibasis bereits einen Sturm der Entrüstung provoziert. Der seinerzeitige Konflikt um dessen Auftritt beim CSD habe "einen tieferen Graben aufgerissen, als viele geglaubt haben", meint die Abgeordnete Veronika Netzhammer.
Wieso das Aneinanderrasseln zwischen dem Bischof und dem Minister hinter verschlossenen Türen ausgerechnet jetzt publik wurde, wird wohl nie geklärt werden. Angeblich hat Fürst im Oktober im italienischen Assissi einigen Mitgliedern einer Gruppe Tübinger Journalisten von dem Vorfall erzählt, die Information kursierte dann in CDU-Kreisen bis zu Oettinger und wurde zu einer Rundfunknachricht. Es fiel jedenfalls auf, dass nach dieser Medienmeldung Renner aus dem Umfeld des konservativen Fraktionsvorsitzenden Stefan Mappus zum Rücktritt aufgefordert wurde: "Hellauf entsetzt" sei die Partei, empörte sich dessen Büroleiterin Nicole Razavi in ihrer Eigenschaft als Göppinger CDU-Kreisvorsitzende, "das geht bei uns bis ins Mark".
Unter Renners Gegnern finden sich vor allem Anhänger Teufels, die den von Oettingers Lager aus dem Amt gejagten "ewigen Erwin" verteidigt und sich im Erbfolgekrieg auf die Seite von Oettingers Konkurrentin Annette Schavan geschlagen hatten. Diese Wunde schwärt bis heute. In der Südwest-CDU tobt ein Machtkampf zwischen katholisch-ländlichen "Traditionalisten" und "Modernisierern", die der Partei ein liberaleres Image verpassen wollen. Deren Symbolfiguren sind Oettinger und Renner, wobei sich deren Liberalität im Übrigen durchaus in Grenzen hält: So setzt sich Oettinger für Schuluniformen ein, und Renner ließ zum Unmut von Datenschützern in seiner Zeit als Oberbürgermeister von Singen in der Innenstadt die Bürger einmal mehrere Monate lang mit Überwachungskameras kontrollieren. Doch schon Ganztagsschulen und Kleinkindbetreuung bereiten den Konservativen Bauchschmerzen.