Seit sieben Jahren, so erzählt ein palästinensischer Bürgermeister, versuche man von den israelischen Behörden eine Genehmigung für einen dringend benötigten Friedhof zu bekommen. Vergeblich. Ein Amtskollege hat für 150.000 Dollar Land gekauft, um eine Kläranlage zu bauen. Danach untersagte der israelische Staat die Nutzung des gekauften Landes. Vor solchen und ähnlichen Problemen stehen alle Länder, die sich im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit im palästinensischen West-Jordanland oder Gaza-Streifen engagieren. Trotzdem baut und investiert das Deutsche Vertretungsbüro in Ramallah - das älteste Büro dieser Art in den palästinensischen Gebieten - als würde hier alles für die Ewigkeit Bestand haben. Doch wurde der Flughafen Gaza, auch mit deutschem Entwicklungshilfegeld gebaut, während der Intifada nicht vom israelischen Militär zusammengeschossen? Hat man den Schaden von fast acht Millionen Euro vergessen? Könnte das den jüngsten Projekten nicht auch widerfahren?
Seit dem Wahlsieg der Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen ist die deutsche Entwick-lungshilfe zudem mit einem Fragezeichen zu versehen - zumindest ist sie an klare Bedingungen geknüpft: "Hamas muss nun einen radikalen Wandel vollziehen, auf Gewalt verzichten, das Existenzrecht Israels anerkennen und die Waffen niederlegen", forderte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Ende Januar. Und weiter: "Davon hängt es ab, ob wir als Bundesregierung unsere Leistungen für die Menschen in den palästinensischen Gebieten fortsetzen können." Eine Forderung, die Bundeskanzlerin Angela Merkel auch Palästinenserpräsident Abbas während ihres Israelbesuchs einschärfte.
Das deutsche Engagement begann 1997 und reicht von der Abwasserentsorgung über Berufsausbildung und Behördenstrukturierung bis hin zur Altstadtsanierung von Hebron, dem Bau eines Fußballstadions und von Grundschulen. Schon 900 Klassenzimmer sind entstanden. Palästina sei ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, erklärt Angelika Pradel, Leiterin der Entwicklungszusammenarbeit im deutschen Vertretungsbüro, einem Dutzend deutscher Pressevertreter, die eigens zu einem "Journalistentag" aus Tel Aviv und Jerusalem angereist sind. Nirgends in der Welt fließt, pro Kopf gerechnet, so viel deutsches Geld in Projekte der Entwicklungszusammenarbeit wie in Palästina - bisher über 500 Millionen Euro. Das deutsche Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit unterstützt dabei Gemeinden, Nichtregierungsorganisa- tionen und Flüchtlingslager auf drei Schienen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sorgt sich um die finanzielle Seite, die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) nimmt sich, wie der Name nahelegt, der Technik an und der Deutsche Entwick-lungsdienst (DED) entsendet Fachpersonal. Die Zusammenarbeit des Dreigestirns, das im "Deutschen Haus" in Ramallah-Al-Bireh unter einem Dach vereint ist, lobt Frau Pradel ausdrücklich.
In wenigen Wochen soll das Stadion fertig sein, meint Jamal Al-Lafy, der Kommittee-Leiter im Flüchtlingslager Qalandia und schaut in etwas ungläubige deutsche Journalisten-Gesichter. Diese sollten schon mal mit dem Training beginnen - für das Eröffnungsspiel zur Stadioneinweihung gegen eine Auswahl des Flüchtlingslagers. Dieser Tag wird von den 15.000 Bewohnern sehnsüchtig erwartet. Denn "die Lebensbedingungen der Bewohner sind sehr schwierig. Kinder und Jugendliche leiden unter fehlenden Freizeitangeboten", so die Auskunft der deutsch-palästinensischen Entwicklungszusammenarbeit. Das "Bauvor- haben Qalandia Fußballstadion samt Jugendzentrum", mit genau 223.380 Euro veranschlagt, soll da Abhilfe schaffen. Die Idee entstand im Flüchtlingslager-Kommittee während der Zeit der Ausgangssperren. Den Bau des Stadions, ausgelegt für 500 Zuschauer, führt die KfW zusammen mit dem Entwick-lungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) durch. Mit den Bauarbeiten konnten 1.600 Arbeitstage für die Bewohner des Flüchtlingslagers im Rahmen "des armutsorientierten Beschäftigungsprogramms" geschaffen werden.
Die bisherige und - eventuell - zukünftige deutsche Entwicklungszusammenarbeit in den palästinensischen Gebieten liest sich in Zahlen so: Für die ersten fünf Phasen des eben genannten Programmes stellt die deutsche Regierung insgesamt 58 Millionen Euro als Zuschuss zur Verfügung. Bisher konnten 300 Einzelprojekte abgeschlossen werden - insgesamt 500 werden finanziert und dabei knapp 900.000 Arbeitstage geschaffen. Bei einer Arbeitslosenrate von 27 Prozent ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber kein unerheblicher.
Die derzeitige Wirtschaftsstatistik in den palästinensischen Gebieten gestaltet sich nach Auskunft des Vertretungsbüros Ramallah so: Rund ein Viertel der palästinensischen Arbeitskräfte waren vor der Intifada in Israel und den israelischen Siedlungen der palästinensischen Gebiete beschäftigt. Die Zahl ist in den letzten Jahren massiv zurückgegangen. Und Israel beasichtigt sogar, bis 2008 alle Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser in Israel abzuschaffen.
Bedingt durch die Abriegelungen innerhalb des West-Jordanlandes sowie durch die fehlende Verbindung mit dem Gaza-Streifen ist die palästinensische Volkswirtschaft stark zersplittert und hat in den letzten fünf Jahren eine extreme Rezession durchlaufen. So ist das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt seit 1999 um 38 Prozent zurückgegangen. Nahezu die Hälfte der Palästinenser lebt unterhalb der Armutsgrenze, sprich: Ein Mensch hat weniger als zwei Dollar pro Tag zur Verfügung. Nach Auffassung der Weltbank ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für palästinensische Personen und Waren der entscheidende Faktor für den wirtschaftlichen Abstieg.
Das deutsche Engagement fördert drei Schwerpunktbereiche: "Den großen Bereich Wasser, Abwasser und Müllentsorgung, die Unterstützung der Wirtschaft und den Aufbau funktionsfähiger Institutionen", erklärt Pressesprecher Alexander Eberl vom deutschen Vertretungsbüro. Für den zuletzt genannten Schwerpunkt steht das Projekt "Förderung der kommunalen Selbstverwaltung" in den Kommunen Ramallah, Al-Bireh, Beitunia und Salfeet. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich praktische Alltagserleichterung. Viele Ansprechpartner werden durch einen ersetzt, Anträge schneller bearbeitet und Bürgerinitiativen an Entscheidungsprozessen beteiligt. Anschaulich wird die "transparente Kommunalverwaltung" am Beispiel der Bürgerbüros, so genannter "One-stop-shops" - die "erste Frucht der zweijährigen Kooperation mit der GTZ", so die einhellige Meinung. Tahseen Slimeh, der neu gewählte Bürgermeister von Salfeet dankt ausdrücklich der "deutschen Regierung und dem deutschen Volk für die enorme Hilfe". Das Wichtigste dabei sei die "moralische Zusammenarbeit".