So viel Aufregung gab es um die Hamburger SPD seit langem nicht: Die Gerüchte um eine mögliche Spitzenkandidatur ihres Ex-Bürgermeisters Henning Voscherau bei der nächsten Bürgerschaftswahl elektrisieren das politische Milieu der Elbmetropole. Noch bis vor wenigen Wochen galt das immer mal wieder aufflammende Gerede um Henning Voscherau als möglichen Herausforderer des populären Senatspräsidenten Ole von Beust (CDU) selbst in der SPD als Geisterdebatte. Zu abwegig erschien vielen Sozialdemokraten der Gedanke, den immerhin 65-jährigen Alt-Bürgermeister nahezu zehn Jahre, nachdem er freiwillig aus dem Amt schied, wieder ins Rennen um die Macht im Rathaus zu schicken - die nächste Bürgerschaftswahl ist erst 2008.
Vor allem für die neue, durchaus ambitionierte Parteispitze aus Mathias Petersen (Vorsitzender) und Michael Neumann (Fraktionschef) kamen die Munkeleien, Voscherau wolle es noch einmal wissen, äußerst unpassend, störten sie doch ihre eigenen Pläne und Profilierungschancen. Und nachdem der Notar 1997 infolge einer Wahlniederlage kurzerhand das Handtuch geworfen hatte, galt seine Ära als beendet. Er war aus der aktiven politischen Arbeit ausgeschieden - auch wenn er diesen Schritt im Nachhinein bereut haben mochte, wie es in der SPD heißt.
Petersen und Neumann hingegen haben in den vergangenen Jahren viel Engagement darauf verwendet, um die Hamburger Sozialdemokratie nach ihrer verheerenden Wahlniederlage gegen die CDU im Jahre 2004 neu für den Machtkampf zu rüsten. Das Ergebnis aber gilt als bescheiden: In Umfragen erreichten die Genossen nie mehr als 33 Prozent. Auch jetzt - zur Halbzeit der Legislatur - würden die Christdemokraten mit ihrem beliebten Bürgermeister wieder die absolute Mehrheit der Stimmen holen, prophezeien die Meinungsforscher. Der Hamburger Politikwissenschaftler Michael Thomas Greven führt diese Situation auch auf inhaltliche Schwächen der Partei zurück, die es nicht geschafft habe, "ein Zukunftsbild für die Stadt zu kreieren". Doch liege der "desolate Zustand" eben auch an dem unerfahrenen Führungspersonal der Partei, das keinerlei überregionales Profil besitze.
Aus genau diesem Umstand könnte Voscherau Potential schlagen: Sein Name ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt - und hat gerade auch bei älteren Hamburgern noch immer einen guten Klang. Voscherau steht für die erfolgreichen Zeiten der einstmals "ewigen" Hamburger Regierungspartei. Dass er 1997 nach einem Wahldebakel aus freien Stücken hingeworfen hatte, scheint gerade an der Basis bei vielen in Vergessenheit geraten zu sein.
Unangenehm für die SPD-Führung ist, dass er sich selbst bisher nicht eindeutig erklärt hat. Schließlich war vorgesehen, dass der Landesvorsitzende und Altonaer Arzt Mathias Petersen als Spitzenkandidat gegen Beust ins Rennen geht. Voscherau weigerte sich bislang, Ambitionen offen kundzutun, aber für ein klares Dementi war er ebenfalls nicht zu haben. Er wolle eben gerufen werden, lautet eine Deutung dieses Kurses in der SPD, deren Führung bislang einigermaßen ratlos auf Voscheraus auch in den Hamburger Medien immer wieder thematisierte Ambitionen reagiert hat. Laut Parteisprecher Christoph Holstein muss die Grundlage aller möglichen Varianten eines Regierungswechsels mit Voscherau sein, "dass er dem Landesvorstand sagt, dass er kandidiert".
Diskutiert wird in der Parteiführung indessen ein Szenario, wonach sich Voscherau und Petersen beide einer Mitgliederbefragung stellen. Sollte der Ex-Bürgermeister gewinnen - was keinesfalls sicher ist - träte er 2008 gegen Beust an. Im Falle eines Sieges solle Petersen dann Senator werden und schließlich bei der Bürgerschaftswahl 2012 selbst zum Zuge kommen. Sollte er aber verlieren, müsste Voscherau sich endgültig aufs politische Altenteil begeben. Weder Petersen noch Voscherau haben sich dazu bislang öffentlich geäußert.