Einige Abgeordnete spendeten dem Bundesaußenminister schon vor seiner Rede Beifall. Fast so, als wollten sie ihm für den kommenden Gipfel in Brüssel Mut machen. Und der sprach dann auch davon, dass es "keine einfachen Zeiten" für Europa seien, weil es vielerorts ein "diffuses Unbehagen gegenüber der EU" gebe. Zu den Ursachen dieser Vertrauenskrise gehöre auch die Sorge vor den negativen Folgen der Globalisierung. Steinmeier rief dazu auf, diese Stimmungen ernst zu nehmen und den Menschen wieder das Gefühl zu vermitteln, in einer Gemeinschaft zu leben. "Die EU darf nie nur Resonanzboden für den Druck der Globalisierung sein, sondern sie muss unsere europäische Antwort auf die weltpolitischen Veränderungen sein", erklärte er. Die Menschen müssten wieder den Mehrwert der Union sehen und Vertrauen in das Zukunftspotenzial der Union gewinnen.
Beim Treffen der 25 Europäischen Staats- und Regierungschefs steht die Förderung von Wachstum und Beschäftigung ganz oben auf der politschen Agenda. Neben der Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung, für die die Bundesregierung bereits 6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt hat, sollen bessere Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen geschaffen werden. Daneben wird diskutiert, wie die Beschäftigungschancen von jungen und älteren Menschen sowie von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessert werden können - Maßnahmen, mit denen die viel kritisierte Lissabon-Strategie sozialer gestaltet werden soll.
Damit Europas Sterne noch lange hell leuchten, wird ein zentrales Thema den Europäischen Rat beschäftigen: die Energiepolitik. Dabei gehe es nicht nur um Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit, sondern auch um Außen- und Sicherheitspolitik. Sowohl mit den Förderländern, als auch mit den Transit- und den Verbraucherländern müsste ein intensiver Dialog begonnen werden, so der Außenamtschef.
Für die kommende deutsche Ratspräsidentschaft im Jahr 2007 kündigte Steinmeier an, "eigene Akzente" setzen zu wollen. In diese Zeit fällt auch der 50. Jahrestag der Römischen Verträge, die als Gründungsdokument der Europäischen Union gelten. Das sei Anlass, die "unbestrittene Erfolgsgeschichte" der EU noch einmal Revue passieren zu lassen", sagte er. Bundeskanzlerin Merkel hatte zuvor bei einer Sitzung des Europaauschusses angekündigt, die Themen Forschung und Innovation zu einem der Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft machen zu wollen.
Bei der anschließenden Aussprache zur Regierungserklärung kritisierte die Opposition, dass darin der Aspekt einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik zu kurz gekommen sei. Der FDP-Abgeordnete Markus Löning schlug vor, die "EU solle sich auf die Ermöglichung von Wettbewerb konzentrieren". Es erhöhe die Akzeptanz von Europa, "wenn wir an dieser Stelle Erfolge vorweisen können", so Löning.
Monika Knoche, von der Fraktion Die Linke warnte in ihrer Rede vor einem weiteren Abbau von sozialen Standards in der Europäischen Union. "Ein freiheitliches Europa braucht soziale Sicherheit", sagte sie. Die Menschen, so Knoche, hätten schlechte Erfahrungen mit der EU gemacht.
Die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, kritisierte die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Sie sei kein Beitrag zur Ankurbelung der Konjunktur, sagte Künast. Die Menschen, so die Grünen-Politikerin weiter, interessiere eher die Frage: "Was tut die EU für mich und mein Leben?"