Regierung und Opposition bewerten Visa-Praxis unterschiedlich
Berlin: (hib/CHE) Die Visa-Politik der rot-grünen Bundesregierung hat zu keiner Zeit die Sicherheit der Bundesrepublik gefährdet. Zu diesem Ergebnis kommt der Visa-Untersuchungsausschuss in der abschließenden Bewertung seiner Arbeit. Sie ist Bestandteil des über 800 Seiten starken Berichts, den der Ausschuss nun vorgelegt hat ( 15/5975). Die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass durch die Defizite im "Verwaltungsvollzug" insbesondere an der Botschaft in Kiew auch für den Schengen-Raum insgesamt keine Gefährdung existiert habe, heißt es dort. Ebenso wird hierin der Vorwurf zurückgewiesen, zwischen 1999 und 2000 sei es zu einem massenhaften Anstieg von Kriminalität, Schwarzarbeit, Prostitution und Menschenhandel gekommen. Das sei eine "unberechtigte Skandalisierung", für die es keine Belege gebe. "Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik lässt derartige Aussagen nicht zu. Es gab auch keine Meldungen aus den Bundesländern, die auf einen signifikanten Anstieg hingedeutet hätten", so die Bewertung.
Dennoch stellt der Ausschuss fest, dass es bei der Visumvergabepraxis an der deutschen Botschaft in Kiew zu "Versäumnissen" gekommen sei. Allerdings hätten diese schon Mitte der 90er-Jahre bestanden. "Es gelang der Botschaft nicht, stets die erforderliche Prüfdichte bei der Erteilung von Visen aufrecht zu erhalten. Das ist zu bedauern." Diese Fehlentwicklungen ließen sich jedoch nicht erklären, ohne die historischen Entwicklungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 zu berücksichtigen.
Zu einem anderen Ergebnis kommen die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in ihrem Sondervotum. Die Visa-Politik der Bundesregierung sei verantwortlich für illegale Einwanderung nach Deutschland und in andere Schengen-Staaten: "Bundesaußenminister Joschka Fischer durch Tun, Bundesinnenminister durch Unterlassen und das Bundeskanzleramt durch Verdrängen." In der Konsequenz habe das zu einem massenhaften Anstieg von Schwarzarbeit, Schleusertum und Zwangsprostitution geführt. Ein alleiniger Bezug auf die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik reiche in diesem Zusammenhang nicht aus, da man von einer erheblichen Dunkelziffer in diesen Bereichen ausgehen müsse. So gehöre Zwangsprostitution zu den so genannten Kontrolldelikten, also Straftaten, die nur auffallen, wenn man gezielt nach ihnen fahndet, führt die Opposition aus. Außerdem sei durch das Prostitutionsgesetz eine gesonderte Erfassung von Prostitution durch Ermittlungsbehörden nicht möglich. "Zur Beruhigung geben die Statistiken daher keinen Anlass", stellen Union und FDP fest.
Nach Ansicht der Opposition ist die Visa-Politik der vergangenen Jahre von "grüner Ideologie" geprägt gewesen. "Es war der erklärte Wille, insbesondere der Grünen, eine neue Visa-Politik einzuleiten, um damit Weltoffenheit zu demonstrieren und ihren Anhängern andere, dem eigenen Wahlprogramm widersprechende und für viele ihrer Wähler unverständliche und zum Teil auch schmerzhafte sicherheitspolitische Entscheidungen schmackhaft zu machen", argumentieren Union und FDP.