interview
Deutsch-französische Parlamentsbeziehungen
"Nichts ersetzt den menschlichen Kontakt"
Interview mit dem französischen Parlamentspräsidenten Laurent Fabius
Der Deutsche Bundestag und das französische Parlament, die Assemblée Nationale, werden ihre Kooperation in verschiedenen Bereichen der parlamentarischen Arbeit ausbauen. Dies beschlossen die Präsidien beider Parlamente unter Vorsitz ihrer beiden Präsidenten Wolfgang Thierse und Laurent Fabius bei Beratungen in Berlin. Zukünftig sollen sich die Ausschüsse beider Parlamente gemeinsam verstärkt mit Fragen befassen, die beide Staaten betreffen, das bestehende Hospitantenprogramm soll erweitert werden. Das deutsch-französische Parlamentariertreffen, wichtiger Impulsgeber der Zusammenarbeit, soll sich intensiver mit innenpolitischen Themen, etwa der Nuklearnutzung und der Weiterentwicklungder Sozialsysteme, beschäftigen.
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Laurent Fabius |
Wie die Zusammenarbeit der deutschen Parlamentarier mit ihren französischen Kolleginnen und Kollegen verbessert werden kann, erklärt Laurent Fabius in einem Interview mit Blickpunkt Bundestag.
Blickpunkt Bundestag: Herr Präsident, Sie sind zum ersten Mal im neuen Berliner Reichstagsgebäude. Welchen Eindruck haben Sie von Berlin und dem neu gestalteten Parlamentssitz des Deutschen Bundestages?
Laurent Fabius: Vieles hat sich in Berlin verändert. Ich bin sehr beeindruckt von der Stadt und insbesondere von der Zahl der Bauten. Berlin wird in Zukunft eines der Zentren eines neuen Europas sein. Der Umbau des Reichstagsgebäudes war sicherlich eine große Herausforderung, und ich muss wirklich anerkennend sagen, dass die Neugestaltung hervorragend gelungen ist. Architektonisch gesehen bestand beim Umbau des Gebäudes sicherlich das Risiko, dass es zu monumental und mächtig wirken könnte. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Die Architektur ist transparent und sehr modern.
Sicherlich werden viele französische Parlamentarier auch bald im Reichstagsgebäude zu Gast sein. Die Beziehungen zwischen beiden Parlamenten bestehen seit langem und sind hervorragend. Wie können die deutsch-französischen Beziehungen auf parlamentarischer Ebene noch weiter entwickelt werden?
Sie werden sich weiter entwickeln, da sich auch unsere beiden Länder in einem stetigen Entwicklungsprozess befinden. Deutschland hat sich nach der Deutschen Einheit gewandelt, und auch Frankreich verändert sich. Unumstößlich ist jedoch, dass der Kontakt und die Zusammenarbeit zwischen unseren Parlamenten ein Eckpfeiler der deutsch-französischen Beziehungen ist. Um diese Zusammenarbeit weiter zu fördern, planen wir, den Austausch auf parlamentarischer Ebene zu intensivieren, denn nichts ersetzt den menschlichen Kontakt. Daher haben wir einen Austausch von Abgeordneten ins Leben gerufen. Der Austausch von Mitarbeitern zwischen unseren beiden Parlamenten hat sich bereits bewährt. Zudem sind zwei weitere Initiativen geplant. Ich habe zum einen den deutschen Bundeskanzler, Gerhard Schröder, eingeladen, eine Rede vor der französischen Nationalversammlung zu halten. Dies geschieht sehr selten und zeigt unsere besondere Verbundenheit mit unseren deutschen Nachbarn. Zum anderen ist geplant, Arbeitsgruppen aus deutschen und französischen Parlamentariern zu bestimmten Schwerpunkt- themen zu bilden, in denen sich die Abgeordneten austauschen und gemeinsame Lösungsansätze suchen können.
Ein Thema einer solchen Arbeitsgruppe könnte sicherlich das Thema "Die Rolle der Parlamente in einem vereinigten Europa" sein. Wie beurteilen Sie derzeit die Lage der nationalen Parlamente in Europa?
Die auswärtigen Beziehungen werden derzeit immer stärker durch die Exekutive dominiert. Hier müssen die Parlamente Stärke beweisen, denn das Parlament hat in diesem wie in anderen Bereichen gegenüber der Exekutive auch immer eine Kontrollfunktion. Diesbezüglich möchte ich anregen, dass es vor den G-8-Gipfeln regelmäßig Zusammenkünfte der Parlamentspräsidenten dieser Länder gibt. Es hat sich gezeigt, dass die Aufwertung der COSAG, der Konferenz der Europaausschüsse der nationalen Parlamente und des europäischen Parlaments, die Zusammenarbeit der nationalen Parlamente in Europa weiter verbessert. Je enger die nationalen Parlamente zusammenarbeiten, desto besser üben sie ihre Kontrollfunktion aus.
In Deutschland wie in Frankreich steht die Arbeit der Parlamente und der Abgeordneten dennoch immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Was kann dagegen getan werden?
Ich möchte darauf hinweisen, dass Politik generell kritisiert wird. Das wirkt sich natürlich auch auf die Betrachtungsweise der Parlamente aus. Interessant ist daran jedoch, dass - obwohl die Politik so stark kritisiert wird - die Menschen eine starke Bindung zu ihrem "eigenen" Abgeordneten haben. Diese persönliche Bindung kann helfen, Politik verständlicher zu machen. Überhaupt erscheint mir bedeutsam, dass der Informationsfluss zwischen dem, der Politik macht, und dem, für den Politik gemacht wird, weiter intensiviert wird. Je besser Politik vermittelt wird, desto weniger Vorurteile gibt es. Darüber hinaus müssen wir uns dafür einsetzen, dass der Begriff der "Politik" wieder positiv besetzt wird.