MENSCHEN IM BUNDESTAG "Die Defensive liegt mir nicht"Dr. René Alexander Lohs ist Referent der F.D.P.-Bundestagsfraktion und als solcher für das Vor- und Weiterdenken mitverantwortlich. Dr. René Alexander Lohs kann das Adlon nicht mehr sehen. Der gewohnte Blick aus seinem Bürofenster hatte sich während seiner Abwesenheit in der Sommerpause verändert. Als er zurück kam und sich an seinen Schreibtisch setzte, war das Hotel Adlon aus seinem Blickfeld verschwunden. Stattdessen stand da der Rohbau der neuen ungarischen Botschaft, an dessen Anblick sich der Referent der F.D.P.-Bundestagsfraktion erst gewöhnen muss.
Vielleicht hätte er lieber das Adlon in der Sichtachse behalten, denn Dr. Lohs ist ein Mann, dem Geschichte und Tradition viel bedeuten. Ein Mann, der manchmal sagt, er sei mehr ein Mensch des 19. denn des 21. Jahrhunderts. Sicher überlegt er sich genau, wann er das sagt. Nach und nicht vor einem langen Gespräch zum Beispiel, über ihn und seine Arbeit, wenn er hoffen kann, dass er sich mit einem solchen Bekenntnis nicht selbst zu einem altmodischen Menschen macht. "Konservativ in meiner Lebensanschauung – ja, aber nicht rückwärts gewandt." Und dies nicht nur, weil er jung ist. Gerade mal 37. Nicht nur, weil er die Ausstrahlung eines jungen und erfolgreichen Menschen hat: offene Körpersprache, gut angezogen, ein angenehmer Redner und Zuhörer, ein Mann, der auf die Frage, was er wolle, auch sagt, was er will und souverän über seine Arbeit und sein Leben redet. Er ist auch deshalb kein altmodischer Mensch, weil seine Arbeit damit zu tun hat, Dinge zu verändern und zu modernisieren, Bestehendes auf Tauglichkeit zu prüfen und Neues zu entwickeln. "Ohne eine grundsätzlich liberale Geisteshaltung wäre das nicht möglich." Die Zuständigkeiten des Referenten für Innen-, Kultur- und Medienpolitik auf einem DIN-A4-Blatt zusammengefasst lassen die Frage zu, ob es denn möglich ist, für so viel gleichzeitig zuständig oder mindestens mit zuständig zu sein: Medienpolitik, Kommunalpolitik, Kulturpolitik, Öffentliches Dienstrecht, Petitionen, Sozialrecht und Urheberrecht im Bereich künstlerischer Berufe, Untersuchungsausschussrecht. Diesen Themen widmen sich allein sechs Ausschüsse im Deutschen Bundestag. Am einfachsten lässt sich noch die Notwendigkeit dieser thematischen Spannbreite erklären. Die F.D.P. ist eine kleine Fraktion, mit dementsprechend geringerer Zahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wer hier arbeitet, muss immer auch ein kleines bisschen ein Tausendsassa sein. Und wie wird man ein kleines bisschen Tausendsassa?
René Alexander Lohs wurde als Kind eines Opernsängers und einer Heilpädagogin in Duisburg geboren. Seine Familie stammt aus Sachsen und Preußen. Es mag Zufall sein, dass er sich heute so sehr für die Pflege des preußischen Erbes einsetzt. In diesen Tagen arbeitet er beispielsweise an der Vorbereitung eines Kolloquiums über den "Umgang der Kulturpolitik mit dem preußischen Erbe". Vielleicht ist es aber auch kein Zufall. So wie es wahrscheinlich auch nicht zufällig eine große Liebe zur Oper gibt. Und da wiederum zu Wagner, einem Mann des 19. Jahrhunderts. "Manchmal zum Leidwesen meiner Verlobten", sagt er. Eine ganze Zeit lang wollte René Alexander Lohs Archäologe werden, Geschichte ausgraben also. Dass ihm so viele Dinge aus der Vergangenheit so wertvoll erscheinen, hätte da ganz sicher seine Entsprechung gefunden. Und doch begann er 1984 in Bonn Jura zu studieren. "Es ist ein Studium, bei dem man sehr viel Allgemeinbildung erwirbt und sich viele Möglichkeiten einer späteren beruflichen Laufbahn eröffnet", sagt er. "Und es hat mir Spaß gemacht." In Bonn wird er Mitglied einer studentischen Verbindung – ein Korpsstudent. Die Traditionspflege und die innerhalb dieser Verbindung entstehenden Freundschaften, die über das Studium hinaus Bestand haben, sind das, was ihn daran reizt. Nach drei Semestern in Bonn wechselt er an die Freiburger Universität. Dort lernt er die Liebe seines Lebens kennen. Er macht 1990 sein erstes Staatsexamen und beginnt in Koblenz ein Referendariat. Nach dem Ende dieser Zeit promoviert er in Freiburg zum Thema Tarifvertragsrecht. In dieser Zeit gönnt er sich die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches und belegt zusätzlich einige Semester Geschichte. "Ich wollte es unbedingt, obwohl es für mich schon ein wenig kurios war, nun plötzlich mit zehn Jahre Jüngeren zusammen im Hörsaal zu sitzen." 1994 kommt René Alexander Lohs nach Berlin, in eine Stadt, die ihm zusagt und die er gern hat, nicht nur, weil sie so preußisch ist. In Berlin ist der Winterschlaf seit fünf Jahren vorbei. Es bewegt sich unglaublich viel, Gegensätze prallen aufeinander, die Stadt verändert ihr Gesicht, kulturelle Höhenflüge und Abstürze sind an der Tagesordnung, eine Diskussion darüber, wie eine neue alte Hauptstadt zu sein hat, ist in Gang gesetzt. Von all dem kann er zu Beginn nicht allzu viel profitieren, denn seine erste Arbeitsstelle ist im Finanzamt, dem vielleicht preußischsten aller Ämter, in dem der Zeitgeist einen ganz anderen Rhythmus hat. 1996 schreibt die F.D.P.-Fraktion – noch sitzt der Bundestag in Bonn – eine Referentenstelle aus, auf die sich René Alexander Lohs bewirbt und die er bekommt. Im Januar 1997 tritt er die Stelle an – als Mitarbeiter einer Regierungsfraktion, in einem Bonner Büro mit einem richtigen Vorzimmer. "Wenn man neu in einen Körper reinkommt, wird man natürlich beäugt. Was ist das für einer, wo kommt der her, was kann der. Die Leute wollen wissen, ob man dazu passt, ob man gut ist. Für mich sind diese Situationen immer spannend. Eine Herausforderung, die ich liebe. Ich bin überhaupt kein defensiver Mensch, sondern eher aggressiv und schnell, wenn es darum geht, sich solchen Herausforderungen zu stellen."
Das sagt er, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass für ihn der Wechsel in die Arbeit einer Oppositionsfraktion nach zwei Jahren eben zuallererst eine Herausforderung ist. "Die politische Arbeit ist anders, denn man geht zum Angriff über, man muss seine Kräfte konzentrieren, um Profil zu gewinnen. Natürlich ist es schwieriger, in der Opposition zu arbeiten, weil man weiß, dass ein ganz großer Teil der Arbeit, die man tut, umsonst ist. Man konzipiert Anträge, Gesetzentwürfe und muss damit leben, dass sie nicht durchgesetzt werden können. Der Vorteil, in so kleiner Besetzung wie wir zu arbeiten, besteht darin, dass Entscheidungen schneller zustande kommen. Man kann ein gutes Spiel machen." Aber auch oder gerade in einem guten Spiel gibt es feste Regeln – die Wochen sind ausgefüllt und folgen einem Plan, der sich danach richtet, ob der Bundestag berät oder sitzungsfreie Zeit ist. In einer Sitzungswoche ist der Montag der so genannten Montagsrunde der Fraktionsreferenten zur Vorbereitung des Plenums vorbehalten. Auch der Fraktionsvorstand tagt an diesem Tag. Am Dienstag kommen am Morgen die Arbeitskreise zusammen. Nachmittags tagt die Fraktion, da liegen die inhaltlichen Prämissen aus den Arbeitskreisen vor, sind die Schwerpunkte gesetzt und können diskutiert werden. An den drei darauf folgenden Tagen berät der Bundestag. Langfristig konzeptionelle Arbeit kann in den sitzungsfreien Wochen getan werden. "Referenten sind schließlich nicht allein dazu da, Briefe zu schreiben, sondern initiativ zu werden", sagt Dr. Lohs und lässt keinen Zweifel daran, dass ihm dies auch weitaus mehr liegt. Was er von sich weiß und als eine Stärke und Schwäche zugleich kennt: "Ich bin ein sehr korrekter Mensch. Und ein konservativer Mensch. Ich will, dass alles immer ganz perfekt ist, was getan wird. Das kann natürlich sehr anstrengend sein – für andere, aber auch für mich." René Alexander Lohs will auch, dass es anstrengend ist – schließlich geht es um Denken und nicht um Dienst nach Vorschrift. Berlin ist ihm der rechte Platz zum Denken und zum Wollen. Er will beispielsweise, dass das Schloss wieder aufgebaut wird. "Es geht nicht, dass in der Mitte der Hauptstadt Pommesbuden und Kinderkarussells stehen", sagt er. "Das ist nicht angemessen." Wenn ihm etwas besonders wichtig ist, was er sagt, schlägt einer seiner Füße einen schnelleren Takt als sonst. Aber das sieht nur, wer den Blick kurz senkt. Mit den Händen schreibt der Referent derweil ruhige Gesten und er hat das Lächeln bei ernsten Angelegenheiten wohl nicht verlernt. Manchmal gibt der Computer im Büro ein kleines Geräusch von sich. "Das heißt, eine E-Mail für mich ist angekommen", erklärt René Alexander Lohs und scheint einen kurzen Moment zu überlegen, ob es der Höflichkeit abträglich wäre, schnell nachzuschauen, was ihm da geschickt wurde. Der Computer auf dem Schreibtisch und die Plakate an den
Wänden könnten vielleicht ein Wegweiser sein für
das, was der F.D.P.-Referent als die Melange seines Denkens
beschreibt: die Verbindung von 19. Jahrhundert und Gegenwart. Das
Goethebild von Andy Warhol, die "Kreidefelsen auf Rügen" von
Caspar David Friedrich, das Plakat einer Ausstellung mit Skulpturen
von Schadow und eines von einer Ausstellung über Friedrich
Wilhelm IV. Gut wäre, wenn dazu noch die Aussicht auf das
Adlon käme. Aber dieses Stück 19. Jahrhundert ist aus
seinem Blickfeld verschwunden. InfosBei der F.D.P-Bundestagsfraktion arbeiten zurzeit 74 Mitarbeiter unter Leitung der Fraktionsgeschäftsführung. Die Fraktionsmitarbeiter sind zum größten Teil in einem der fünf Arbeitskreise und in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Ein Teil der Mitarbeiter ist unmittelbar den Büros der Mitglieder des Fraktionsvorstandes und der Geschäftsführung zugeordnet, um sie bei der Wahrnehmung ihrer Funktionen zu unterstützen. Hinzu kommen technische Abteilungen wie der Bereich Informationstechnologie (IT) und der technisch-organisatorische Dienst. Mit diesem professionellen Stab wird die Fraktion in die Lage versetzt, als wichtige politische Gliederung im Deutschen Bundestag an der Willensbildung des Parlaments und der Kontrolle der Regierung teilzunehmen. Informationen zur F.D.P.-Bundestagsfraktion: Internet: www.fdp.de E-Mail: pressestelle@fdp-bundestag.de Telefon: 030-22752388 |