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Privatfirmen: Oft praktisch und preiswert
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Reinigungsfrauen. |
Outsourcing (sprich: "Autsorßing") heißt das Zauberwort der Stunde, wenn Aufgaben effizienter und preiswerter erledigt werden sollen. Mit der wörtlichen Übersetzung "Heraus-Quellen" kommt man nicht weit. Und auch viele Unternehmen haben schon böse Überraschungen erlebt, wenn sie allzu radikal "outgesourct" haben und neben den Aufgaben auch zu viel Verantwortung für einzelne Bereiche nach außen vergeben haben. Deshalb ist auch der Bundestag vorsichtig, wenn Privatfirmen staatliche Verpflichtungen erfüllen sollen. Wenn es aber darum geht, das Know-how ausgewiesener Experten ins Haus zu holen, Spitzenbelastungen fachlich versiert abzufedern oder die ökonomischen Vorteile zu nutzen, die spezialisierte Unternehmen bieten, dann machen der Bundestag und seine Verwaltung keinen Bogen um die Möglichkeit, Geld zu sparen und dabei die Leistungsfähigkeit sogar noch auszubauen. So ist vor allem seit dem Umzug nach Berlin ein Netzwerk von Privatfirmen rund um das Parlament entstanden, die allesamt bemüht sind, die Volksvertretung so effektiv wie möglich arbeiten zu lassen. Hunderte von Unternehmen leben von Aufträgen des Bundes. Und auch der Bundestag könnte ohne deren Engagement kaum noch so reibungslos funktionieren.
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Betriebstechniker. |
Es beginnt Tag für Tag schon lange, bevor der erste Abgeordnete die Lobby des Reichstagsgebäudes oder sein Büro betritt. Alles in allem strapazieren die Parlamentarier, ihre Mitarbeiter, Zuarbeiter und Gäste rund 171.000 Quadratmeter Bodenfläche. Das muss alles gereinigt werden. Gut 200 Mitarbeiter verschiedener Firmen erledigen das in aller Frühe. Nicht reibungslos, denn es soll ja alles sauber sein. Aber spurlos. Der Bundestag beschäftigt eigene Reinigungskräfte nur für die etwas heikleren Bereiche, die hinter Sicherheitsschleusen liegen. Da wo Ausschüsse geheim tagen. Da wo Akten unter besonderem Verschluss stehen, wie etwa in der Geheimschutzstelle. Also da, wo man besser kein Risiko eingeht.
Dieses Prinzip zieht sich beinahe durch alle Aufträge für Privatfirmen. Wo der Bundestag ein Großunternehmen wie viele andere ist, kommen freie Firmen zum Zuge. Wo es um hoheitliche, besonders zu gewährleistende Sicherheitsfunktionen geht, verlässt man sich lieber auf eigene Kräfte. Zum Beispiel an den Pforten. Wo Abgeordnete ein- und ausgehen, sind es Bundestagsmitarbeiter, Bundestagspolizisten, die die Zugänge im Griff haben, in Verwaltungsbereichen erledigen dies private Wach- und Schließgesellschaften.
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Besucherbetreuer. |
Damit die Politiker die Fülle an Terminen wahrnehmen können, müssen sie auch so effizient wie möglich von Ort zu Ort kommen. In Bonn stand für so genannte "Mandatsfahrten" eine bundestagseigene Fahrbereitschaft zur Verfügung. Mit dem Umzug nach Berlin testete die Parlamentsverwaltung, ob dies auch private Chauffeure mit einem privaten Fuhrpark erledigen können, wenn sie ihre Aufträge online von der Fahrdienstzentrale der Bundestagsverwaltung bekommen. Ergebnis: Sie können. Und wenn die 120 Fahrzeuge in Spitzenzeiten nicht reichen, hat das beauftragte Unternehmen seinerseits Vorkehrungen getroffen, um Taxibetriebe mit einspannen zu können. Da ist alles im Voraus genau geregelt: keine Extratouren, sondern definierte Kilometer, auch wenn es sich mal staut oder ein Umweg zu fahren ist. Der Bundestag zahlt nicht zu.
Privat-Reserven für Spitzenzeiten sind die ökonomische Antwort auf das unterschiedliche Ausmaß der Nachfrage. Es wäre unwirtschaftlich, mehr Dolmetscher, mehr Stenografen, mehr Tontechniker zu beschäftigen als gewöhnlich gebraucht werden. Aber mitunter häufen sich internationale Konferenzen und wichtige zu protokollierende Sitzungen in einem Maße, dass es die bundestagseigenen Kräfte beim besten Willen nicht schaffen können. Dann werden rechtzeitig Privatfirmen mit herangezogen. Bei Engpässen wegen Krankheitsausfällen oder großem Aufgabenanfall steht auch ein Pool zusätzlicher Schreibkräfte zur Verfügung.
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Reinigungsfrau. |
Die Anbindung der Volksvertretung an das Volk und die Verbände kommt in einigen Zahlen zum Ausdruck: Täglich bringen die Post und andere private Dienstleister rund 30.000 Sendungen ins Haus. Jährlich werden 6,5 Millionen Drucksachen im Haus verteilt, 950.000 Pressespiegel an die Abgeordneten und die Mitarbeiter ausgeliefert, Woche für Woche belichten die Kopierer 1,7 Millionen Seiten. Die bleiben nicht nur zwischen Aktendeckeln. Die werden nach Verwendung auch wieder aussortiert: Täglich fallen beim Bundestag fünf Tonnen Altpapier an. Dieses Material und den Sondermüll aus Toner-Kassetten und Batterien sowie die restlichen Abfälle fachgerecht zu entsorgen, ist Privatfirmensache. Nur die sicherheitsrelevanten Dokumente verfüttern sicherheitsüberprüfte eigene Mitarbeiter an die Reißwölfe – und erst danach "gehört" der Rest dem professionellen Müllentsorger für den weiteren Weg.
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Tontechniker. |
Sobald der Auftragswert für eine Dienstleistung oder eine Anschaffung oberhalb von 400.000 Mark liegt, läuft eine europaweite Ausschreibung an. Wer am Ende den Zuschlag erhält, hat sich besondere Gedanken um die Bedürfnisse der Bundestagsabgeordneten gemacht und ein besonders günstiges Angebot unterbreitet. Dafür kann er dann aber auch einige Jahre mit Aufträgen des Parlamentes rechnen. Zum Beispiel beim Mobiliar. Da gibt es dann ein spezielles Sortiment, das das Parlament abruft, sobald ein Abgeordneter noch ein zum Rest der Ausstattung passendes Regal oder einen weiteren Stuhl benötigt.
Der laufende Verbrauch von Büro- und Geschäftsmaterialien wurde bislang auch noch von einer eigenen Beschaffungsstelle entgegengenommen, an die Lieferfirmen weitergegeben und nach Lieferung dann wiederum in die Büros gebracht. Der Zwischenschritt ist weggefallen. Nun gibt eine Privatfirma, die den Zuschlag erhalten hat, einen eigenen Katalog heraus, aus dem die Büromitarbeiter direkt bei ihr bestellen können, woraufhin sie auch direkt, meistens schon am nächsten Tag, beliefert werden. Das geht schneller. Und preiswerter ist es auch.
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Die "Befahranlage", die das Reinigen der Glasflächen von innen ermöglicht, wurde von einer Privatfirma konstruiert. |
Auch in der alltäglichen Ausstattung und Unterbringung ist das Leben in den Büros anders geworden. Früher gab es, je nach Größe der Liegenschaften, einen oder mehrere Hausmeister, die mit Schraubenzieher, Hammer und Zange schnell da waren, um mal eben irgendwelche Pannen auszubügeln. Aber wo gibt es noch einfache Lichtzuleitungen? Einfache Türen? Einfache Fenster? Alles ist leistungsfähiger, ausgeklügelter, komplizierter geworden. Dafür gibt es eine Fülle von Firmen, die sich auf Zuruf um Störungen in ihrem Spezialbereich kümmern. Jedenfalls theoretisch. Praktisch ist der Bundestag nur einer von vielen Kunden mit ähnlichen Problemen. Und wenn sich zufällig die Störungen stauen, können sich die Experten nicht zweiteilen. Da geht es dann nach Einschätzung des Ausmaßes. Und so kann ein Abgeordnetenbüro auch schon mal in eine Warteschleife geraten. Mancher wünscht sich da schon eine kleine Hausmeistertruppe zurück. Wenigstens für die scheinbar leicht zu behebenden technischen Tücken.
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Private warten die Heizungsanlage. |
Aber auch eine solche Truppe würde vermutlich häufig passen müssen. Für den technischen Bereich stehen schließlich rund 200 einzelne Fachfirmen unter Vertrag, kümmern sich um Malerarbeiten oder Glasbruch, um neue Teppiche oder klemmende Schlösser, versorgen die Lüftung oder das Licht und halten die Aufzüge in Gang. Gerade bei den Liften ist Fachwissen mitunter ganz schnell vonnöten. Deshalb werden die Wartungsarbeiten für die Spezialisten zeitlich so eingerichtet, dass sie in Sitzungszeiten in der Nähe sind und Politiker und Besucher schnell aus prekären Situationen befreien können.
Das Mitwirken von Privatfirmen lässt sich mit allen Sinnen wahrnehmen. Man kann es sehen, so oft die berühmte Kuppel oder ein anderer Teil der 65.000 Quadratmeter Glasflächen geputzt wird. Man kann es hören als Ergebnis von umfangreichen Schalltests, die trotz der komplizierten Plenarsaal-Akustik die Redner mit räumlicher Positionsbetonung gut über die Lautsprecheranlage herüberbringen. Man kann es riechen beziehungsweise besser nicht, wenn die Abluft der aufwändigen Energieerzeugung im Keller geruchsfrei ist, weil sie von privaten Fachbetrieben konzipiert, gebaut und derzeit auch "gefahren" wird. Und man kann es schmecken: Eine Restaurationskette hat Catering, Küche und Bedienung im Bundestagsrestaurant, im Dachgartenrestaurant und in der Plenarsaalkantine übernommen und versorgt daneben mobil auch noch die Teilnehmer von Ausschuss-, Arbeitsgruppen- und Fraktionssitzungen mit Getränken und kleinen Stärkungen. Eine andere Firma wird das alles für die diversen Speise-Einrichtungen in den neuen Häusern des Bundestages an der Spree tun.
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Private sorgen für die Reinigung. |
An der Spree, in einem der Bundestagsverwaltungsgebäude, blinkt jetzt schon immer ein kleines Licht auf, so oft ein Abgeordneter oder Mitarbeiter des Parlaments die Nummer 117 gewählt hat. "Willkommen im IT-Service-Center des Deutschen Bundestages", hört dann der Anrufer. Das ist die Hotline für Computerprobleme. Immerhin sind rund 5.000 Anwender innerhalb des Bundestages registriert. Da kann viel klemmen und schief laufen, wie jeder weiß, der seine "Workstation" für moderne Büroarbeit nutzt. Und deshalb halten sich in Spitzenzeiten auch 15 Computerexperten, die für die Telefonberatung geschult worden sind, in diesem bundestagsinternen "Call Center" auf. Ihre Arbeitszeit ist bundestagsspezifisch: gewöhnlich von 7 bis 18 Uhr, in Sitzungswochen bis eine halbe Stunde nach dem Ende der Plenarsitzung, das heißt auch schon mal bis nach Mitternacht.
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Aufgaben für Private: Tontechnik. |
Die von einer Privatfirma gestellten Computerfachleute können sich auf Wunsch auf den jeweils gestörten Arbeitsplatz online aufschalten und mit dem Abgeordneten oder Mitarbeiter gemeinsam das Problem zu lösen versuchen. In Privatregie ist zuvor auch schon die Schulung für alle Anwender gelaufen, und auch für die Betreuung und Wartung der Computertechnik sind Privatunternehmen im Einsatz, der vom Call Center aus koordiniert wird. Einen Generalvertrag gibt es auch für die Technik in den übers ganze Land verteilten Wahlkreisbüros. Die sind mit den zentralen Informationssystemen in Berlin verbunden und brauchen daher auch spezielle Betreuung und Wartung. Das hat ein Unternehmen übernommen, dessen Filialen ebenfalls übers ganze Land verteilt liegen.
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Aufgaben für Private: Reinigung der Kuppel. |
Bislang hat der Bundestag mit der Einschaltung privater Betriebe überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Manchmal zwar erst nach einigen Eingewöhnungs- und Anlaufschwierigkeiten, aber wenn die Arbeit einmal nach draußen vergeben war, ist sie nicht wieder zurückgenommen worden. Das sieht bei der hochkomplizierten Energieerzeugung anders aus. Für das System werden Biodiesel, die Abluft und unterirdische Kälte- und Wärmespeichergenutzt. Dass das nicht von jedem Heizungsmeister auf Anhieb beherrscht werden kann, liegt auf der Hand. Deshalb arbeiten beispielsweise Edmund Resch von der Firma "Haus-Technik Reichstag", speziell für die Belange des Bundestages gegründet, und der Bundestagsmitarbeiter Klaus-Dieter Neumann in den unterirdischen Katakomben zusammen. Der eine hat die Anlage nach den Entwürfen einer weiteren Privatfirma gebaut und wacht jetzt über ihren Betrieb. Der andere lernt den Umgang damit und soll den Job des einen auf absehbare Zeit übernehmen. Das alles basiert auf einem Betreibervertrag, der Schritt für Schritt überflüssig werden wird, so wie der Hersteller sein Wissen an den Betreiber weitergegeben hat. Aber das dauert noch, denn erst müssen auch die neuen Bundestagsbauten an das zentrale System angeschlossen sein und tadellos mit Heizung und Klima versorgt werden.
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Restaurant: Privatunternehmen sorgt für Essen und Trinken. |
Privates Wissen bekommen im Übrigen alle Besucher mit, die eine Führung durch das Reichstagsgebäude gebucht haben. Die Erläuterungen liefern in der Regel Honorarkräfte, die je nach Nachfrage von der Bundestagsverwaltung gebucht werden. Unter der Rubrik Honorarkraft spielt sogar der Organist für die ökumenischen Morgenandachten in Sitzungswochen. So nutzen fast alle der knapp hundert Referate in der Bundestagsverwaltung privates Know-how für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Selbst wenn die weithin sichtbaren Fahnen auf und vor den Bundestagsgebäuden vom scharfen Berliner Winterwind zerschlissen worden sind, bestellt die Bundestagsverwaltung nicht einfach nur neuen Stoff. Die damit beauftragte Firma bringt die komplette Fahne und hängt sie gleich auch noch auf. Kein Bundestagsmitarbeiter muss dafür ausgebildet werden und auf dem Dach rumkraxeln. Das ist praktisch. Und preiswert. Und gut.
Gregor Mayntz