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Buchtipp
Jenseits der Geschäftsordnung
Wissenschaftler über Parteien und Parlamentarier
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Sabine Lemke-Müller, Abgeordnete im Parlament. NDV-Verlag, Rheinbreitbach 2000, 78,- DM. |
Nicht nur die Geschäftsordnung ist für die Arbeit des Deutschen Bundestages wichtig, sondern mindestens ebenso die "informelle Parlamentskultur". Sabine Lemke-Müller, langjährige Mitarbeiterin von Abgeordneten, untersucht diese Kultur mittels einer empirischen Befragung der Parlamentarier. Die subjektive Einschätzung der institutionellen Abläufe, der Kollegen, der eigenen Einflusschancen oder der Aufstiegsmöglichkeiten bestimmen sie ebenso mit wie Fachkompetenz, Zugang zu Informationen, Vertrauen und Fraktionszugehörigkeit.
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Helmut Frey, Weniger Macht den Parteien. Olzog-Verlag, München 2000, 24,80 DM |
Überraschend ist, wie sehr sich die Abgeordneten weniger als Parteirepräsentanten, sondern mehr als "gute Volksvertreter" begreifen. Deutlich wird auch die große Bedeutung der Wahlkreisarbeit, der Loyalität zur Fraktion und ein "Klima gegenseitiger Akzeptanz jenseits parteipolitischer Zuspitzung". Allerdings weist die Studie auch auf das große Defizit von "Frauen an den Schaltstellen der Politik" hin.
Eine fundamentale Erneuerung der staatlichen Strukturen fordert Helmut Frey. Seiner Meinung nach ist der Parlamentarismus zum Parteienstaat degeneriert. Statt Repräsentation will Frey in der Tradition des Denkens von Rousseau direktdemokratische Wahlen der "freien" Abgeordneten gemäß Art. 38 GG und legislative Entscheidung durch das Volk selbst. Sein Vorschlag läuft auf ein "gemischtes Verfahren" von parlamentarischer und direkter Demokratie hinaus: Die "Grundsatzentscheidungen" werden direkt vom Volk getroffen, die "Entscheidungskompetenz des Parlaments beschränkt sich auf die Vollzugs- und Änderungsgesetzgebung".