Interview
Ein Globus der Demo
Antje Vollmer über das Reichstagsgebäude
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Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen).
Frau Vollmer, mit dem Umbau des Reichstages, der Fertigstellung des Dorotheenblocks, des Paul-Löbe- und des Jakob-Kaiser-Hauses sind wesentliche Teile der Bundestagsbauten in Berlin abgeschlossen. Wie bewerten Sie das bisher Erreichte?
Antje Vollmer: Ich glaube, dass dem Parlament mit seinen Berliner Bauten etwas Großartiges gelungen ist, und ich bin darüber sehr erleichtert, weil in dieser Aufgabe ja auch ein sehr großes Risiko lag. Man konnte nicht experimentieren und reparieren. Es musste passen für die Aufgabe, für den Raum, den historischen Moment und die Identität des Bundestages. Diese Parlamentariergeneration hatte die Chance, sich selbst auszudrücken, wie kaum eine Generation vor ihr. Genau genommen haben wir ja in einer Generation zwei Parlamentsbauten errichtet, den Behnisch-Bau in Bonn, der in seiner Transparenz, Leichtigkeit und Zurückhaltung ein idealer Ausdruck der Bonner Republik gewesen ist, und dann die völlig andere Aufgabe in Berlin.
Worin bestand der wesentliche Unterschied?
Mit dem Reichstag war etwas Monumentales vorgegeben, und ich habe anfangs eine gewisse Beklommenheit verspürt, ob wir da nicht zu viel großen und erdrückenden Raum für zu kleine Menschen bauen würden und ob es uns gelingen würde, der Formensprache des wilhelminischen Größenwahns zu widerstehen. Da man die Größe des Bauwerkes nicht schrumpfen lassen konnte, konnte man das nur durch ästhetische Qualität ausgleichen und zurücknehmen. Ich glaube, das ist gelungen.
Wie viel Einfluss hat das Parlament tatsächlich genommen?
Die Bedingung für das Gelingen war, dass sich das Parlament nicht nur als Auftraggeber, sondern wirklich als Baumeister verstanden hat. Das war vor allem die Baukommission unter der Leitung von Dietmar Kansy sowie die Kunstkommission unter Rita Süssmuth, dann unter Wolfgang Thierse. Beide Gremien haben mit den Architekten und Künstlern wirklich um Funktion, Nutzbarkeit, aber auch um die ästhetischen Formen gekämpft. Darin liegt eine besondere Leistung, weil der Anspruch der Politik, sich in ästhetische Fragen einzumischen, seit der Indienstnahme von Kunst und Architektur im Wilhelminismus und Nationalsozialismus diskreditiert ist. Es gab eine große Angst, Politik wolle wieder Kunst dominieren oder einen höfischen Gestus annehmen. In diesem Tabu lag die Korrektur eines früheren Missbrauchs. Und dennoch stand das Parlament jetzt vor der Aufgabe, sich mit dieser Stadt, mit diesem Reichstag und mit dieser Historie auseinander zu setzen. Und das konnte nicht mehr rein ästhetisch-künstlerisch geschehen, sondern das musste auch politisch passieren.
Wo gab es solche Auseinandersetzungen?
Das bekannteste Beispiel ist sicher die große Auseinandersetzung mit Norman Foster, der die Idee der Kuppel für den Reichstag entschieden ablehnte, während Baukommission und Ältestenrat auf den Bau einer Kuppel bestanden haben. Foster hat diese Auseinandersetzung angenommen und es ist vielleicht heute gerade die Kuppel, in der das Selbstverständnis des Parlamentes sich besonders ausdrückt. Nämlich, dass die Bürger, die da unentwegt auf- und abwandern, sich als Souverän verstehen und dass dieses ihr Haus ist, wie es noch kein anderes gewesen war. Und das, obwohl es so groß und obwohl es so dominierend ist.
Fördert die Architektur Nähe und Akzeptanz zwischen dem Parlament und den Bürgern?
Soviel auch sonst über Geld gestritten wird - über die Kosten des Reichstages entsteht keine populistische Debatte, weil das Ergebnis so überzeugend ist. In der Kuppel hat man tatsächlich den Eindruck eines Globus der Demokratie, und die Besucher verhalten sich auch entsprechend - wie bürgerliche Flaneure. Aber die Wirkung erstreckt sich auch auf die Parlamentarier. Nicht nur die Kuppel, auch die anderen Bauten mit ihren Lichthöfen, Brücken, Straßen, mit ihren Ausblicken auf Gärten, auf die Stadt und die Spree - das alles vermittelt den Abgeordneten wohl stärker als in Bonn das Gefühl ihrer nicht alltäglichen Arbeit und ihrer Verantwortung.
Interview: Matthias Geis