Erläuterungen zur Geschäftsordnung
Geschäftsordnung des Bundestages
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Die Ausschüsse sind die Werkstätten des Parlaments. Hier wird all das zurechtgeschliffen oder auch umgemodelt, was der Bundestag schließlich zum Beschluss zu erheben sich entschlossen hat. In den meist nichtöffentlich tagenden Gremien hat nicht nur die Opposition die Möglichkeit in mühseliger Detailarbeit und ohne die im Plenum rasch aufkommende Alles-oder-Nichts-Haltung die Vorlagen der Regierung und der Bundestagsmehrheit nach eigenen Maßstäben zu verändern. Auch die Mehrheit nutzt oft die Gelegenheit, ihre eigenen Vorlagen ohne allzu großes Aufsehen nachzubessern.
Die Geschäftsordnung bestimmt weder die Zahl noch den Zuschnitt der Ausschüsse, aber sie ermöglicht, was früher selten war: jeder Ausschuss darf Unterausschüsse einsetzen, falls nicht ein Drittel seiner Mitglieder widerspricht. In die Unterausschüsse können bei Bedarf auch Abgeordnete etwa wegen ihrer speziellen Kenntnisse entsandt werden, die weder Mitglied noch stellvertretendes Mitglied des dazugehörigen Ausschusses oder der Ausschüsse sind, die einen gemeinsamen Unterausschuss gebildet haben, weil die ihnen überwiesenen Vorlagen dies nahelegten.
Grundsätzlich sind die Unterausschüsse nach demselben
System der Fraktionsrangfolge zu besetzen wie die Ausschüsse
insgesamt. Alle Ausschüsse werden von den Fraktionen
beschickt; fraktionslose Abgeordnete kann der Präsident
einzelnen Ausschüssen zuteilen. "Jedes Mitglied des
Bundestages soll grundsätzlich einem Ausschuss
angehören." Anders als im Plenum darf in den
Ausschusssitzungen für jede Fraktion je ein Mitarbeiter die
Abgeordneten unmittelbar beraten.
Auffallenderweise finden in der Geschäftsordnung die
Untersuchungsausschüsse keine besondere Erwähnung. Die
Erklärung liegt darin, dass die Verfassung selber (in den
Artikeln 44 und 45a) deren Verfahrensordnung ausdrücklich
regelt und auch bestimmt, dass der Verteidigungsausschuss aus
eigenem Entschluss Untersuchungen anstellen kann. Dargelegt wird
hingegen die Einrichtung von Enquete-Kommissionen, die
einzelne Themenkreise behandeln können, insbesondere solche,
die noch nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens sind. Die
Mitgliederzahl wird von Fall zu Fall festgesetzt. Im Unterschied zu
den regulären Ausschüssen, die zumindest dem Namen nach
in jeder Wahlperiode auftauchen, sind die besonderen
Ausschüsse gänzlich der Diskontinuität unterworfen:
sie haben ihre Berichte so rechtzeitig vorzulegen, dass der
Bundestag sie vor dem Ende der Wahlperiode behandeln kann.
Die Vorsitzenden der Ausschüsse werden nicht von den
Mitgliedern gewählt, sondern auf Vorschlag derjenigen Fraktion
bestimmt, der nach den Vereinbarungen im Ältestenrät das
Recht zusteht, den Kandidaten für den Ausschussvorsitz zu
benennen. Die einzelnen Ausschüsse haben auch kein Recht, sich
eine eigene Geschäftsordnung zu geben.
Schon innerhalb des Zeitplanes hat der Ausschussvorsitzende nur
dann die Möglichkeit zur Einberufung des Ausschusses, wenn ihm
dieser nicht widerspricht. Eine Sitzung außerhalb des
Zeitplanes bedarf sogar des Verlangens einer Fraktion, eines
Zwanzigstels der Mitglieder des Bundestages oder eines einstimmigen
Beschlusses des Ausschusses sowie der Genehmigung des
Präsidenten. Ähnlich eng ist die Gestaltungsfreiheit bei
der Tagesordnung. Die Ausschüsse sind zu "baldiger Erledigung"
der ihnen überwiesenen Aufgaben verpflichtet und sind zu
Beschlussempfehlungen an das Plenum nur in diesen Angelegenheiten
berechtigt. Zehn Sitzungswochen nach der Überweisung der
Vorlagen kann der Ausschuss zur Berichterstattung im Parlament
verpflichtet werden. Dabei kommt nur der federführende
Ausschuss zu Wort, andere mitbeteiligte Ausschüsse müssen
ihm fristgerecht zuarbeiten, oder sie bleiben (vorerst)
unberücksichtigt.
Es gehört in die Hoheit des Ausschusses, welche von
möglicherweise mehreren Vorlagen zum selben Gegenstand er zur
Beschlussvorlage macht. Die anderen Vorlagen werden für
erledigt erklärt; falls eine Fraktion widerspricht, muss
über die Vorlagen abgestimmt werden. Die Beschlussempfehlung
über Erledigung oder Ablehnung der Vorlagen ist dem Plenum
vorzulegen. Die in der Regel vom Vorsitzenden benannten
Berichterstatter unterrichten den Bundestag vom Mehrheits- wie von
den Minderheitsvoten und den Stellungnahmen anderer
Ausschüsse. Eine besondere Berücksichtigung steht den
kommunalen Spitzenverbänden zu, falls sie einbezogen waren
(die Stellungnahmen der Länder nehmen den Weg über den
Bundesrat). Es ist nicht einer besonderen Betrachtung wert, dass
die Ausschüsse ihre Vorsitzenden einstimmig ermächtigen
können, außerhalb der Sitzungswochen in eiligen
Fällen eine schriftliche Abstimmung herbeizuführen.
Wachsende Bedeutung kommt dem "Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union" zu, der auch im
Grundgesetz einen hervorragenden Platz hat. Dieser Ausschuss ist
eine Art Sprachrohr des Bundestages hinsichtlich von Rechtsakten,
welche die Europäische Kommission oder der Ministerrat setzen.
Der Bundestag kann auf Antrag der üblichen Berechtigten den
Ausschuss mit der alleinigen Behandlung einer Unionsvorlage
beauftragen, das Plenum behält dabei aber das Recht, jederzeit
selber über eine Einzelfrage zu beschließen.
Als einziger Bundestagsausschuss gewährt der
"Europa-Ausschuss" Mitgliedern eines anderen Parlaments
ständigen Zutritt, und zwar den deutschen Abgeordneten des
Europa-Parlaments. Einzelne, von den Bundestagsfraktionen
vorgeschlagene und vom Bundestagspräsidenten berufene
Europa-Abgeordnete dürfen sogar über die Stille Teilnahme
hinaus Anregungen und Auskünfte geben, und Stellung nehmen.
Auch die anderen mit Unionsvorlagen oder -entwürfen befassten
Ausschüsse können in Einzelfällen Europa-Abgeordnete
und Mitglieder des Rates oder der Kommission der Europäischen
Union "hinzuziehen" sowie selber Delegationen zu europäischen
Organen entsenden.
Der "Europa-Ausschuss" berichtet über seine Stellungnahmen und
deren Begründungen dem Plenum in schriftlicher Form. Der
Bericht ist innerhalb von drei Wochen auf die Tagesordnung zu
setzen, eine Aussprache findet jedoch nur auf Antrag einer Fraktion
oder eines Zwanzigstels der Abgeordneten statt.
Die Ausschüsse beraten grundsätzlich nicht
öffentlich. Doch immer weiter greift die Idee um sich, die
Öffentlichkeit für einzelne Arbeitssitzungen zuzulassen -
zunächst in den Untersuchungsausschüssen und
Enquete-Kommissionen, nunmehr auch in anderen Ausschüssen,
wenn auch im Alltag in recht begrenztem Maße. Tagt ein
Gremium nicht öffentlich, dann kann auch für
Abgeordnetete, die nicht seine Mitglieder oder stellvertretenden
Mitglieder sind, der Zutritt beschränkt werden. Sogar die
erstunterzeichnenden Verfasser der gerade zu behandelnden Vorlagen,
die üblicherweise beratend teilnehmen dürfen, bleiben bei
den als "vertraulich" oder nach geheimer klassifizierten
Ausschüssen vielleicht vor der Tür. Was in den
nichtöffentlichen Sitzungen beraten und beschlossen wird, ist
jedoch nicht einmal ein bisschen geheim; die Protokolle der
Ausschüsse sind - soweit nicht ausdrücklich als
Verschlusssachen klassifiziert - zugänglich.
In der Ausschussarbeit sind zwei Arten von öffentlichen
Sitzungen möglich: die sogenannte Erweiterte öffentliche
Beratung und die öffentliche Anhörung. In Absprache mit
dem Ältestenrat und mit den möglicherweise mitberatenden
Ausschüssen "soll" die Schlussberatung, in der die
Beschlussempfehlung und der Bericht an das Plenum gefasst werden,
öffentlich stattfinden. Dabei offenbart die
Geschäftsordnung selbst sehr schnell die Zwiespältigkeit
dieses Strebens. Ein Viertel der Ausschussmitglieder kann
nämlich verlangen, die Beratung gleich in das Plenum zu
verlegen, wo sowohl die innerparlamentarische als auch die
außerparlamentarische Aufmerksamkeit aller Erwartung nach
größer sein wird als in den oft begrenzten
Räumlichkeiten der Ausschüsse. Anders verhält es
sich mit den öffentlichen Anhörungen zu begrenzten
Sachgebieten. Da verbietet schon die große Zahl der
möglichen Fragesteller - es wären alle Abgeordneten - die
Verlegung ins Plenum. Die Befragung auswärtiger
Sachverständiger kann in einem Ausschuss viel konzentrierter
ablaufen; es ist sogar möglich, dass jede Fraktion nur eines
ihrer Mitglieder im Ausschuss mit der Anhörung beauftragt.
Verlangt ein Viertel der Mitglieder des federführenden
Ausschusses eine Anhörung zu einer überwiesenen Vorlage,
so muss sie stattfinden. Will hingegen der Ausschuss aus eigener
Neugier Fachleute hören, dann muss er mit Mehrheit dies
beschließen. Wie viele Experten geladen und nach welchen
Gesichtspunkten sie ausgewählt werden, liegt am Ausschuss. Die
Mehrheit kann zwar verhindern, dass ausschließlich der
Minderheit genehme Sachverständige zu Wort kommen, aber sie
muss es hinnehmen, dass die Minderheit innerhalb der Gesamtzahl
aller Experten so viele Fachleute nach eigenem Geschmack
einlädt, wie es ihrem Anteil im Ausschuss entspricht.