15.10.2001
Ansprache des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse zur
Übernahme des Paul-Löbe Hauses
Es gilt das gesprochene Wort
"Sie werden verstehen, dass ich mich über die Anwesenheit des Sohnes von Paul Löbe besonders freue. Sie ehren damit Ihren Vater und Sie unterstützen die Entscheidung des Deutschen Bundestages, diesem herausragenden Gebäude den Namen seines ersten Alterspräsidenten und langjährigen Reichstagspräsidenten gegeben zu haben. Paul Löbe war und ist ein Vorbild für Demokraten.
Was lange währt, wird endlich gut – diese
tröstende Spruchweisheit muss wohl herangezogen werden, wenn
wir nun endlich das Paul Löbe Haus in vollem Umfang nutzen
können.
Es ist Ihnen, verehrter Herr Braunfels, etwas gelungen, was nun
überhaupt nicht selbstverständlich ist: einen sehr
großen Bau elegant und überschaubar zu gestalten; einen
nüchternen Zweckbau so zu schaffen, dass er repräsentativ
und – so empfinde ich es – sehr schön geworden
ist. Um diese kreative, künstlerische Leistung zu loben, bin
ich besonders gerne hier.
Vor allem hier in dieser großen Halle erschließt sich
das wunderbare ästhetische Erlebnis, das dieses Haus zu
verschaffen vermag, unmittelbar und eindrücklich.
Die hier in Berlin besonders zahlreichen Gäste und Besucher
des Bundestages werden mit diesem ersten Eindruck empfangen werden
– und sie werden hoffentlich am Ende ihres Besuches die
Gewissheit mitnehmen, dass die Arbeit des Deutschen Bundestages so
transparent ist, wie dieses Haus.
Natürlich können wir Parlamentarier selbst, wenn wir
es nun beginnen, mit Leben zu erfüllen, am meisten zur
Transparenz beitragen. Die runden Sitzungssäle der
Ausschüsse sind architektonische Voraussetzungen für den
einander zugewandten Dialog. Wir wissen, Demokratie ist
ständiger Streit, weil ja niemand die irdische Wahrheit
gepachtet hat. Aber Konsens und Kompromiss sind genauso notwendig.
Sie nehmen ihren Anfang oft genug in den Ausschussberatungen. Seit
einigen Jahren bietet unsere Geschäftsordnung die
Möglichkeit, die Öffentlichkeit an diesem Teil der
parlamentarischen Arbeit teilhaben zu lassen. Die Sitzungssäle
von Herrn Braunfels bieten nun auch die baulichen
Möglichkeiten dazu. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die
den Bundestagsausschüssen vorsitzen, sollten davon fortan
beherzter als bisher Gebrauch machen!
Ich danke allen, die dieses Haus gebaut haben, vom Hilfsarbeiter
bis zum Handwerksmeister, der Bauleitung, dem Bauherren, der
Baukommission des Ältestenrates, Herr Kansy, Frau Iwersen, und
noch einmal und ganz besonders dem Architekten. Was Sie hier
geplant und entworfen haben, kann sich sehen lassen. Sie
können stolz sein auf dieses Werk und wir, die Mitglieder des
deutschen Bundestages werden stolz sein auf so einen Arbeitsplatz
der Demokratie."