110. Sitzung
Berlin, Dienstag, den 11. September 2007
Beginn: 10.00 Uhr
* * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zur ersten Arbeitssitzung des Deutschen Bundestages nach der parlamentarischen Sommerpause.
Heute gedenken nicht nur in Amerika viele Menschen der entsetzlichen Anschläge vom 11. September 2001 und der Tausenden von Opfern, die diese Terroranschläge gefordert haben. Unser Gedenken an die Opfer verbindet sich mit der Entschlossenheit, jeder Form von Terrorismus, mit welcher Begründung auch immer, entgegenzutreten und allen möglichen Bedrohungen der Freiheit und des Lebens der Menschen in diesem Lande entgegenzuwirken.
Vor Eintritt in unsere Tagesordnung möchte ich einige Mitteilungen machen:
Während der parlamentarischen Sommerpause haben eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen runde Geburtstage gefeiert. Der Kollege Otto Schily wurde am 20. Juli 75 Jahre alt, und der Kollege Detlef Parr wurde am 8. September 65 Jahre alt. Diesen beiden kann man schon einmal gesondert gratulieren.
Ihren 60. Geburtstag haben im gleichen Zeitraum die Kolleginnen und Kollegen Klaus Hofbauer, Günter Baumann, Waltraud Lehn, Dr. Marlies Volkmer, Annette Faße und Eduard Oswald begangen. Im Namen des ganzen Hauses gratuliere ich nachträglich herzlich und wünsche alles Gute!
Die Kollegen Dr. Reinhard Göhner, Dr. Peter Paziorek und Dr. Reinhard Loske haben zwischenzeitlich auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolger für Herrn Dr. Göhner begrüße ich herzlich den Kollegen Cajus Julius Caesar,
der den meisten noch in allerbester Erinnerung ist und der dem Parlament sicher nicht nur durch die Durchschlagskraft seines Namens behilflich sein wird.
Als Nachfolger von Herrn Dr. Paziorek begrüße ich den Kollegen Dr. Stephan Eisel
und als Nachfolgerin von Herrn Dr. Loske die Kollegin Bettina Herlitzius.
Herzlich willkommen und auf gute Zusammenarbeit!
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs des Heimkehrerstiftungsaufhebungsgesetzes auf Drucksache 16/5845 zu erweitern. Dieser Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 1:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen der ?United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolutionen 1701 (2006) und 1773 (2007) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 11. August 2006 bzw. 24. August 2007
- Drucksache 16/6278 -
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Eine Aussprache dazu ist für heute nicht vorgesehen; aber wir müssen diesen Antrag zur Beratung an die Ausschüsse überweisen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/6278 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich nehme an, dass Sie damit einverstanden sind. - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 2 a und 2 b:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 (Haushaltsgesetz 2008)
- Drucksache 16/6000 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2007 bis 2011
- Drucksache 16/6001 -
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im Rahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aussprache im Anschluss an die einstündige Einbringung des Haushalts sechseinhalb Stunden, für Mittwoch siebendreiviertel Stunden, für Donnerstag sieben Stunden und für Freitag drei Stunden vorgesehen. Ich nehme an, dass es auch dazu keinen Widerspruch gibt - in weiser Vorahnung, dass es am Ende jeweils vermutlich etwas länger dauern wird. - Dann ist das so beschlossen.
Ich erteile nun das Wort zur Einbringung des Haushaltes dem Bundesminister der Finanzen Peer Steinbrück.
Peer Steinbrück, Bundesminister der Finanzen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident hat daran erinnert: Heute auf den Tag genau vor sechs Jahren fanden die heimtückischen Terrorakte in New York und Washington statt. Seitdem ist nichts mehr so, wie es war, vor allem in den USA, wo bei diesen Anschlägen Tausende von Menschen umgekommen sind, derer wir nicht nur heute gedenken. Es ist auch nichts mehr so in der übrigen Welt, wohin sich die politischen, die wirtschaftlichen und auch die psychologischen Schockwellen, die für unsere inzwischen hochgradig vernetzte und globalisierte Welt charakteristisch sind, mit sehr großer Geschwindigkeit ausgebreitet haben.
Unbestreitbar ruft diese globalisierte Welt bei vielen Menschen Unsicherheit, ja gelegentlich sogar ausgeprägte Angst hervor. Dennoch oder gerade deshalb erscheint es mir unverantwortlich, bei den Menschen den Eindruck zu vermitteln, man könne Globalisierung quasi zurückdrehen, man könne sich gegen Globalisierung und ihre unerwünschten Folgewirkungen - während man gleichzeitig die erwünschten Folgewirkungen gern in Kauf nimmt - abschotten, oder es würde reichen, an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland quasi das Rollo herunterzulassen. Wer so argumentiert, streut den Menschen Sand in die Augen.
Deutschlands Wirtschaft, die über 40 Prozent ihrer Wertschöpfung über Ex- und Importe erzielt, ist eng mit der Weltwirtschaft verbunden. Das heißt, 40 Prozent unseres Wohlstandes gewinnen wir durch Globalisierung. Die Bundesrepublik Deutschland ist durch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte einer der großen Gewinner dieser Globalisierung.
Wenn wir unsere Verknüpfungen mit der Weltwirtschaft schwächen oder beschädigen, wenn wir sie belasten, verlieren wir Arbeitsplätze, verlieren wir Wohlstand und Wachstum, und wahrscheinlich könnten wir unser soziales Sicherungssystem immer weniger auf dem Niveau finanzieren, wie wir es heute noch können. Stimmen, die zumindest unterschwellig mit dem Motto ?Wohlstandssicherung durch Abschottung“ eine politische Rendite zu gewinnen versuchen - teilweise übrigens auch mit nationalistischen Untertönen -, handeln angesichts unserer faktischen Verflechtung in einem zusammenwachsenden Europa und weltweit, wie ich glaube, verantwortungslos.
Wir wissen, dass Globalisierung anstrengend ist. Unser Zeitalter ist von Beschleunigung, von raschen Veränderungen und zunehmender Komplexität gekennzeichnet. Damit müssen wir umgehen lernen. Dabei dürfen wir die Menschen nicht verschrecken, sondern müssen sie zur Teilnahme und Teilhabe befähigen. Das ist in meinen Augen die erforderliche politische Verantwortungsethik.
Aktuelles Beispiel: Seit einigen Wochen haben wir es mit erheblichen Verunsicherungen und einer sehr großen Nervosität an den internationalen Finanzmärkten zu tun. Keine Frage: Was wir dort erleben, ist sehr ernst zu nehmen. Dennoch sollten wir die Lage jenseits jeder Verharmlosung, die nicht angebracht ist, nicht dramatisieren. Wir brauchen jetzt weder Verharmlosung noch Hysterie, sondern wir brauchen verantwortungsbewusstes Handeln und die Reifezeit, um Lerneffekte zu erzielen und Konsequenzen aus dieser Entwicklung zu ziehen.
Ich will an dieser Stelle deutlich machen, dass ich sehr zufrieden bin mit der professionellen und sehr raschen Reaktion der Vertreter der Banken aller drei Säulen unseres deutschen Kreditwesens. Ich möchte ihnen an dieser Stelle namentlich danken: Herrn Müller für die privaten Geschäftsbanken, Herrn Haasis für die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute und Herrn Pleister für die Genossenschaftsbanken. Ich möchte dem Bundesbankpräsidenten, Herrn Weber, und dem Präsidenten der BaFin, Herrn Sanio, dafür danken, dass das Zusammenwirken dieser wichtigen Partner der deutschen Finanzwirtschaft in einer sehr zugespitzten, krisenhaften Situation funktioniert hat und dadurch nach Lage der Dinge Schlimmeres verhindert wurde.
Ich möchte auch den großen Zentralbanken einschließlich der Europäischen Zentralbank danken. Sie haben schnell und effektiv insbesondere auf dem Markt für Unternehmensanleihen eine Liquiditäts- und Kreditklemme und damit Schlimmeres verhindert. Dadurch wurde insbesondere die drohende Gefahr abgewendet, dass sich die Realwirtschaft an der Entwicklung auf den Finanzmärkten ansteckt, was zu Eintrübungen der wirtschaftlichen Entwicklung hätte führen können. Wir sind jetzt dabei, diese Krise sorgfältig aufzuarbeiten und dann - aber erst dann - Konsequenzen für die Bankenaufsicht und bezogen auf andere Problemfelder zu ziehen. Es sollte nichts überstürzt werden.
Meine Damen und Herren, ohne dass es zynisch klingt, will ich hinzufügen: Man kann der jüngsten dramatischen Entwicklung auch etwas Gutes abgewinnen und sie als eine Art Normalisierung auf den Finanzmärkten nach einer Phase der absoluten Maßlosigkeit, der Überhitzung und der Übertreibungen bewerten. Die Chance dieser Krise liegt darin, dass sie endlich wieder zu einem angemesseneren Risikobewusstsein der Akteure führt, dass sich Kreditrisiken wieder deutlicher in der Höhe der Risikoprämien niederschlagen und sich das eine oder andere Bankenmanagement vielleicht nicht mehr mit hochkomplexen Produkten am Markt bewegt, von denen es weitaus weniger versteht als größere Kreditinstitute.
Der deutsche Finanzmarkt hat genug Reserven, um die derzeitigen Spannungen zu überstehen. Ebenso wichtig ist, dass die realwirtschaftlichen Grunddaten in Deutschland nach Einschätzung vieler Verbandsvertreter, vieler renommierter Ökonomen und auch aus Sicht der wirtschaftswissenschaftlichen Expertise weiterhin positiv und stabil sind, sowohl in Deutschland als auch weltweit. Was die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland angeht, sehe ich wie die Mehrzahl der Experten keinerlei Anzeichen für eine ernsthafte Eintrübung. Um die deutsche Konjunktur steht es nach wie vor gut.
Meine Damen und Herren, nicht nur der deutsche Konjunkturmotor läuft rund; auch der Standort Deutschland klettert in den internationalen Rankings nach oben. Was in Deutschland noch vor einigen Jahren in einem verbreiteten Lamento für sehr unwahrscheinlich gehalten wurde, ist heute Realität. Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten Jahren deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Wir sind nicht mehr diejenigen, die die rote Konjunkturlaterne tragen. Inzwischen ist die Wirtschaft Deutschlands eine von mehreren Lokomotiven der europäischen Konjunktur.
Angesichts der fast schon selbstzerstörerischen Selbstbespiegelung, die wir in den letzten Jahren teilweise erlebt haben, überraschen die Fakten inzwischen positiv und tragen endlich auch zu einer Veränderung der mentalen Einstellung der Menschen in unserem Land bei. Es ist vielleicht hinzuzufügen, dass die Lage in der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung unseres Landes in den letzten Jahren nie so schlecht gewesen sind, wie wir es uns selbst eingeredet haben. Die vollständige Botschaft lautet allerdings: Wir sind keineswegs bereits so gut aufgestellt, wie wir es zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen sein müssten. Dies könnte eine ausgewogene, ausbalancierte Beurteilung unserer Lage sein.
Um im Telegrammstil auf einige Fakten einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, dass eine Befragung der renommierten Unternehmungsberatung Ernst & Young bestätigt: Für international tätige Unternehmen ist Deutschland inzwischen wieder der attraktivste Standort in Europa und der drittattraktivste Standort weltweit, und zwar nicht nur wegen der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und nicht nur wegen der Lohnstückkostenentwicklung, sondern auch wegen seiner nach wie vor sehr guten Infrastruktur, der Attraktivität und Größe des deutschen Marktes, unserer Wirtschaftsgeografie, auch vor dem Hintergrund der erweiterten Europäischen Union, der Qualität von Forschung und Entwicklung sowie der hohen Qualifikation und Motivation unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hinzu kommt die gesellschaftliche Stabilität, die es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nach wie vor gibt. Das ist ein Wert, der sich kaum messen lässt, aber mit zu den positiven Standortfaktoren dieser Republik gehört.
Über die erfreulich gestiegene Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft habe ich schon gesprochen. Es bleibt zu ergänzen, dass einer der großen Pluspunkte nach wie vor ein sehr starker Mittelstand ist, der sich insbesondere im Vergleich zu europäischen Partnerländern als immer gewichtiger für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland herausstellt.
Als einziger G-7-Staat konnte Deutschland seinen Welthandelsanteil in den letzten zehn Jahren auf einem hohen Niveau ausbauen. Viermal in Folge Exportweltmeister, das ist schon ein sensationeller Erfolg.
Eine weitere Tatsache: Die Arbeitslosigkeit ist innerhalb eines Jahres auf den niedrigsten Stand seit 1999 gesunken. Mit inzwischen 3,7 Millionen Arbeitslosen liegen wir um gut 670 000 unter dem Vorjahreswert und sind damit von der erschreckenden Rekordmarke von 5 Millionen Arbeitslosen im Jahre 2005 weit entfernt. Ich weiß, dass dies nicht reicht; aber der Trend ist wichtig und weist nach unten.
Auch wenn es viele immer wieder überrascht, unsere Steuer- und Abgabenquote liegt unter dem Durchschnitt der 25 europäischen Mitgliedstaaten, wenn ich die neuen Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien einmal außen vor lasse. Die Belastung über die Steuer- und Abgabenquote in Deutschland ist im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich und nicht überdurchschnittlich.
Eine weitere wichtige Botschaft, die in ordnungspolitischen Debatten gelegentlich ignoriert wird, lautet, dass es inzwischen in Deutschland - wahrscheinlich in diesem Jahr schon - weniger Staat gibt als zum Beispiel im Vereinigten Königreich, einem Land im angloamerikanischen Bereich, dem immer unterstellt wird, dass dort der Staat sehr viel weniger imperialistisch und krakenartig etwas von der Wirtschaftsleistung für sich in Anspruch nimmt. Bereits im letzten Jahr lag unsere Staatsquote mit 45,4 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Dies sollte endlich auch diejenigen beeindrucken - sie sollten es wenigstens zur Kenntnis nehmen -, die keine Gelegenheit auslassen, den Staat als fetten Moloch zu diskreditieren. Die Wahrheit ist: Dieser Staat wird schlanker und effizienter. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass er über diese Entwicklung nicht handlungsunfähig wird, sondern weiterhin ein handlungsfähiger Staat bleibt, der den Menschen die Dienstleistungen zur Verfügung stellt, die sie brauchen, um die Stabilität dieser Gesellschaft zu erreichen, und ihre großen Lebensrisiken absichert.
Eine weitere Tatsache ist, dass wir das Maastrichter Verschuldungskriterium weit unterschreiten. Während unsere Verschuldung im Jahre 2005 - Sie erinnern sich - noch 3,2 Prozent betrug, wird sie in diesem Jahr auf voraussichtlich ein halbes Prozent sinken. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass wir 2008 eine schwarze Null schreiben werden.
Schließlich wird mit mehr als 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland mehr Geld für Forschung und Entwicklung investiert als in den meisten anderen europäischen Partnerländern.
Einige sind uns allerdings immer noch voraus, insbesondere die Skandinavier, deren Prozentanteil zum Teil bei 3,5 bis 4 liegt. Unser Ziel bleibt, die Dreiprozentmarke zu erreichen, die erforderlich ist, um Deutschland global weiterhin wettbewerbsfähig zu halten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die wiedergewonnene Stärke der deutschen Volkswirtschaft wird auch dadurch eindrucksvoll bestätigt, wie sie die konjunkturell unzweifelhaft belastende Wirkung der Mehrwertsteuererhöhung weggesteckt hat. Gut acht Monate nach ihrem Inkrafttreten sind alle Horrorszenarien, die in der Vergangenheit auch an die Wände dieses Hohen Hauses gemalt worden sind - Stichwort: Gift für die Konjunktur - zerplatzt.
Ich bin noch einmal in die Reden insbesondere von Oppositionspolitikern der letzten Monate eingestiegen und finde dort folgende Zitate: ?Die wirtschaftliche Belebung im Jahr 2007 wird kaputt gemacht“, ?Die Neuverschuldung wird in den nächsten Jahren nicht abgebaut“, ?Das Konsumklima wird eingetrübt“ oder ?Hoffnung auf Wachstum wird sich mit dem rot-schwarzen Haushalt nicht erfüllen“, ?Der Haushalt 2007 ist nicht solide“. Letzteres stammt von Herrn Koppelin.
Herr Solms prognostizierte: ?Die Binnenkonjunktur wird 2007 einbrechen.“ Noch einmal Herr Solms: ?Die Löcher in den öffentlichen Haushalten werden sich weiter öffnen.“
Was ist aus diesen Einschätzungen geworden? Wenn Sie sich in Ihren vergangenen Haushaltsreden so geirrt haben, warum sollten wir Ihren im Rahmen dieser Haushaltsdebatte bevorstehenden Beiträgen Glauben schenken?
Nichts von dem, was Sie prophezeit haben, ist eingetreten: weder das mit Blick auf die Haushaltslücken noch das bezogen auf die Konjunktur, noch das bezogen auf die anderen Faktoren, die Sie angesprochen haben.
Die finanzpolitische Strategie der Großen Koalition hat funktioniert. Es war richtig, 2006 alles zu unterlassen, was den konjunkturellen Himmel erkennbar in trübere Farben hätte bringen können, und erst 2007 mit einer nachhaltigen Konsolidierung zu beginnen. Ich bleibe dabei: Die Anhebung der Mehrwertsteuer war und ist der am wenigsten schädliche einnahmeseitige Beitrag zur strukturellen Konsolidierung der Staatsfinanzen, und den Zeitpunkt für diese Erhöhung hat die Große Koalition richtig gewählt.
- Ach! - Das, was meistens auch von Ihnen verdrängt wird, ist, dass es mit dem weitergereichten Mehrwertsteuerpunkt möglich gewesen ist, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 auf 4,2 Prozent deutlich zu senken. Wir werden diesen Weg weitergehen. Das hat allein im laufenden Jahr zu einer Entlastung von 17 Milliarden Euro, paritätisch für Arbeitgeber und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, geführt. Dadurch sind die Bruttoarbeitskosten in Deutschland tendenziell gesunken, und die verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind dabei um immerhin 8,5 Milliarden Euro gestiegen.
Dies ist in meinen Augen nicht die einzige dringend notwendige Maßnahme gewesen. Und ich bin mir ziemlich sicher: Wenn die FDP im November 2005 die Chance gehabt hätte, Partner in einer Koalition zu werden,
dann hätten Sie mit Blick auf die Mehrwertsteuer genau dieselbe Entscheidung getroffen wie die Große Koalition.
Diese Maßnahme ist nicht die einzige Maßnahme, um eine solidere Haushaltspolitik zu implementieren. Die Absenkung der Neuverschuldung erfolgt in dieser Legislatur zu 60 Prozent durch Ausgabenkürzungen, zum Beispiel im öffentlichen Dienst, auch mit Blick auf eine höhere Effizienz der Arbeitsmarktpolitik, auch in einzelnen Bereichen wie vornehmlich der Landwirtschaft, sowie durch die Streichung von Steuersubventionen. 40 Prozent des Konsolidierungsvolumens wird über Steuererhöhungen erbracht. Die Kritiker werden es selbstredend weiter verdrängen. Nicht verdrängt werden allerdings verständlicherweise die schmerzhaften Folgen dieser Kürzung von Steuersubventionen. Das führt ja in jüngster Zeit zu gewissen Beiträgen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen Begriff aufgreifen, der in dem lesenswerten Buch Nervöse Zone von Lutz Hachmeister erwähnt wird; ich glaube, unter Bezugnahme auf die Journalistin Tissy Bruns. Dieser Begriff lautet ?strukturelle Doppelmoral“. Ich will Folgendes sagen: Während weite Teile der Wirtschaft, wichtige Stimmen der Politik und viele Kommentatoren immer wieder tiefgreifende Reformen, teilweise radikale Reformen anmahnen, werden die Folgen selbst der zaghaftesten Reform auf der politischen Bühne und in medialen Berichten mit einem ausgeprägten Sinn für Dramatik geschildert und problematisiert.
- Meist von denselben; dies ist eine gewisse Schizophrenie.
Ich will ein aktuelles Beispiel aufgreifen: Es gab und gibt einen abstrakten Konsens - auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung -, dass Steuersubventionen abgebaut werden sollen.
Die Große Koalition hat dazu im November 2005 ein Tableau vorgelegt, das wir übrigens weitgehend, wenn auch mit vielen Schmerzen, realisiert haben. Dazu gehörte nicht die Kürzung der Pendlerpauschale, sondern die Abschaffung der Pendlerpauschale; denn in Wirklichkeit haben wir sie abgeschafft.
Wir haben das sogenannte Werktorprinzip eingeführt, was bedeutet, dass der Arbeitstag der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wenn Sie so wollen, nicht mehr beim Verlassen des Wohnortes anfängt, sondern beim Passieren des Werktors.
- Nein, nein, nein: Ich komme bei der Pendlerpauschale lieber auf Ihren Fraktionskollegen Solms zu sprechen.
- ?Meine Sozis“ sind da völlig konform mit mir.
- Arbeiten Sie sich lieber an Ihren eigenen Widersprüchen ab!
Das heißt, wir haben die Pendlerpauschale abgeschafft und dafür, wie in den Koalitionsverhandlungen abgesprochen, eine Härtefallregelung für Fernpendler eingeführt, übrigens aufgrund des maßgeblichen Einflusses von Unionspolitikern und SPD-Politikern, die Flächenländer repräsentieren. Diese Maßnahme ist damals getroffen worden. Schon der erste verfassungsrechtliche Zweifel - der, wie ich finde, heute zunehmend reflexhaft und inflationär gegen fast alles vorgebracht wird, und zwar meistens unter Verbrämung von Gruppeninteressen - führt unter Umständen dazu, dass sich der Konsens, der damals auch in Ihren Reihen bestand, verflüchtigt und die Lage unübersichtlich wird. Auf diese Art und Weise untergräbt man leistungsfähige Politik.
Ich füge in diesem Zusammenhang hinzu: Weder Finanzgerichtshöfe noch der Bundesfinanzhof entscheiden darüber, was in Deutschland verfassungskonform ist. Das geschieht allein durch das Bundesverfassungsgericht.
- Auch der Bundesfinanzminister nicht. Aber das entspricht der geltenden Rechtslage, die auch weiterhin gilt und die im Übrigen parlamentarisch legitimiert ist.
Unbenommen notwendiger Prüfungen auch im Hinblick darauf, wie wir unbürokratisch mit einem möglichen Einspruchsverhalten umgehen - das werden wir mit den Ländern sicherlich auch zur Zufriedenheit der Steuerbürger lösen -, reden hier einige leichthin davon, dass man für den Bund 1,15 Milliarden Euro aufgeben solle. Auf der einen Seite fordert mich Herr Fricke von der FDP-Fraktion auf, Steuersubventionen weiter abzubauen.
Ich soll übrigens auch die Sozialleistungen weiter kürzen und die Neuverschuldung noch schneller senken.
Auf der anderen Seite vertritt Herr Solms nur Positionen, die das derzeitige Transfersystem massiv zementieren. In einer sehr statischen Betrachtung listet er nur die Zumutungen im Einzelnen auf - auch bei der Pendlerpauschale - und, wenn ich es richtig sehe, insinuiert, wir dürften an der Pendlerpauschale keine Änderungen zulasten des Haushaltes vornehmen. Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Herrn Fricke darüber, wie ich mich angesichts dieses Abgrunds bewegen soll, in den hoffentlich nicht ich hineinfallen werde, sondern Sie.
Es entspricht der strukturellen Doppelmoral, dass mich der eine aus der Fraktion auffordert, Steuersubventionen abzubauen, und mir vorwirft, ich sei bei der Absenkung der Nettokreditaufnahme viel zu wenig ehrgeizig, während sich der andere das Empörungspotenzial der Menschen zu eigen macht, die verständlicherweise am liebsten die alte Regelung beibehalten hätten. Er zementiert aber damit genau das System staatlicher Transferzahlungen, gegen das Sie doch sonst immer ordnungspolitisch argumentiert haben, Herr Solms. Was denn nun? Das ist nicht konzise. Eine solche Position kann sich der Finanzminister in seinem Verantwortungsbereich nicht zu eigen machen.
Mit den Reformen der Agenda 2010 hat die frühere Bundesregierung unter Gerhard Schröder begonnen, das Wirtschaftsmodell der sozialen Marktwirtschaft zu reformieren.
Ich will an dieser Stelle mit Absicht daran erinnern, dass die Agenda 2010 sehr viel mehr ist als Hartz IV. Sie fördert Investitionen über Steuersenkungen; sie hat dazu beigetragen, die Situation der Kommunen zu stabilisieren; sie hat den Mittelstand gefördert; sie setzt Schwerpunkte bei Forschung und Entwicklung, und sie hat auch einen ersten Impuls bei dem Ausbau der Kinderbetreuung gegeben. Das ist, wie ich finde, auch ein standortpolitisches Thema vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir in Deutschland durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einer höheren Erwerbstätigenquote der Frauen kommen müssen. Darauf ist diese Republik angesichts der demografischen Entwicklung zwingend angewiesen.
Die Große Koalition hat auf diesen Reformen aufbauend gleich zu Beginn der Legislaturperiode unter anderem mit einem 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm - das die Länder übrigens mit einem weiteren 12,5-Milliarden-Euro-Programm unterstützt haben, sodass es um einen Impuls von immerhin 37,5 Milliarden Euro geht - weitere Impulse gesetzt. Wir haben eine Unternehmensteuerreform verabschiedet. Wir bleiben dabei, dass wir die Vererbung betrieblicher Vermögen durch Nachfolgeregelungen im Mittelstand weiter fördern wollen. Wir haben eine Gesundheitsreform verabschiedet, von der ich den Eindruck habe, dass sich die Kritikpunkte zunehmend verflüchtigen, weil einige merken, dass das Vorhaben doch Hand und Fuß hat. Mit der Debatte um die Föderalismusreform II werden wir auch weitere Beiträge zur Reform des deutschen Föderalismus leisten.
Wir fahren jetzt die Ernte dieser teilweise auch schmerzhaften Anstrengungen ein, ich gebe zu: mit einer für Strukturreformen üblichen Zeitverzögerung. Die Große Koalition hat den Anspruch, die Auswirkungen sich wandelnder Rahmenbedingungen nicht einfach nur zu erleiden und zu erdulden, sondern die Herausforderungen der Globalisierung einer zukunftsbelastenden Staatsverschuldung oder einer älter werdenden Gesellschaft anzunehmen. Wir sind kein Opfer sich wandelnder Zeiten; vielmehr wollen wir notwendige Veränderungen gestalten und dabei wirtschaftlich-technische Dynamik mit sozialer Teilhabe und Aufstiegsperspektiven für die Menschen in dieser Republik zusammenbringen.
Einen Gestaltungsanspruch erhebt auch die von mir vertretene Haushalts- und Finanzpolitik. Das erstreckt sich nicht nur auf die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Bereiche, die wichtig für die Zukunft dieses Landes sind. Dabei geht es vielmehr auch um die Fragen, wie wir mit eventuell unerwünschten Einflussnahmen staatlich gespeister großer Anlagefonds umgehen und wie wir feststellen können, ob dabei nationale Interessen in Mitleidenschaft gezogen werden. Oder nehmen Sie als hochaktuelles Beispiel die Möglichkeit von Staaten, verbindliche Regelungen zur Sicherung der internationalen Finanzstabilität zu verankern. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass die Liberalisierung und die enorme Dynamik des globalen Finanzsystems prinzipiell zu einer Machtverschiebung führen. Die Möglichkeiten einzelner Staaten werden tendenziell geringer, Regeln zu setzen und zu überwachen, nach denen das globale Finanzsystem funktioniert. Gleichzeitig bekommen private Anlage- und Renditeinteressen mehr Durchsetzungsmacht.
Diese Machtverschiebung an sich ist für mich kein Grund dafür, dass Staaten als Interessensachwalter des Gemeinwohls der jeweiligen Gesellschaften die Segel streichen und das Schicksal des globalen Finanzsystems allein der Logik einer weltweit agierenden Finanzindustrie überlassen. Notwendig ist vielmehr, dass die Staatengemeinschaft in den Stand versetzt wird, auf Augenhöhe mit der Finanzindustrie zu sein und internationale Regeln zu vereinbaren. Man kann sie Standardsetzungen, Guidelines oder Verhaltenskodex nennen, wie auch immer. Das geht aber nur in entsprechenden internationalen Gremien wie der Eurogruppe, im Ecofin-Rat oder im Rahmen der G 7 oder des Internationalen Währungsfonds. Es wird nicht durch Kraftmeierei auf den heimatlichen Marktplätzen gehen.
Die Chancen, hier voranzukommen - es ist diese Bundesregierung gewesen, die während ihres G-7-Vorsitzes und ihrer EU-Ratspräsidentschaft zum ersten Mal diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt hat -, stehen besser denn je. Das erhoffe und erwarte ich unter dem Eindruck der jüngsten Turbulenzen und krisenhaften Zuspitzungen. Auch im angloamerikanischen Raum wird zunehmend wahrgenommen, dass die potenziellen systemischen Risiken auf die Finanzmärkte zurückschlagen könnten und dass man im Sinne von Prävention und Prophylaxe Vereinbarungen mit der Finanzindustrie treffen muss.
Wir haben in diesem Land einen guten Zwischenstand erreicht. Die guten Zahlen des Jahres 2007 dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Problemdruck im Kessel nach wie vor hoch ist. Die guten Nachrichten vom Arbeitsmarkt oder aus der Wirtschaft dürfen nicht wie Valium wirken, sondern müssen Adrenalin für weitere Anstrengungen sein. Dabei ist es leicht, aber für das breite Verständnis der Bevölkerung für Reformen eine sehr schädliche Haltung, anderen viel abzuverlangen, zum Beispiel den Gürtel enger zu schnallen, wenn man selber ziemlich beleibt ist. Die radikalsten Reformrufer - weg mit der Erbschaftsteuer; runter mit dem Einkommensteuerspitzensatz; weg mit dem Kündigungsschutz; Streichung von Sozialleistungen - sind in meinen Augen die größten Reformblockierer, weil ihnen der Sinn für gesellschaftlichen Ausgleich, der Sinn für gesellschaftliche Balance - man kann auch sagen: der Sinn für soziale Gerechtigkeit - verloren gegangen ist.
Das gilt umso mehr, als wir wissen, dass der Aufschwung in den letzten zwei Jahren noch immer in erster Linie jenen zugute kommt, die einen qualifizierten Arbeitsplatz haben, und dass er noch nicht ausreichend jenen zugute kommt, die seit über einem Jahr erwerbslos sind oder deren Niedriglöhne nicht ausreichen, ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Unterstützung zu bestreiten.
Das Bundeskabinett hat bei seiner Klausur in Meseberg das Programm für die kommenden zwei Jahre unter das Motto ?Aufschwung für alle“ gestellt. Das bedeutet für mich zuallererst deutlich weniger Arbeitslosigkeit und Chancengerechtigkeit vor allem für Kinder und Jugendliche bei der Bildung.
Dafür ist eine gestaltende Finanzpolitik nach meinem Verständnis bereit, Geld zur Verfügung zu stellen. Einen wichtigen Schritt haben wir bereits geschafft. Ein Aufschwung für viele - nicht für alle - ist in greifbarer Realität, zum Beispiel für die 800 000 Menschen, die seit Beginn dieser Legislaturperiode einen Arbeitsplatz gefunden haben, für die Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich heute erkennbar weniger Sorgen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes machen müssen, für alle, die mehr Lohn in der Lohntüte haben, weil es zum ersten Mal seit langem reale Lohnsteigerungen gibt, sowie für alle Kinder und junge Menschen, die von den Verbesserungen im Betreuungs- und Bildungsbereich profitieren. Das reicht von dem 4-Milliarden-Euro-Programm zum Ausbau der Tagesbetreuung in Grundschulen über die Förderung von Betreuungsplätzen der unter Dreijährigen bis hin zur Einrichtung zusätzlicher Studienplätze im Rahmen des Hochschulpaktes. Es gilt nicht zuletzt für die vielen Menschen in unserem Land, die durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit Gemeinsinn über Eigennutz stellen.
Deshalb haben wir mit unserem Programm ?Hilfen für Helfer“ zumindest ein Zeichen der Anerkennung gesetzt, auch materiell unterlegt. Aufschwung für alle bedeutet auch, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass sich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als bisher in Deutschland an ihren Unternehmen beteiligen können. Beide Koalitionsfraktionen arbeiten an diesem Thema.
Die für mich entscheidende Frage lautet: Gelingt es uns über die erreichten Zwischenerfolge hinaus dauerhaft, mehr Menschen an den positiven wirtschaftlichen Entwicklungen teilhaben zu lassen? Das ist nichts weniger als die Frage nach der Verbindung von Förderung der Wirtschaftsdynamik auf der einen Seite und der Förderung einer gerechten Gesellschaft auf der anderen Seite. Beides zusammenzubringen, ist die entscheidende politische Herausforderung.
Steuersenkungen auf Pump gehört nicht zu meiner Definition einer gerechten Gesellschaft.
Erstens ist die Staatsverschuldung generell die größte Umverteilung von unten nach oben, und zweitens sind Steuersenkungen auf Pump nicht generationengerecht.
Was wir jetzt brauchen, sind nicht Steuersenkungen auf Pump, sondern solide Haushaltspolitik verbunden mit mehr Zukunftsinvestitionen vor allem in Bildung, Forschung, Infrastruktur, Energieeffizienz und Klimaschutz. Unsere Verpflichtung gegenüber den ärmsten Ländern dieser Welt und gegenüber der Bundeswehr im Rahmen ihrer internationalen Mandate will ich bei dieser Gelegenheit nicht unerwähnt lassen.
Ich kann den Spannungsbogen nicht auflösen - ich habe den Eindruck, niemand kann ihn auflösen -, nämlich auf der einen Seite möglichst rasch keine neuen Schulden zu machen und parallel dazu in die wichtigsten Zukunftsfelder dieser Republik mehr zu investieren. Die in meinen Augen richtige, ausgewogene Balance macht den Erfolg aus. Diese verlieren wir, wenn wir die Steuern weiter senken, bevor wir keine neuen Schulden machen. Deshalb wird die Bundesregierung ihre bisherige erfolgreiche wirtschafts- und finanzpolitische Strategie - Sanieren, Investieren, Reformieren - fortsetzen.
Dass dieser Kurs nicht zur Disposition steht, wurde auch bei der Kabinettsklausur in Meseberg durch zwei wichtige und klare Bestätigungen unterstrichen. Erstens erhält die Haushaltskonsolidierung eine überragende Bedeutung, und zweitens bilden der Haushaltsplan 2008 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2011 den unverrückbaren Mindestrahmen für alle kostenwirksamen Vorschläge. In diesem Rahmen mag es aus Respekt gegenüber dem Souverän zu Veränderungen kommen. Finanzielle Spielräume für neue Maßnahmen ergeben sich nur dann, wenn es gegenüber den bisherigen Schätzungen zusätzliche Steuermehreinnahmen geben sollte. Von denen sollten wir allerdings, wie bisher erfolgreich in der Großen Koalition getan, den überwiegenden Teil zur beschleunigten Rückführung der Nettokreditaufnahme verwenden, dann aber auch einen anderen Teil, dem Gestaltungsanspruch der Koalition folgend, zur Verfügung stellen. Das ist uns gemeinsam bisher recht gut gelungen. Darauf haben wir uns gemeinsam verständigt.
Deswegen war ich auch wenig von manchen Stimmen in der Sommerpause begeistert. Einzelne fordern von mir noch mehr Tempo bei der Rückführung der Nettoneuverschuldung, während andere zur selben Zeit für Steuersenkungen oder für eine Aufstockung der Regelsätze beim ALG II - da gibt es eine völlig ungeklärte Aufstockungsproblematik - plädieren oder auch die Abschaffung des Soli fordern. Nur, um Ihnen einmal die Proportionen zu verdeutlichen: Der Soli steht ausschließlich dem Bundeshaushalt zu. Er dürfte nächstes Jahr 11 bis 12 Milliarden Euro betragen. Jemand, der für die Abschaffung des Soli plädiert, aus welcher momentanen Regung heraus auch immer, stellt so eben einmal 12 Milliarden Euro Einnahmen für den Bundeshaushalt infrage.
Derjenige, der den Soli um 1 oder 2 Prozentpunkte senken möchte, stellt 2 oder 4 Milliarden Euro zur Disposition. Wie soll ich bei solchen Vorschlägen mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung Kurs halten?
Eine solche Einstellung ist nicht gut. Auch folgende Arbeitsteilung in der Koalition ist nicht möglich: Die einen fordern fröhlich Unvereinbares, aber Populäres. Die andere Seite muss sich auf der mühsamen Ebene der Erklärungsarbeit bewegen und den Menschen sagen: Das geht nicht.
Das politische Muster darf nicht dem amerikanischer Gangsterfilme - ?good cop and bad cop“ - entsprechen. Im Zweifelsfall soll dann nämlich der Bundesfinanzminister der ?bad cop“ sein, und alle fragen mich, weshalb ich so unfreundlich aussehe.
Der Haushaltsentwurf 2008 und der Finanzplan bis 2011 sind Ausdruck unserer finanzpolitischen Strategie, den Haushalt einerseits zu sanieren und andererseits Impulse für Wachstum und Beschäftigung zu geben. Damit leistet die Bundesregierung bis zum Jahre 2010 ihren Beitrag, zum Beispiel das Drei-Prozent-Ziel bei der Forschung und Entwicklung zu erreichen. Hierzu stellen wir pro Jahr zusätzlich 220 Millionen Euro zur Verfügung. Zum 1. Januar dieses Jahres haben wir das Elterngeld eingeführt. Das Elterngeld ist übrigens deutlich höher als das Erziehungsgeld. Für das bisherige Erziehungsgeld waren, glaube ich, 2,6 Milliarden Euro veranschlagt, für das Elterngeld 4 Milliarden Euro. Die Menschen bekommen auf diese Weise also mehr Geld, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.
Aber wir wollen mehr. Unser Ziel ist, dass bis zum Jahre 2013 Betreuungsmöglichkeiten für 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren bereitstehen. Damit bekommen gerade die Kinder aus sozial schwachen Familien die Chance auf eine frühkindliche Betreuung und damit auf bessere Bildungschancen und Lebensperspektiven.
Der Bund hat deshalb sehr früh angeboten, sich mit 4 Milliarden Euro an den Gesamtkosten des notwendigen Ausbaus dieser Betreuungsplätze für die Kinder unter drei Jahren zu beteiligen. Auch wenn die Verhandlungen mit den Ländern zäh gewesen sind, freue ich mich zusammen mit der Kollegin Frau von der Leyen, dass uns eine Lösung mit den Ländern gelungen ist. Sie kennen diese im Einzelnen, weshalb ich Sie nicht mit vielen Zahlen belästigen muss. Uns ist sehr daran gelegen, diese 4 Milliarden Euro auf Investitionsförderung und die notwendige Unterstützung bei der Finanzierung von Betriebskosten aufzuteilen und das Ganze an einen Rechtsanspruch ab 2013 zu koppeln. Ich freue mich für die vielen Kinder und Eltern, die davon profitieren werden.
Für die Einrichtung eines Sondervermögens wird die Bundesregierung selbstverständlich einen Nachtragshaushalt vorlegen.
- Das war immer so selbstverständlich. Sie, Herr Fricke, mussten das nur noch einmal fordern, damit Sie eine Nachricht in den Zeitungen darüber finden.
Dieser Nachtragshaushalt wird sich allerdings nach Auffassung der Bundesregierung auf der Ausgabenseite ausschließlich auf die Einrichtung dieses Sondervermögens konzentrieren. Ich werde ihn im Lichte der aktuellen Steuerentwicklung - die nächste Steuerschätzung wird Anfang November stattfinden - zum gegebenen Zeitpunkt über das Kabinett dem Bundestag vorlegen.
Im zentralen Zukunftsbereich der Bildung werden wir die Bedingungen der Studierenden durch eine deutliche Anhebung der BAföG-Sätze verbessern. Der vorliegende Haushaltsentwurf sieht diesbezüglich gegenüber 2007 schon deutliche Mehrausgaben vor. Diese Erhöhung ist mir gerade vor dem Hintergrund der Einführung von Studiengebühren in vielen Ländern wichtig. Ich hoffe nämlich, dass wir damit verhindern können, dass immer mehr Jugendliche aus einkommensschwächeren Familien nicht in der Lage sind, zu studieren. Wir brauchen sie alle.
Die Akademikerquote in Deutschland ist nicht zu hoch, die Akademikerquote in Deutschland ist im internationalen Vergleich zu niedrig.
Die parlamentarischen Bestrebungen zu weiteren Erhöhungen sind mir sehr geläufig. Wenn der gesamte Rahmen des Haushalts dadurch nicht gesprengt wird, Herr Vorsitzender, nehme ich diese Bemühungen respektvoll zur Kenntnis.
Die Bundesregierung stellt sich ferner mit dem Energie- und Klimapaket den Herausforderungen des Klimawandels. Hierfür werden wir die Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten verwenden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Einnahmen - ich suche jetzt den Kollegen Gabriel auf der Regierungsbank - höher sind.
- Er ist auf der Klimakonferenz.
Wenn die Einnahmen aus dem Zertifikatehandel höher sein sollten, gibt es zusätzliche Spielräume, um das Energie- und Klimapaket zu finanzieren.
Die Bundesregierung legt einen Finanzplan vor, mit dem wir, die Bundesebene, realistischerweise spätestens im Jahre 2011 erstmals seit 40 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt erreichen werden. Jemand, der dies schon für das Jahr 2008 oder 2009 verspricht, der begeht den alten Fehler des Zweckoptimismus. Wenn es denn 2010 so sein sollte, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt haben, dann gebe ich einen aus:
für die beiden Koalitionsfraktionen zwei Flaschen Saint-Émilion - -
- Okay, je.
Die Oppositionsfraktion bekommen je eine Flasche Kalterer See.
- Es kann auch Lambrusco sein. Er ist vornehmlich deutscher Wein, wie ich vermute, große Lage.
Ich freue mich über die Tatsache, dass der gesamtstaatliche Haushalt, also der Haushalt von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen - es ist sehr schwer, dem Publikum den Unterschied zwischen Bundeshaushalt und gesamtstaatlichem Haushalt verständlich zu machen; die meisten setzen ?gesamtstaatlicher Haushalt“ mit ?Bundeshaushalt“ gleich -, wahrscheinlich schon im nächsten Jahr ausgeglichen sein wird. Dies wird jedenfalls früher als erwartet sein. Ich freue mich, dass nach Lage der Dinge 10 von 16 Ländern vor 2010 einen ausgeglichenen Haushalt haben können.
Festzuhalten ist allerdings, dass die Struktur des Bundeshaushalts ganz anders als die Struktur der Länderhaushalte aussieht und dass unsere diesbezüglichen Anstrengungen zur Erreichung dieses Ziels, insbesondere vor dem Hintergrund, dass 55 Prozent des Bundeshaushalts Sozialausgaben sind, sehr viel schwieriger sind.
Im Übrigen füge ich hinzu, dass die Haushaltslage von Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen sich deutlich günstiger als die Haushaltslage des Bundes entwickelt. Die Länder konnten bereits 2006 ihr Finanzierungsdefizit im Vergleich zu 2005 um - halten Sie sich fest! - 57 Prozent abbauen, während der Bund seines nur um 10 Prozent abbauen konnte.
Auch die Kommunen haben 2006 einen Haushaltsüberschuss von nahezu 3 Milliarden Euro erzielt, und das nach einem Finanzierungsdefizit von 2,2 Milliarden Euro ein Jahr zuvor. Erstmals seit 1989 konnten die öffentlichen Haushalte im ersten Halbjahr 2007 in gesamtstaatlicher Betrachtung, also bezüglich der vier von mir genannten Komponenten, einen Überschuss erzielen, was mich für die anderen Gebietskörperschaften freut. Dazu ist der Bund aber nach wie vor nicht in der Lage. Deshalb füge ich an dieser Stelle sehr bewusst hinzu: Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen ist meine Bereitschaft, Kompromisse mit den Ländern immer häufiger dadurch zu erzielen, dass der Bund der Zahlmeister ist, zunehmend unterentwickelt.
Wenn ich Ihnen angesichts dessen spätestens für 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt in Aussicht stelle, dann weiß ich, wie die Reflexe aussehen - Frau Hajduk deutet das gerade an -: Der Steinbrück ist nicht ambitioniert genug; der müsste viel ehrgeiziger sein; der macht es sich leicht; das ginge alles noch viel schneller.
Frau Hajduk, Sie brauchen mir gar nicht Ihr Manuskript zu geben. Diese Rede kann ich auch halten, nachts um drei auf Knopfdruck.
Das ist im parlamentarischen Schlagabtausch nun einmal so üblich. Rituelle Elemente sind gelegentlich nicht ganz von der Hand zu weisen.
Jeder Finanzminister ist sehr gut beraten, den Mund nicht zu voll zu nehmen. Die Erfahrung vieler Finanzminister zeigt einem, dass die Bürger dies zu würdigen wissen, weil sie des Wortgeklingels in diesem Zusammenhang gelegentlich ziemlich müde sind.
Ich bleibe dabei: Gerade die Finanzpolitik muss von realistischen, eher vorsichtigen Annahmen getragen sein, so wie wir das im Koalitionsvertrag verabredet haben und so wie wir das als Große Koalition bisher immer gehandhabt haben, und zwar mit einer wichtigen vertrauensbildenden Auswirkung: Wir haben uns am Ende der vergangenen Jahre zugunsten und nicht mehr zulasten der Bundesrepublik Deutschland verschätzt, und dies ist für die weiteren Debatten vertrauensbildend.
Haushaltsausgleich 2011 oder früher, fest steht: Mit dem vorliegenden Finanzplan haben wir - auch wenn es pathetisch klingt - eine historische Chance, nämlich die Chance, nach 40 Jahren Politik auf Pump aus dem Hamsterrad einer immer weiter steigenden Verschuldung mit einer entsprechenden Zinslast - wir zahlen nach wie vor über 40 Milliarden Euro Zinsen - herauszukommen. Diese Verschuldung drückt uns aktuell mit 1 500 Milliarden Euro.
Das ist eine Zahl, die kein Mensch mehr verstehen kann. 1 500 Milliarden Euro Schulden, das bedeutet, dass jeder Bürger in Deutschland - 80 Millionen Einwohner, vom Baby bis zum Greis - Schulden in der Größenordnung des Wertes eines Mittelklassewagens von 18 000 bis 20 000 Euro hat. Das ist das, was auf uns gemeinsam lastet.
Dafür fallen immer mehr Zinsen an. Die Zinsen sind inzwischen der zweitgrößte Ausgabenblock. Sie liegen uns wie eine Schlinge um den Hals. Wenn wir von diesem Zinsblock herunterkämen, hätten wir mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Familie, mehr Geld für Infrastruktur, mehr Geld für die Zukunftsinvestitionen, von denen unser zukünftiger Wohlstand und unsere zukünftige Wohlfahrt abhängen.
Wir haben die historische Chance, damit aufzuhören, unseren Kindern und Enkelkindern immer mehr Wackersteine in den Rucksack für ihr Leben zu legen - will sagen: immer mehr Lasten aufzubürden -, übrigens zusätzlich zu den Lasten einer älter werdenden Gesellschaft. Eines ist klar: In dem Umfang, in dem wir das nach wie vor tun, führt das zu einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben.
Wir sind deshalb in meinen Augen an einer entscheidenden finanzpolitischen Wegmarke angelangt, die eine klare politische Entscheidung von uns verlangt. Zugespitzt - das gebe ich zu - lautet die Alternative für die Finanzpolitik: kurzfristiger Rausch oder langfristige Rendite. Wir können uns entscheiden: Geben wir weiter Geld mit vollen Händen aus, solange der Aufschwung trägt, und vergrößern wir den Schuldenberg immer noch, oder machen wir im Hinblick auf konjunkturell mal wieder schlechtere Zeiten - hoffentlich später als früher - jetzt Ernst mit dem Einstieg in den Schuldenabbau und vergrößern damit Schritt für Schritt und langfristig unsere finanzpolitischen Gestaltungsspielräume?
Andere Länder haben das geschafft. Die Finnen haben es geschafft. Die Schweden haben es geschafft. Warum soll die Bundesrepublik Deutschland dies nicht schaffen? Mir ist sehr bewusst, dass es natürlich auch in diesem Hohen Haus einige gibt, die es sich leicht machen und den Menschen vormachen, sie bräuchten sich nicht für eine Alternative zu entscheiden und bräuchten sich nicht anzustrengen. Ich meine jene, die vielen alles versprechen - das kann ich auch -: den Rentnern, den Facharbeitern, den Arbeitslosen, den Familien - ganz wie in der Werbung: Ich will alles, und zwar gleich. - Eine solche Rede zu halten, fällt nicht schwer. Allerdings: Ohne dabei auf die Rechnung zu schauen, die ja irgendjemand bezahlen muss, ist es eine nicht sehr aufrichtige politische Rede.
Ich danke der SPD-Bundestagsfraktion dafür, dass sie das einmal ausgerechnet hat. Allein die Forderungen von PDS oder Linken summieren sich auf eine stattliche Mehrausgabensumme von 155 Milliarden Euro pro Jahr. Wenn wir alle diese Forderungen berücksichtigen würden, müsste der Bundeshaushalt um 54 Prozent steigen. Das würde die Belastbarkeit der Unternehmen, insbesondere der mittelständischen Unternehmen, und der Mittelschicht zerstören. Diese Gruppen brauchen wir aber dringend, weil sie die Solidarität gewähren und bezahlen müssen, die wir doch leisten wollen. Sie würden davon als Erste betroffen werden.
Mit Ihren Rezepten - hohe Lohnzusatzkosten, höhere Steuern, Einschränkung des Wettbewerbs - würden Sie Arbeitsplätze und damit Wohlstand in Deutschland vernichten, weil Sie nicht nur die sogenannten Reichen, diese Schimäre, treffen, sondern ganz empfindlich den gesamten Mittelstand in der Bundesrepublik Deutschland.
Ich will nur zwei Beispiele für die wirtschaftlichen Widersprüche erwähnen, die sich dort auftun:
Erstens. Ihr Vorschlag zur Änderung des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer. Diese Änderung des Tarifverlaufs hätte nicht nur Einnahmeverluste von 12 Milliarden Euro zur Folge - das wäre noch nicht einmal der entscheidende Punkt -; Sie würden damit auch die Mittelschichten massiv zur Kasse bitten;
denn nach Ihrem Tarif wäre die Grenzsteuerbelastung schon ab einem zu versteuernden Einkommen von 39 600 Euro deutlich ungünstiger als bei dem, was heute gilt. Sie würden damit die Facharbeiterebene treffen.
Zweitens. Ihr Vorschlag, die Rentenreformen von 2001 und 2004 sowie die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters rückgängig zu machen. Natürlich weiß ich, dass niemand gern länger arbeitet. Natürlich weiß ich, dass wir alle weniger Steuern zahlen wollen. Ihr alle zahlt aber ganz richtig und angemessen Steuern.
Ihr Vorschlag ist generationenungerecht. Die heutigen 40-Jährigen und die Jüngeren wissen ganz genau, dass sie länger arbeiten müssen, weil anders alles nicht zu bezahlen ist. Darüber ist natürlich niemand begeistert, aber es ist unverantwortlich, so zu tun, als ob man es ändern könnte.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie mit einer solchen Voodoo-Ökonomie nicht sehr weit kommen. Die Menschen haben ein sehr feines Gespür dafür, was Mogelpackungen sind, nicht nur in der Werbung, sondern auch in der Politik. Die Menschen wissen, dass es nichts umsonst gibt. Die Menschen wissen, dass man zwar heute über seine Verhältnisse leben kann, aber eines Tages dafür die Rechnung zu bezahlen hat.
Meine Damen und Herren, eine robuste Konjunktur, gestützt von einer erfolgreichen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Großen Koalition, ein ausgeglichener Haushalt - jedenfalls in greifbarer Nähe -: Man könnte glauben, all das müsste den Finanzminister sehr zufrieden stellen. Aber es fehlt noch etwas. Auf dem Weg zu dauerhaft tragfähigen öffentlichen Finanzen kann das nur ein erster Schritt sein. Schon die erste Große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich unter maßgeblicher Mitwirkung von Karl Schiller und Franz Josef Strauß an die Reform der Finanzverfassung gemacht. Das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz vom Juni 1967 ist ziemlich genau 40 Jahre her. Zwei Jahre später fand diese Reform mit der übrigens heute noch gültigen Schuldenregel in Art. 115 Grundgesetz ihren Abschluss.
Der Unterschied zwischen damals und heute beträgt 900 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um den Anstieg der Verschuldung allein des Bundes, nämlich von 24 Milliarden Euro 1967 auf 930 Milliarden Euro heute. An dieser Tatsache wird deutlich, dass wir als zweiten Schritt nach dem Erreichen eines strukturell ausgeglichenen Haushalts eine neue Schuldenregelung in unserer Verfassung brauchen.
Diese Schuldenregel muss verhindern, dass in dem Augenblick, wo das strukturelle Defizit endlich null beträgt, wir dieselben Fluchtbewegungen wie früher auch unternehmen und in die Spiralbewegung einer wieder zunehmenden Verschuldung hineingeraten. Sinn der neuen Schuldenregelung ist, das zu verhindern.
Es ist heute vielleicht noch zu früh, ein bestimmtes Modell für diese Schuldenregel vorzustellen. Ich freue mich jedoch, dass es in den Debattenbeiträgen hierzu zunehmend Annäherung auch zwischen den beiden Koalitionsfraktionen gibt. Aus meiner Sicht muss eine Neuregelung des Art. 115, die in dieser Legislaturperiode mit den uns zur Verfügung stehenden Mehrheiten im Bundesrat und Bundestag erreicht werden muss, folgenden Kriterien genügen:
Erstens sollte sie mit den Bestimmungen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes in Übereinstimmung zu bringen sein.
Zweitens. Sie muss eine ökonomisch plausible Begrenzung der strukturellen Neuverschuldung sicherstellen.
Drittens. Sie muss auch ein Atmen der öffentlichen Haushalte bei konjunkturellen Veränderungen oder bestimmten Notlagen, zum Beispiel nach einer Flutkatastrophe, ermöglichen.
Viertens muss sie insbesondere gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern glaubwürdig in dem Sinne sein, dass ihre Einhaltung wirksam kontrolliert und sanktioniert wird.
Die Ausrufung der Abwehr des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichtes alleine darf nicht mehr ausreichend sein, um die Ausnahmemöglichkeiten des Art. 115 in Anspruch zu nehmen. Wie wir damit bisher umgegangen sind, war doch zu leichtfüßig.
Wie Sie wissen, wird in der öffentlichen Diskussion das Thema Schuldenregel mit der Frage der Haushaltsnotlagenproblematik diskutiert. In der Tat, wenn es uns gelingt, die gesamtstaatliche Nettoneuverschuldung wirksam zu begrenzen und einzudämmen, werden wir damit natürlich auch automatisch Haushaltsnotlagen bei uns und in den Ländern verhindern können. Wir haben in der gegenwärtigen politischen Konstellation und mit dem günstigen konjunkturellen Rückenwind die, wie ich glaube, seltene, vielleicht sich über lange Jahre nicht wieder auftuende Chance, entscheidende Schritte in Richtung dauerhaft tragfähiger öffentlicher Finanzen zu gehen.
Wir dürfen diese in meinen Augen kostbare Chance für eine grundlegende Reform der Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland nicht verpassen, sondern müssen sie entschieden und konsequent nutzen: Für unser Land und seine Menschen hängt davon sehr viel ab.
Meine Damen und Herren, gute Handwerker wissen: Ein Dach deckt man am besten, solange die Sonne scheint. Wir haben jetzt während eines guten konjunkturellen Wetters die historische Chance, unsere Haushalte finanziell in Ordnung zu bringen. Ich stelle die Frage, wer nachfolgenden Generationen erklären möchte, warum wir heute nicht konsequent genug waren, einen nachhaltigen Weg zu beschreiten, obwohl wir mitten in einer erfreulichen Wachstumsphase sind. Wer will dies unseren Kindern und Enkelkindern erklären? Ich für meinen Teil möchte das nicht.
Wenn wir beim nächsten konjunkturellen Abschwung nicht sofort wieder in die Schuldenfalle, in dieses Hamsterrad, hineingeraten wollen, müssen wir heute vorsorgen und den Weg einer soliden Haushaltspolitik gehen.
Der Entwurf für den Haushalt 2008 und für die mittelfristige Finanzplanung geht diesen Weg. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diesen Weg gemeinsam mit der Bundesregierung gehen würden.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst für die FDP-Fraktion dem Kollegen Jürgen Koppelin.
Jürgen Koppelin (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesfinanzminister, ich will gar nicht so sehr auf Ihre Rede eingehen. Man hatte den Eindruck, Sie hatten drei Redenschreiber: einen aus dem Finanzministerium, einen aus dem Willy-Brandt-Haus und einen aus der Bundestagsfraktion der SPD; so war das anscheinend aufgeteilt. Dass Sie Ihrer SPD-Bundestagsfraktion die Weltwirtschaft erklären müssen, ist Ihre Sache; vielleicht haben die es nötig.
Ich will auf einen Punkt eingehen, weil Sie da die große Keule vor allem gegen die FDP und Kollegen meiner Fraktion herausgeholt haben. Wissen Sie, Herr Bundesfinanzminister: Sie sind der schlechteste Kronzeuge für Glaubwürdigkeit. Sie, Ihre Fraktion und Ihre Partei haben vor der Bundestagswahl erklärt, die Merkelsteuer, also eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, komme mit Ihnen auf keinen Fall infrage. Anschließend haben Sie die Mehrwertsteuer jedoch um drei Punkte angehoben. Wenn Sie das den Wählern vorher gesagt hätten, säßen in Ihren Reihen 40 Abgeordnete weniger.
Eigentlich sind es gute Zeiten für einen Finanzminister: Die Einnahmen des Bundes sprudeln, die Medien berichten sogar von Überschüssen. Außerdem haben wir - in dem Punkt hat der Bundesfinanzminister recht - eine gute Konjunktur; das schafft Steuereinnahmen. Aber für diese gute Konjunktur - das ist mit keinem Wort erwähnt worden; wenn man aber als Bundesregierung selbstkritisch ist, hätte man das eigentlich tun müssen - haben Sie selber keinen Handschlag getan. Dafür ist die Wirtschaft verantwortlich. Ich will ausdrücklich auch die Gewerkschaften loben, die mit moderaten Abschlüssen bei den Gehältern dazu beigetragen haben. Was wäre, wenn diese Bundesregierung etwas getan hätte? Dann hätten wir ja noch mehr Steuereinnahmen.
In diesem Zusammenhang muss man die Aktivitäten des Bundesfinanzministers und der Bundesregierung sehen: Sie haben die Mehrwertsteuer um drei Punkte angehoben. Da haben Sie ordentlich abkassiert; das gilt auch für Sie, Herr Kauder. Und weil der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung beim Abkassieren gerade in Übung waren, haben sie das auch bei der Bundesagentur für Arbeit getan. So wollen Sie Ihren Haushalt sanieren; so kommt es zu diesen Mehreinnahmen.
Aber man fragt sich - darauf sind Sie mit keinem Wort eingegangen -: Wie kommt eine Bundesregierung dazu, jetzt weitere Ausgaben zu beschließen, vor allem im sozialen Bereich, die auch Folgekosten nach sich ziehen werden, und zwar fast in der Höhe, in der Sie jetzt Schulden aufnehmen? Insofern hat der Kollege Hermann Otto Solms recht: Sie machen immer wieder neue Haushaltslöcher auf. Sie sind nicht in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, obwohl der Haushalt 2008 nach unserer Auffassung ohne Neuverschuldung möglich gewesen wäre.
Nun kann man politisch zu Dingen stehen, die Sie als Koalition beschlossen haben. Wer wollte gegen Krippenplätze sein? Aber solche Vorhaben müssen solide finanziert sein und dürfen nicht durch neue Schulden gedeckt werden. Die Kollegin von der Leyen aus Ihrer Koalition hat natürlich etwas Gutes im Sinn gehabt; aber eines hat sie nicht bedacht, was aber für eine Familienministerin ganz wichtig wäre: Diejenigen, die eines Tages einen Krippenplatz bekommen und sich darüber wahrscheinlich freuen, werden, wenn sie arbeiten, diesen Krippenplatz selber bezahlen müssen, weil Sie dann so viel Schulden aufgenommen haben. Da haben Sie als Familienministerin eine große Verantwortung, auch gegenüber den jungen Generationen, die die Schulden bezahlen müssen, die Ihr Finanzminister und diese Koalition auftürmen.
Man könnte weitere Beispiele nennen. Der Bundesfinanzminister ist zum Beispiel überhaupt nicht darauf eingegangen, wie er zukünftig all das finanzieren will, was mit der Gesundheitsreform beschlossen wurde; ich erinnere an die erheblichen Steigerungen. Hier muss der Bund Milliarden in die Gesundheitskasse zahlen. Gleichzeitig wollen Sie einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wie wollen Sie das bezahlen? Das ist auch heute noch nicht geklärt; dazu sagen Sie kein Wort. Sie gehen davon aus, dass die Konjunktur weiterhin so positiv verläuft, wie es heute der Fall ist. Über den heutigen Zustand freuen wir uns natürlich. Aber Sie erkennen nicht, dass am Horizont durchaus kritische Dinge zu beobachten sind.
Wer sagt uns, dass die Konjunktur so bleibt, wie sie zurzeit ist? Es gibt Anmerkungen der Bundesbank und anderer Einrichtungen, die sehr kritisch darauf hinweisen, dass die Konjunktur nicht so weiterlaufen wird. Herr Minister, Sie selbst haben auf bestimmte Schwächen hingewiesen und die Probleme der IKB genannt. Man hätte auch noch auf die Probleme der Sachsen-LB hinweisen können. Das sind Anzeichen, die man ernst nehmen muss. Sie aber tun so, als hätten wir weiterhin eine gute Konjunkturentwicklung. Wir alle hoffen dies, da sind wir mit Ihnen. Man hat aber darauf zu achten, dass es für die Konjunktur auch Risiken geben kann. Zu den Schwächen der Konjunktur sage ich: Sie tun so, als hätte die Mehrwertsteuererhöhung überhaupt nichts Negatives gebracht. Dabei lassen Sie aber völlig außer Acht, dass das Konsumklima in Deutschland und damit auch die Binnenkonjunktur nachgelassen haben. Schauen Sie sich nur einmal an, was in der Bauwirtschaft los ist. Die Probleme dort kommen von der Mehrwertsteuererhöhung. Das können Sie nicht leugnen.
Herr Bundesfinanzminister, Sie sind nicht mit einem Wort auf die Ausgabenseite eingegangen. Warum haben Sie sich nicht die Ausgabenseite angeschaut? Wir Freien Demokraten haben Jahr für Jahr ein Sparbuch vorgelegt und Ihnen gesagt, wo man Einsparungen vornehmen könnte. Nach unserer Auffassung könnte man in diesem Haushalt mindestens 5 Milliarden Euro einsparen. Von Ihrer Seite gibt es hier keinerlei Anstrengungen. Stattdessen gibt es eine Ausgabensteigerung.
Da Sie unsere Vorschläge immer so schnell wegwischen, nenne ich einige Punkte: Warum mussten die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung noch einmal gesteigert werden? Wieso muss es Entwicklungshilfe für China geben? Wieso bekommen Organisationen Geld, die sich für Fledermäuse einsetzen? Das sind nur kleine Beispiele. Wieso muss die Bundeswehr weiter Munitionskästen instand setzen, die sie überhaupt nicht braucht? Wieso müssen Deutsche beraten werden, die ins Ausland abwandern wollen? All das zahlen wir aus dem Bundeshaushalt. Ich könnte auch in die Richtung der Frau Entwicklungshilfeministerin schauen, die kürzlich in Syrien Entwicklungshilfe versprochen hat. Ich dachte, das sei ein Schurkenstaat. Sie tätigt noch andere Ausgaben, aber darüber werden wir uns im Rahmen der Haushaltsberatungen noch unterhalten.
Herr Bundesfinanzminister, ich komme zu einem Punkt, der gerade uns Freien Demokraten wichtig ist. Ich sage dies, damit Sie sehen, wo Sie Geld sparen könnten. Ihre sozialdemokratische Fraktion äußert sich jetzt in der Öffentlichkeit zur Forderung nach Onlinedurchsuchungen durch Innenminister Schäuble. Die dort vertretene Ansicht ist auch unsere Meinung. Wir begrüßen das. Endlich unterstützen Sie uns hier.
Wie sind Sie eigentlich dazu gekommen, Herrn Schäuble im Jahr 2007 und in diesem Bundeshaushalt das Geld für die Onlinedurchsuchung zu geben? Die Sozialdemokraten haben im Haushaltsausschuss und hier im Plenum des Deutschen Bundestages zugestimmt. Tun Sie doch nicht so, als seien Sie dagegen!
Also: Kümmern Sie sich um die Ausgabenseite! Darauf haben Sie nicht einen Blick geworfen.
Man muss feststellen, dass die Ausgabenseite des Bundeshaushalts um 5 Prozent wächst. Das hätten Sie als Finanzminister nicht zulassen dürfen. Das ist doch unverantwortlich. Sie wären in der Lage gewesen, für 2008 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Das haben Sie nicht getan. Vielleicht hat ein Machtwort der Kanzlerin gefehlt, vielleicht konnten Sie sich auch nicht wehren. Sie sind nach der Methode verfahren: Wenn der schwarze Minister etwas bekommt, dann muss auch die rote Ministerin etwas haben; wenn die schwarze Ministerin etwas bekommt, dann muss auch der rote Minister etwas bekommen. Am Ende hatten wir eine Ausgabensteigerung von 5 Prozent. Man kann ganz offen sagen: Die Koalition war in allerbester Spendierlaune. Sie hat Geld ausgegeben, weil sie die Steuerschätzung gesehen hat. Sie hat Geld ausgegeben, das sie noch nicht in der Tasche hat. Ich wiederhole: Von der Kanzlerin gab es kein Wort dazu. Auch unter dem Stichwort Glaubwürdigkeit sage ich: Frau Bundeskanzlerin, hatten Sie nicht im Wahlprogramm der Union vor der Bundestagswahl auch versprochen, die Menschen in unserem Land zu entlasten und ihnen Geld zurückzugeben? Nichts davon ist geschehen. Sie haben die Menschen stärker belastet. Auch das ist ein Beispiel zum Thema Glaubwürdigkeit.
Für uns als Freie Demokraten ist es wichtig, dass wir es bei den Haushaltsberatungen schaffen, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Wir sind bereit, dazu unseren Beitrag zu leisten, auch wenn damit unangenehme Entscheidungen und Anträge verbunden sind, durch die es zu Streichungen kommt. Wir erwarten aber auch von der Koalition, dass sie Beiträge dazu leistet. Ich weiß, dass die Haushaltspolitiker der Koalition vielleicht dazu bereit wären. Ich achte dies. Wir wollen sehen, was Sie im Haushaltsausschuss machen. Herr Bundesfinanzminister - -
- Hallo!
Die vergangenen Wochen und Monate haben gezeigt, dass die Koalition und die Regierung zu solchen Beiträgen nicht in der Lage waren. Hier setzen wir auch auf die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben Ihrer eigenen Partei kürzlich eine Heulsusenmentalität vorgeworfen. Ich kann nur sagen: Sie hätten mit gutem Beispiel vorangehen können. Sie hätten Ihrer Fraktion Mut machen können. Sie hätten sagen können: Ich, der Finanzminister, bin in der Politik hart. - Das wäre positiv gewesen. Vielleicht hätten Sie die Heulsusenmentalität in Ihrer Fraktion damit ein Stück weit abbauen können.
Die Ratschläge von Bundesbank und Finanzplanungsrat sind in den Wind geschlagen worden. Die Bürger werden das teuer bezahlen müssen, wenn man nicht Änderungen am Haushalt 2008 vornimmt.
Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Michael Meister.
Dr. Michael Meister (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal fühle ich mich als Vertreter der Großen Koalition und der Unionsfraktion durch den Redebeitrag des Kollegen Koppelin bestärkt. Wir haben gesehen: Die Große Koalition legt ein geschlossenes Konzept vor, um das Wachstum zu stärken, den Haushalt zu konsolidieren und die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Wir haben punktuelle Kritik, aber kein Alternativkonzept gehört. Daraus schließe ich, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind und dass wir Kurs halten sollten.
Ich möchte ausdrücklich, auch für meine Fraktion, sagen, dass ich Dank und Anerkennung für die Akteure am Finanzmarkt teile. Wir haben in den vergangenen Tagen und Wochen einige Turbulenzen erlebt. Ich glaube, das besonnene und überlegte Verhalten der Akteure hat dazu geführt, dass der Schaden begrenzt werden konnte und wir in der Lage sind, mit Blick auf den Finanzplatz Deutschland gestärkt aus diesen Turbulenzen hervorzugehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang das, was Herr Steinbrück gesagt hat, im Namen meiner Fraktion ausdrücklich unterstreichen. Wir sind gut aufgestellt und befinden uns auf einem guten Weg. Wir sollten in Ruhe überlegen, welche Konsequenzen notwendig sind, um uns für die Zukunft weiter zu stärken.
Ich will eine zweite Feststellung treffen. Zum einen ist der Finanzmarkt, der auch Arbeitgeber ist, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zum anderen gibt es indirekte Auswirkungen auf die Realwirtschaft bei der Finanzierung. Wir müssen sehr aufpassen und dafür sorgen, dass wir die angesprochenen Risiken weiter begrenzen. Wir dürfen aber nicht verhindern, dass sich Unternehmen weiterhin vernünftig - und zwar außerhalb der Fremdkapitalschiene - finanzieren können. Die Möglichkeit, sich Zugang zu neuem Eigenkapital zu verschaffen, dürfen wir nicht beschneiden, sondern diese müssen wir ausbauen. Darin liegt ein massiver Beitrag zu mehr Wachstum, zu mehr Arbeitsplätzen und zu mehr Chancen für unser Land.
Angesichts unserer Debatte über den Haushalt 2008 möchte ich Folgendes zitieren:
In der Politik gibt es einen unstillbaren Drang, sich zu verschulden, weil die Kosten von den Nachkommenden getragen werden, der Nutzen aber in der Gegenwart anfällt.
So der Staatsrechtler Hans Meyer, ehemaliger Präsident der Humboldt-Universität.
Die Große Koalition tritt mit dem Haushaltsentwurf 2008 den Beweis des Gegenteils an. Wir wollen damit Schluss machen, dass der Nutzen von heute zulasten zukünftiger Generationen geht. Damit muss es ein Ende haben. Deshalb setzen wir uns für Haushaltsausgleich ein - nicht einmalig, sondern dauerhaft und nachhaltig. Das muss unser Ziel sein.
Wir werden den Staatshaushalt voraussichtlich im nächsten Jahr ausgleichen. Wir werden es aber - auch das haben wir schon gehört - für den Bundeshaushalt nicht schaffen. Ich möchte ob der Diskussion der letzten Tage eine Bemerkung dazu machen. Wenn Sie die Finanzplanung bis 2011 und den Haushalt 2008 mit dem vergleichen, was wir vor einem Jahr zum Bundeshalt 2007 diskutiert haben, dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass in der jetzigen Vorlage eine Reduzierung der Schuldenaufnahme über den gesamten Finanzplanungszeitraum von 54 Milliarden Euro gegeben ist.
Wer sagt, hier werde nichts Erhebliches geleistet in Richtung Konsolidierung, wer fordert, wir müssten kurzfristig noch mehr tun, der erkennt nicht an, welche riesige Leistung dahintersteht. Ich glaube, wir sollten im Sinne von Glaubwürdigkeit und Vertrauen darauf setzen, dass wir das, was wir ankündigen, auch einhalten können, und sollten nicht Versprechen machen, bei denen wir nicht die Gewähr dafür bieten können, dass sie eingehalten werden. Deswegen plädiere ich für einen weiterhin seriösen und vernünftigen Kurs. Er schafft Vertrauen und die Grundlage für neues Wachstum. Diesen Kurs wollen wir erfolgreich fortführen.
Wir müssen natürlich nicht nur das Delta bei der Finanzierung betrachten und es auf null zurückführen, sondern wir müssen auch die Belastungen der Menschen sehen. Hier wird gelegentlich suggeriert, als würde die Belastung ansteigen. Natürlich haben wir einige Zumutungen auf den Weg gebracht. Diese waren aber ob der Haushaltssituation, die wir vorgefunden haben, notwendig. Aber es ist auch richtig, dass die Belastung der Menschen in dem Haushalt, den wir jetzt beraten, auf den Stand zurückgeführt wird, wie wir ihn 1989, vor der deutschen Wiedervereinigung, hatten. Das, was Gerhard Stoltenberg damals erreicht hat, erreichen wir jetzt wieder. Dazu müssen wir den Menschen sagen: Auch damit werden Rahmenbedingungen geschaffen, die es wieder attraktiv machen, in Deutschland etwas zu leisten, etwas zu unternehmen, etwas zu tun. Betrachtet man die Gesamtbilanz, heißt das: Wir belasten die Menschen nicht, sondern entlasten sie.
Herr Koppelin, ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren, dass wir nicht allein für die Verbesserung der Situation verantwortlich sind; ich habe die Stichworte ?Vertrauen“ und ?Glaubwürdigkeit“ genannt. Ich will daran erinnern: In Genshagen wurde das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung beschlossen. Es wurde übrigens von Ihnen nicht unterstützt. Es hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dass gerade im Mittelstand in Deutschland die Konjunktur angesprungen ist, neue Bewegung hineinkam und Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht redlich, einerseits zu sagen: ?Die Koalition hat kein Verdienst am jetzigen Aufschwung“, und andererseits die Maßnahmen, die dazu beigetragen haben, zu kritisieren. Sie sollten sich einmal für eine Linie und für die Wahrheit entscheiden.
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass wir diesen Kurs weiterführen sollten. Dies bedeutet zusätzlich dazu, dass wir die Konjunktur angeschoben haben, den Klimaschutz anzugehen. In diesem Zusammenhang werden wir gerade im mittelständischen Bereich die Situation verbessern, indem wir die Förderprogramme zur CO2-Einsparung mit Maßnahmen zum Beispiel des Gebäudesanierungsprogramms so verbinden, dass dies auch wirtschaftlich eine positive Auswirkung hat. Das Ganze ist deshalb kein Widerspruch, sondern ergänzt sich und trägt sich gegenseitig.
Wir sollten auch darüber reden, was das alles den Menschen bringt. Wenn wir die Ausbildungsplatzlage im Lande anschauen, dann ist festzustellen: Sie ist besser als vor einem Jahr. Sie ist nicht zufriedenstellend; aber sie ist besser. Das heißt, junge Menschen haben größere Chancen, eine Ausbildung zu finden und damit ihre Existenz zu sichern. Die Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, ist besser als vor einem Jahr. Im Vergleich zu der Lage vor zwei Jahren sind 1 Million Menschen weniger arbeitslos. Das heißt, auch hier wurden die Chancen gesteigert.
Mittlerweile kommt bei denjenigen, die eine Beschäftigung haben, auch etwas im Geldbeutel an. Wir haben den Arbeitslosenversicherungsbeitrag gesenkt und wollen dafür sorgen, dass er weiter sinkt. Frau Bundeskanzlerin, hierzu sage ich: Mir geht der Beschluss von Meseberg nicht weit genug. Ich bin für einen niedrigeren Beitragssatz als den geplanten von 3,9 Prozent, nämlich für einen Beitragssatz von 3,5 Prozent.
Dieser Satz sollte nachhaltig und dauerhaft gesenkt werden, um den Menschen etwas zugutekommen zu lassen und die Arbeitsplätze zu sichern.
Wir haben eine Unternehmensteuerreform zustande gebracht, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandortes Deutschland und des Arbeitsplatzstandortes Deutschland wesentlich verbessert. Hierzu will ich sagen: Auch das muss im Haushalt finanziert und abgebildet werden. Darüber besteht mittlerweile keine Diskussion mehr. Wir haben das mit eingebaut.
Ich will darauf hinweisen, dass wir jetzt natürlich überlegen müssen: Wo können überhaupt neue Arbeitsplätze entstehen? Da haben wir zum einen den Bereich Forschung und Entwicklung. Trotz der Tatsache, dass wir ein Staatsdefizit haben, trotz der Tatsache, dass wir sparen müssen, versuchen wir, die Haushaltspositionen im Bereich Forschung, Innovation und Entwicklung zu stärken und dort das 3-Prozent-Ziel von Lissabon zu erreichen. Wir, die Unionsfraktion, stehen ausdrücklich dahinter. Denn wir sind der Meinung: An dieser Stelle können wir im Hinblick auf Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts und Zukunftschancen nur gewinnen. Dies ist gut ausgegebenes Geld. Wir setzen es an dieser Stelle gerne ein.
Es gibt einen weiteren Bereich. Wir werden nicht nur versuchen können, an der Spitze Arbeitsplätze zu schaffen. Wir müssen auch versuchen, in anderen Bereichen, gerade bei den Dienstleistungen, mehr Arbeitsplätze zu generieren. Deshalb werben wir dafür - wir hoffen, dass wir auch in der Koalition hierbei zu einem Ergebnis kommen -, den Bereich der Privathaushalte als Arbeitgeber weiter zu stärken. Dies sollte einerseits im Sinne der Vereinfachung der Regelungen, die es dort gibt, geschehen und andererseits zur Erhöhung des Volumens, das dort besteht. Denn wir glauben, dass an dieser Stelle ein Beitrag dazu geleistet werden kann, Schwarzarbeit abzubauen. Darüber hinaus liegt dort noch ein riesiger Schatz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt.
Ich will einen weiteren Punkt nennen. Wir versuchen, die Balance im Haushalt zwischen dem, was wir konsumieren, und dem, was wir investieren, etwas zu verschieben. Es ist doch eine Verschiebung von Lasten in die Zukunft, wenn wir mehr als 90 Prozent unserer Mittel nicht investieren, sondern, was die Infrastruktur betrifft, von der Substanz leben. Deshalb müssen wir darauf hinwirken, dass die Investitionsquote im Haushalt deutlich steigt.
Ich bin deshalb dankbar, dass im Entwurf der Bundesregierung an dieser Stelle eine entsprechende Akzentuierung gesetzt wird und die Investitionsmittel gestärkt werden. Wir sollten uns in den Haushaltsberatungen darum bemühen, dass diese Stärkung fortgeführt wird und wir eine weitere Verschiebung vom Konsum in Richtung Investitionen hinkommen. Das ist nämlich hilfreich, wenn es um die Zukunftsvorsorge geht. Das ist aber auch kurzfristig hilfreich; ich sage das mit Blick auf die Lage am Arbeitsmarkt.
Ich will zum Abschluss auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mir sehr wichtig ist. Ich habe vorhin von nachhaltiger Haushaltskonsolidierung gesprochen. Wir wollen hier nicht nur über kurzfristige Ziele diskutieren, wir wollen nicht nur über den Haushalt 2008 diskutieren, wir wollen nicht nur über die mittelfristige Finanzplanung diskutieren, sondern wir wollen auch darüber diskutieren, dass wir die aus meiner Sicht einmalige Chance haben, ein Regelwerk in die Verfassung aufzunehmen, das dafür sorgt, dass dauerhaft keine strukturellen Defizite mehr geschaffen werden können. Wenn wir diese Aufgabe nicht lösen, delegieren wir sie an die nächste Generation; das ist ein Zeitraum von 25 bis 30 Jahren. Wir stehen in der Verantwortung und müssen diese Chance nutzen. Ich möchte am Ende der Diskussion ein Regelwerk haben, das vorgibt, dass das strukturelle Defizit bei null liegen muss, und das, abgesehen von Ausnahmefällen wie Katastrophen und Ähnlichem, keine Ausnahmen vorsieht.
Wir müssen das vernünftig fassen. Ich bin kein Verfassungsjurist, sondern nur bescheidener Mathematiker; daher hoffe ich auf die Hilfe der Rechtsgelehrten. Ich hoffe, dass Bund und Länder eine Verantwortungsgemeinschaft bilden; denn diese Aufgabe kann nur gemeinschaftlich von Bund und Ländern gelöst werden. Wir müssen das, was wir Konjunktur nennen, vernünftig fassen. Ich glaube, dass wir von dem einen oder anderen Land in unserer Nachbarschaft lernen können, wie dort konjunkturelle Entwicklungen aufgefasst werden.
Über den konjunkturellen Anteil an der Staatsverschuldung dürfen wir nicht nur dann diskutieren, wenn Schulden gemacht werden. Wir müssen auch dann darüber sprechen, wenn die Konjunktur positiv verläuft; denn dann muss Vorsorge für den nächsten Abschwung getroffen werden. In diesem Sinne müssen wir in Art. 115 des Grundgesetzes ein neues Regelwerk schaffen. Wenn uns das gelingt, dann werden wir gemeinschaftlich unserer Verantwortung gerecht.
Ich möchte jeden einladen, mit Ideen und alternativen Vorschlägen dazu beizutragen. Ich warne aber davor, eine solch wichtige Diskussion durch kleingeistige und kleinkarierte Kritik zu zerreden.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Dr. Gesine Lötzsch ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke.
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Stellen Sie sich vor, Sie beobachten in einem Einkaufszentrum einen Taschendieb, der gerade einen Passanten dreist um eine beträchtliche Summe erleichtert. Doch dann er rennt nicht weg. Nein, er hält die Geldscheine in die Höhe und strahlt über das ganze Gesicht. Jeder würde doch denken: Dieser Mann ist verrückt. Nicht so in der Politik. Die Bundesregierung hat mit der umfangreichsten Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik den Bürgern kräftig in die Tasche gegriffen, und nun sehen wir den Finanzminister aus allen Zeitungen strahlen. Er freut sich über sein gelungenes Gesellenstück. Erstaunlich ist nur, dass keiner ruft: Haltet den Dieb!
Zur Erinnerung: Die Bundesregierung hat nicht nur die Mehrwertsteuer erhöht, sondern auch die Versicherungsteuer. Sie hat die Entfernungspauschale und den Sparerfreibetrag verringert, und auch der Beitragssatz für die Renten- und Krankenversicherungen stieg im Januar. Verwundert es da, dass sich keiner so richtig mit Herrn Steinbrück freuen kann? Wie wir heute in einer Zeitung lesen können, genießt er das gesammelte Misstrauen der SPD.
Doch eine Ausnahme gibt es: Die Unternehmensteuerreform tritt im nächsten Jahr in Kraft und wird vor allem die großen Konzerne um mindestens 10 Milliarden Euro entlasten.
In vielen Zeitungen kann man ausführliche Analysen lesen, warum die SPD in der Wählergunst so schlecht dasteht. Doch das kann man sich eigentlich sparen, wenn man nur zwei Sachverhalte zur Kenntnis nimmt:
Erstens. Die Konzerne, die sich vor Profiten kaum retten können, werden weiter finanziell entlastet. Wahrhaft sozialdemokratische Politik, sage ich dazu nur.
Zweitens. Die Arbeitslosengeld-II-Empfänger sollen trotz der gestiegenen Lebensmittelpreise und der Explosion der Energiepreise keinen Cent mehr bekommen.
?Kalt und streberhaft“ nennt der Politikwissenschaftler Franz Walter die Politik der SPD, und immer mehr SPD-Wähler teilen diese Ansicht. Die aktuelle Studie Die Ängste der Deutschen 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass die Deutschen am meisten Angst davor haben, dass alles teurer wird. Das ist natürlich nicht im Sinne von CDU und CSU. Besonders Herr Schäuble hat sich zum Ziel gesetzt, dass spätestens im nächsten Jahr die Angst vor dem Terror an erster Stelle in den Umfragen stehen soll. Denn die Bundesregierung weiß, dass sich ein Land einfacher regieren lässt, wenn die Menschen Angst haben. Das ständige Schüren von Angst ist nötig, um die gigantischen Ausgaben im Kampf gegen den Terror zu rechtfertigen. Ich will Sie nur daran erinnern, dass das 132-Millionen-Euro-Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit, das der Innenminister in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch den Bundestag geschleust hat, hier schon fast totgeschwiegen werden soll.
Der weltweite Antiterrorkampf hat natürlich auch den Appetit des Verteidigungsministers angeregt. Für seinen Haushalt sind 29 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist mehr, als die Bundesregierung für zivile Investitionen ausgibt, und damit eine wirkliche Schieflage.
Der ehemaliger CDU-Generalsekretär Geißler antwortete auf die Frage eines Journalisten, was Konservatismus heute ausmacht, wie folgt - ich zitiere die Berliner Zeitung vom 6. September 2007 -:
Es ist schon erstaunlich, welche Widersprüche sich da so auftun: ein starker Staat für die innere Sicherheit, ein schwacher Staat für die soziale Sicherheit - merkwürdige Vorstellungen der sogenannten Neokonservativen.
Ich fordere Sie auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, nehmen Sie sich diese Worte Ihres ehemaligen Generalsekretärs zu Herzen, und denken Sie darüber nach!
Wir Linke haben gute Vorschläge, wie man die Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger besser und vor allen Dingen gerechter ausgeben kann. Herr Struck hat den untauglichen Versuch unternommen, uns nachzuweisen, dass unsere Finanzierungsvorschläge unseriös seien. Zum Ausdruck und Beweis seiner eigenen Seriosität meinte Herr Steinbrück, unsere Vorschläge als Voodoo-Ökonomie bezeichnen zu müssen. Ich glaube, eine billigere Propaganda kann man sich gar nicht vorstellen.
In ihrer Rechnung hat die SPD-Führung nämlich völlig außer Acht gelassen, dass wir Gegenvorschläge und auch sehr viele schöne Kürzungsvorschläge - insbesondere hinsichtlich des aufgeblähten Verteidigungshaushaltes - haben. Aber auch hinsichtlich der Einnahmen haben wir viele Vorschläge für eine gerechtere Steuerpolitik. Unsere Vorschläge zur Abschaffung des Mittelstandsbauches haben Sie, Herr Steinbrück, genau umgekehrt dargestellt. Sie haben behauptet, wir wollten den Mittelstand belasten. Die Wirklichkeit ist anders: Der Mittelstand und die Facharbeiter würden durch unsere Vorschläge entlastet.
Ich fordere Sie hier noch einmal auf: Nehmen Sie die Unternehmensteuerreform zurück, werfen Sie den Unternehmen das Geld nicht hinterher! Wir werden unsere Vorschläge in den Haushaltsberatungen und in der Öffentlichkeit vortragen. Ich bin mir sicher: Auch wenn die Vorschläge hier in diesem Haus nicht die Mehrheit finden sollten, ihre Wirkung in der Öffentlichkeit werden sie nicht verfehlen. Das können Sie nicht zuletzt an unseren Umfragewerten ablesen.
Vielen Dank.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält nun der Kollege Joachim Poß für die SPD-Fraktion.
Joachim Poß (SPD):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lötzsch, zunächst ein Satz zu Ihnen. Sie haben den Vergleich mit dem Taschendieb angestellt. In der Tat: Sie bewegen sich wie eine Taschendiebin: unterhalb der Gürtellinie, und zwar moralisch wie gedanklich.
Was Sie hier sagen und die Bilder, die Sie hier bringen, sind eine Zumutung.
Ich sage Ihnen: Mit dieser Art von Politik, mit der Sie Arbeitnehmern, Rentnern und Arbeitslosen alles versprechen und in der Realität nichts halten können, täuschen Sie die Menschen.
Sie verlieren jeden ernsthaften Anspruch auf Gestaltung. Das wird noch deutlicher werden als in der Vergangenheit.
Ich will gar nicht auf einzelne Stichworte eingehen.
Aber zur Unternehmensteuerreform möchte ich etwas sagen: Ja, wir beseitigen eine Gerechtigkeitslücke. Es kann doch nicht sein, dass 100 Milliarden Euro an Gewinnen in Deutschland erzielt und im Ausland versteuert werden. Das ändern wir; das ist richtig so. Wir beseitigen Gerechtigkeitslücken und schaffen keine neuen.
Deswegen: Die Auseinandersetzung mit Ihnen darf man nicht übertreiben. Aber wir werden Sie Zug um Zug entlarven. Die von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegte Zusammenstellung zu den finanziellen Auswirkungen Ihrer Anträge und Initiativen war ein erster Schritt dazu.
Wer vor eineinhalb Jahren vorhergesagt hätte, wie gut sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere im Mittelstand, und die Situation der öffentlichen Haushalte, insbesondere in den Kommunen, entwickeln würden, der wäre doch als Fantast bezeichnet und verspottet worden. Jeder von uns, der vorhergesagt hätte, dass wir im September dieses Jahres auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen würden beraten können, wäre verspottet worden. Deswegen sage ich Ihnen: Eine Rede wie die, die Bundesfinanzminister Peer Steinbrück heute gehalten hat, konnte seit fast 20 Jahren kein Finanzminister in Deutschland mehr halten. Eigentlich sollte von allen Seiten dieses Hauses begrüßt werden, dass es ihm möglich war, eine solche Rede zu halten.
Mit dem von Peer Steinbrück eingebrachten Haushaltsentwurf bleibt die Koalition sich selbst und ihrer Doppelstrategie treu, die erforderliche Haushaltskonsolidierung und die notwendige politische Gestaltung Hand in Hand zu betreiben.
Das erfolgreiche 25-Milliarden-Euro-Impulsprogramm fortzusetzen, die Mittel für Forschung und Entwicklung zu erhöhen, die BAföG-Erhöhung und den Hochschulpakt zu finanzieren, die Mittel für Klimaschutzprogramme hochzufahren und das Programm zum Ausbau der Krippenplätze zu starten, all das bringt unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft Schritt für Schritt voran. Diese Maßnahmen werden sich auch in fiskalischer Hinsicht auszahlen; das gilt übrigens auch für die Unternehmensteuerreform.
Konsolidieren und Gestalten, das ist die richtige Strategie, die auch in Zukunft verfolgt werden muss. Das heißt aber auch, dass die fiskalischen Spielräume, die sich ergeben, konsequent und glaubwürdig zur Rückführung der Verschuldung genutzt werden müssen. Wir müssen unsere Defizitziele im nächsten Jahr und in den folgenden Jahren erreichen. Wir haben die Chance, das gesamtstaatliche Defizit im nächsten Jahr auf null zu fahren. Ich finde, dass das Tempo des stattfindenden Defizitabbaus bemerkenswert ist.
Die Haushaltspolitik muss ökonomische und gesellschaftliche Erfordernisse im Blick behalten; ansonsten ist sie letztlich zum Scheitern verurteilt. In diesem Sinne werden wir die anstehenden parlamentarischen Haushaltsberatungen führen.
Die Haushaltspolitiker der Koalition haben sich das Ziel gesetzt, die von der Bundesregierung beschlossene und im Etatentwurf für 2008 aufgeführte maximale Höhe der Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 12,9 Milliarden Euro zu verringern. Wir streben an, dieses Ziel zu erreichen. Allerdings ist bereits der Betrag von 12,9 Milliarden Euro die niedrigste jährliche Verschuldung des Bundes seit fast 20 Jahren. Wer uns in dieser Situation vorwirft, wir seien bei der Haushaltskonsolidierung nicht ehrgeizig genug, der muss schon sehr konkrete und umsetzbare Konsolidierungsvorschläge vorlegen.
Bisher konnte ich nicht erkennen, dass solche Vorschläge gemacht wurden, weder von der FDP noch - das kann Frau Hajduk gleich ändern - von den Grünen. Wenn wir hier streiten, dann sollten wir das bitte auf der Grundlage realitätstüchtiger Vorschläge und nicht im Wolkenkuckucksheim tun.
Wenn die derzeit günstige wirtschaftliche Entwicklung anhält - es gibt durchaus Anzeichen der Unsicherheit, über die heute schon gesprochen wurde -, dann werden wir voraussichtlich spätestens im Jahre 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen können.
Wenn wir all diese Ziele - gute Entwicklung von Wirtschaft, Beschäftigung und Haushaltskonsolidierung - erreichen wollen, ist es allerdings notwendig, dass über Jahre hinweg die richtigen Entscheidungen getroffen und die richtigen Weichenstellungen vorgenommen werden. Ich will zwei Beispiele nennen.
Erstens. Bereits jetzt wird immer wieder gefordert bzw. sogar angekündigt, dass in der nächsten Legislaturperiode die Einkommensteuer oder andere Steuern gesenkt werden. Herr Kollege Kampeter, die Medien berichten, dass auch in Strategiezirkeln von CDU und CSU, und zwar weit über das Ministerium des Bundeswirtschaftsministers hinaus, Konzepte für massive Steuersenkungen erarbeitet werden. Offensichtlich wird hier gezielt versucht, sich eine populäre Ausgangsposition für die Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner in anstehenden Wahlkämpfen aufzubauen.
Da wir heute eine haushaltspolitische Debatte führen, ist zu fragen: Wie ernst meinen es diejenigen, die schon heute für einen nicht sehr weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt Steuersenkungen in Aussicht stellen, eigentlich mit der Haushaltskonsolidierung, die in dieser Legislaturperiode noch nicht abgeschlossen werden kann? Wenn in einem Jahr keine neuen Schulden gemacht werden müssen, heißt das nicht, dass alle Probleme bereits gelöst sind. Meine Damen und Herren, müssten wir nicht angesichts der verbesserten Haushaltslage endlich auch in die Tilgung der Altschulden einsteigen?
Das scheint für diejenigen, die solche Steuersenkungsvorschläge machen, offenbar nicht im Vordergrund zu stehen. Erst wird die Verschuldung über Jahre hinweg als große Staatskrise dargestellt - wir haben das erlebt -, aber dann hat man es mit der Tilgung der Altschulden plötzlich nicht mehr so eilig. Das ist widersprüchlich. Ich habe an alle, die derartige Vorschläge in ihren Köpfen haben, die herzliche Bitte, darüber nachdenken, ob es nicht zu widersprüchlich ist, davon zu sprechen, dass die Abschaffung des Solidaritätszuschlags oder der Erbschaftsteuer möglich wäre, wenn die politische Konstellation eine andere wäre. Nein, vor dem Hintergrund von gesamtstaatlichen Schulden in Höhe von immer noch 1,5 Billionen Euro geht dies nicht.
Auch was die Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern angeht, dürfen keine unbedachten Entscheidungen gefällt werden. Ich begrüße ausdrücklich die Kriterien, die Peer Steinbrück in diesem Zusammenhang genannt hat, will aber auch auf folgenden Punkt hinweisen: Meines Erachtens krankt die Diskussion bisher daran, dass grundlegende Fakten und Zusammenhänge nicht beachtet werden. Viele Teilnehmer der Diskussion sind davon überzeugt, dass die unbestreitbar zu hohe öffentliche Verschuldung eine Folge vor allem unzureichender Verfassungsregeln sei. Diese Auffassung übersieht, dass es für die öffentliche Kreditaufnahme und die Finanzpolitik sowohl des Bundes als auch der Länder beachtliche andere Gründe gab und gibt: vor allem die Bewältigung der deutschen Einheit, aber auch die Vermeidung prozyklischer Finanzpolitik.
Auch ist bisher weitgehend unklar, was die einzelnen Vorschläge zur Modifikation des Art. 115 Grundgesetz konkret an Politik erfordern und konkret bewirken. Deshalb halte ich es für dringend erforderlich, dass fundierte Berechnungen vorgelegt werden, mit denen die Veränderungsabsichten gestützt werden müssen und die die ökonomischen Auswirkungen der einzelnen Vorschläge genau aufzeigen. Es darf nicht dazu kommen, dass mit einer Modifikation der Verfassung das gerade gefundene Gleichgewicht von wirtschaftlicher Impulsgebung, Zukunftsgestaltung und Haushaltskonsolidierung, das wir in den letzten beiden Jahren so erfolgreich erprobt haben, möglicherweise wieder infrage gestellt wird. Das heißt, neue Regeln, für die wir alle eintreten, müssen realitätstüchtig sein; sie müssen sich in der Realität unserer Ökonomie auch bewähren können.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Steinbrück, Sie haben angenommen, schon zu wissen, was die Opposition heute zu sagen hat. Da Sie es wissen, weiß ich nicht, ob Sie schon wild entschlossen sind, sich unsere Ausführungen nicht ernsthaft anzuhören. Aber ich werbe doch noch einmal um Ihr Gehör.
Worum geht es, wenn wir sagen, die gute Situation, die wir jetzt haben - die gute konjunkturelle Entwicklung, die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt -, sollte genutzt werden, um unsere Schulden abzubauen? Worum geht es, wenn wir darum werben, die historische Chance wahrzunehmen und vier gute Jahre zu nutzen, um 2009 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben? Was macht Sie so gewiss, dass Sie ein Abonnement auf eine positive Dauerkonjunktur bis 2011 haben?
Aus der Erfahrung, die Rot-Grün in den Jahren 1999 und 2000 gemacht hat, erinnere ich Sie an Folgendes: Damals haben wir vielleicht zu einem falschen Zeitpunkt im Boom Ausgabensteigerungen im Haushalt und Steuersenkungen beschlossen, die konjunkturell nicht die richtige Strategie darstellten.
Deswegen geht es mir jetzt nicht um ein bisschen schneller, ein bisschen höher und ein bisschen weiter, sondern um die Verantwortung, die auch Sie für sich in Anspruch nehmen: Packen wir doch der nächsten Generation nicht den Rucksack mit Wackersteinen von Schulden voll, sondern nutzen wir einen Konjunkturboom, der sage und schreibe vier Jahre lang ein reales Wachstum von im Schnitt knapp 2 Prozent verspricht! Angesichts der Steuermehreinnahmen in Höhe von 45 Milliarden Euro - das sind die Steuermehreinnahmen Ihrer Finanzplanung; ich habe den im Moment absehbaren Konjunkturbonus von zusätzlichen 8 bis 10 Milliarden Euro noch gar nicht aufgeschlagen, wahrscheinlich sind es in dieser Legislaturperiode also Steuermehreinnahmen von mehr als 50 Milliarden Euro - frage ich Sie, warum die Einnahmen nicht ausreichen sollen. Erklären Sie einmal der deutschen Bevölkerung, warum Ihnen 50 Milliarden Euro nicht ausreichen sollen, um ein Defizit von 30 Milliarden Euro auszugleichen!
Ich nenn Ihnen den Grund: Die Große Koalition hat erfolgreich am Steuerrad gedreht. In einigen Punkten unterstützen wir das auch; wir schlagen uns nicht in die Büsche, wenn es um Subventionsabbau geht, der die Bürgerinnen und Bürger auch einmal belastet. Sie haben sich aber auch verdammt viele Ausgabenwünsche genehmigt.
Die passen nicht in eine Zeit guter Konjunktur; so etwas muss man sich für schlechtere Zeiten reservieren. Ebendarin liegt die strategische Panne, die Schwäche Ihrer Politik, Herr Steinbrück; da können Sie sie noch so gehaltvoll und erhaben vortragen. Die Konsequenzen tragen die Bürgerinnen und Bürger.
Deswegen werben wir für eine Veränderung dieser Strategie.
- Sie müssen nicht aufgeregt rufen, Herr Poß. Ich komme noch zu den Vorschlägen. Im Übrigen haben wir das in den letzten Jahren immer so gehalten.
Ich möchte beispielhaft auf das Jahr 2007 eingehen. Damit komme ich auch zu einem konkreten Vorschlag, Herr Poß. Für das Jahr 2007 ist geplant, 19 Milliarden Euro Schulden aufzunehmen. Der Steuerschätzung nach werden wir 10 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass es bis zu 15 Milliarden Euro sein werden, und das ist noch nicht die Spitze der Prognosen. Dann muss man doch erwarten, dass Sie dieses Jahr statt 19 Milliarden Euro nur 6 Milliarden, 7 Milliarden oder 8 Milliarden Euro neue Schulden machen. Doch nein, es ist angekündigt: Wir brauchen einen Teil dieser Steuermehreinnahmen für den Fonds zum Ausbau der Kinderbetreuung.
- Nein! Jetzt wird es wieder billig bei Ihnen! - Wenn es um eine gute Sache und Ausgabe geht, nehmen Sie dafür die konjunkturellen Steuermehreinnahmen.
So hat Frau Merkel schon im letzten Jahr konjunkturelle Steuermehreinnahmen für die Gesundheitsversicherung verwendet.
Wir, Bündnis 90/Die Grünen, haben Ihnen ein sehr vernünftiges Konzept vorgelegt, wie man aus dem Ehegattensplitting ein Familiensplitting macht.
- Hören Sie einmal zu! - Dann kann man die Kinderbetreuung sehr gut finanzieren. Dann kann der Bund seinen Anteil an den Investitionen tragen.
Dann können die Länder statt dieser Fehlsubvention - ich sehe schon, Sie stimmen mir zu, Herr Kampeter; das erkenne ich an Ihrem Lachen -
mit den Steuermehreinnahmen, die sie haben werden, die Betriebskosten finanzieren, und Herr Steinbrück müsste nichts zwischen Bund und Ländern aushandeln und den Bund bei den Mehrwertsteuereinnahmen nicht strukturell schlechter stellen, ihn zusätzlich belasten. Kurz gesagt: Wir haben ein Konzept für die Kinderbetreuung. Wir werben für den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, und zwar nicht erst ab irgendwann, sondern ab dem nächsten Jahr. Wir können das umsetzen, wir haben eine Gegenfinanzierung. Sie bedienen sich dagegen, wie immer, schlicht bei der guten Konjunktur; das ist langfristig nicht tragfähig.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der belegt, dass nicht so leicht gesagt werden kann: Es macht nichts, wenn man sich mit der Konsolidierung des Haushalts und dem Haushaltsausgleich bis 2011 Zeit lässt, statt ihn in dieser Legislaturperiode, für die Sie Verantwortung übernommen haben, zu erreichen. Ich nenne das, was Sie machen, eine künstliche Streckung des Haushaltsausgleichs. Man kann das an den Zinszahlungen sehen: Wir machen einen Sprung um 2,8 Milliarden Euro von knapp über 40 Milliarden Euro auf über 43 Milliarden Euro. Ich glaube, auch das ist Rekord. Das ist Folge Ihrer Politik, weil Sie bei der Verschuldung nicht die nötige Strenge walten lassen. Deswegen sage ich Ihnen: Ihre Strategie sieht im Lichte der gegenwärtig guten Konjunktur gut aus, aber sie ist nicht konsequent und auch nicht verantwortungsvoll.
Ich komme zu einem anderen Thema. Herr Steinbrück, ich bin froh - das sind auch die Kollegen, die zuvor gesprochen haben -, dass die Große Koalition wenigstens in einem Punkt bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, nämlich dass Sie die Zweidrittelmehrheit, die Sie im Bundesrat und im Bundestag organisieren können, nutzen wollen, um unsere gesetzlichen Regeln für die Schuldenaufnahme zu überarbeiten.
Wir Grünen haben aus der Verschuldungsspirale, in der wir in den letzten Jahren gefangen waren, Konsequenzen gezogen. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir nach dem Beispiel der Schweiz, aber an deutsche Verhältnisse angepasst, in Deutschland eine Schuldenbremse vorsehen, die uns vorschreibt, in guten Zeiten Überschüsse zu erwirtschaften, um für schlechte Zeiten vorzubeugen. Ich wiederhole mich, Herr Meister - man kann es nicht oft genug sagen -: Wir müssen uns in konjunkturell guten Zeiten darum bemühen, die Verschuldung zu begrenzen. Ich habe Sie gerade dazu eingeladen, das schon im Haushalt 2008 endlich wahrzumachen. Wir wollen, dass eine entsprechende Regelung ins Grundgesetz aufgenommen wird. Unser Regelwerk erfüllt folgende Anforderungen: Es ist Maastricht-konform - das halte ich für notwendig - und ?atmet“ mit der Konjunktur. Es lässt auch Ausnahmen zu, wenn es im Katastrophenfall erforderlich ist. Dafür haben wir aber strikte verbindliche Regelungen vorgesehen, bei denen eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig wäre, um ausnahmsweise den Kreditrahmen zu erweitern.
Ich bin froh, dass Sie Ihren Willen deutlich gemacht haben, in dieser Legislaturperiode zu neuen Schuldenregeln zu kommen, und halte das auch für notwendig. Ich nehme diesen Anspruch als Maßstab für die Vereinbarungen, zu denen wir in der Föderalismuskommission II kommen werden. Es kann nicht sein, dass es bei diesen Ankündigungen bleibt. Der Bund muss hier vorangehen. Insofern verstehe ich Ihren Beitrag an dieser Stelle als positive Aufforderung und hoffe, dass Sie auch dem von uns vorgelegten Vorschlag nähertreten können.
Ich möchte noch zu zwei weiteren Punkten kommen, die mir wichtig sind. Herr Steinbrück, als Finanzminister erwarte ich von Ihnen, dass Sie sehr sorgfältig abwägen, wenn es um Privatisierungen geht. Was Sie zur Bahnprivatisierung vorgelegt und im Kabinett beschlossen haben, hält nicht dem stand, was ich von einem verantwortungsbewussten Finanzminister erwarte.
Dass Sie die Schienennetze 15 Jahre an die DB übertragen wollen, hat einen großen Haken. Wenn wir die Netze 15 Jahre übertragen und eine Mitgift in Höhe von 37,5 Milliarden Euro finanzieren, dann bedeutet das eine Teilprivatisierung, die eine Subventionsgarantie aus dem öffentlichen Haushalt für die privaten Betreiber vorsieht. Ich finde es nicht in Ordnung, dass man bei einer Teilprivatisierung solch einen risikolosen Profit auf Kosten des Bundes zulässt. Die Kritik Ihres Parteifreundes Thilo Sarrazin ist mehr als berechtigt. Wenn wir aus den Privatisierungserlösen heute vielleicht 6 Milliarden bis 8 Milliarden Euro erzielen und 3 Milliarden bis 4 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt gewinnen, dann aber 10 Milliarden Euro jährlich an die Bahn zurückfließen lassen und das Schienennetz nach 15 Jahren vielleicht zu einem doppelten oder dreifachen Preis zurückkaufen müssen, dann wäre das ein verantwortungsloser Umgang mit öffentlichem Vermögen.
Ich fordere Sie auf, an dieser Stelle neu zu überlegen.
Insbesondere fordere ich die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf, diesem Vorhaben aus ordnungspolitischen Gründen und vielleicht auch aus anderen grundsätzlichen Erwägungen, was Privatisierungen angeht, nicht zuzustimmen. Auch das gehört in eine Haushaltsdebatte des Bundestages.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Bei einem Thema hätte ich mir von Ihnen mehr Ehrlichkeit gewünscht, Frau Merkel.
Es ist mittlerweile klar geworden, dass die Bundesagentur für Arbeit wegen der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Geld im Überfluss hat. Es ist mehr als klar, dass die Bundesagentur die zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von über 6 Milliarden bzw. knapp 7 Milliarden Euro nicht benötigt hätte, um ihre Arbeit zu leisten und die Beiträge zu senken. Deswegen hätte ich mir gewünscht, dass Sie dem Vorschlag des Kollegen Steinbrück gefolgt wären, die Mehrwertsteuereinnahmen aus dem Haushalt der Bundesagentur für Arbeit herauszunehmen und den Haushalt der Bundesagentur und den Bundeshaushalt zu trennen. Aber nein: Um zu vertuschen, dass Sie die Mehrwertsteuereinnahmen nicht für die Beitragssenkung gebraucht haben - die Beitragssenkung um 2,3 Prozentpunkte ist durch die BA selber finanzierbar -, konstruieren Sie jetzt einen künstlichen und seltsamen Finanzierungskreislauf zwischen BA und Bundeshaushalt. Ich finde, das ist maßlos intransparent. Eigentlich hätten Sie sich einen Ruck geben müssen und das der Öffentlichkeit gegenüber zugeben können.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Ich habe leider etwas überzogen. - Letzter Satz. Haushaltspolitik ist eigentlich ganz einfach. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! Oder: Wenn du eine Gehaltserhöhung von 8 Prozent bekommst, wie es bei den Steuereinnahmen der Fall ist, dann überziehe nicht weiter deinen Dispo, sondern löse ihn ab, statt einen neuen Leasingvertrag zu unterschreiben. Das versteht doch jeder Mensch.
Danke schön.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das gerade zitierte schöne Sprichwort ?Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ ließe sich übrigens auch bei der Bewirtschaftung von Redezeiten sinnvoll zur Anwendung bringen.
Das war sozusagen eine generelle Empfehlung, weil wir uns noch eine ganze Woche mit diesem Thema werden auseinander setzen dürfen.
Nun hat das Wort der Kollege Steffen Kampeter für die CDU/CSU-Fraktion.
Steffen Kampeter (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte über den Haushaltsentwurf 2008 gibt die Möglichkeit, einmal auf das zurückzuschauen, was bisher erreicht wurde. Ich möchte mit einem Dank an die Menschen in Deutschland beginnen, die es in den letzten zwei, drei Jahren - gemeinsam mit der Politik - durch ihre Arbeit, ihren Einsatz und ihr Engagement geschafft haben, dieses Land wirtschaftlich nach vorne zu bringen,
und erheblich dazu beigetragen haben, dass wir eine große finanzpolitische Erfolgsgeschichte bei der Sanierung der öffentlichen Staatsfinanzen vorweisen können.
Natürlich sind die Bundesregierung, insbesondere der Bundesfinanzminister, sowie die Koalition hier ebenfalls aktiv. Aber der Einsatz der Menschen wird nun damit belohnt, dass wir wieder ausschütten können, nachdem wir abverlangt haben. Wir können zwar nicht mehr ausgeben, wohl aber zurückgeben.
Ich will belegen, warum ich glaube, dass diese Sanierung mit Perspektive eine kluge Form der Bewirtschaftung öffentlicher Finanzen ist. Wir sind 2006 mit einem strukturellen Defizit gestartet, das ausweislich öffentlicher Erklärungen vor der Bundestagswahl bei 30 Milliarden Euro und nach der Bundestagswahl bei 55 Milliarden Euro lag. Der von uns aufgestellte Haushalt 2007 weist die niedrigste Nettokreditaufnahme seit der Wiedervereinigung auf. Wir haben in der Koalition und im Haushaltsausschuss für eine weitere massive Senkung gesorgt. Es ist kein Geheimnis, dass wir die Nettokreditaufnahme in diesem Jahr nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen müssen, weil die Entwicklung wahrscheinlich sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmeseite besser ist.
Wir haben den vom Bundesfinanzminister mit einer guten Rede vorgestellten und eingebrachten Haushaltsentwurf 2008 unter das Motto ?Sanieren mit Perspektive“ gestellt. Dieser Haushalt weist wieder die niedrigste Nettokreditaufnahme seit der Wiedervereinigung auf. Carsten Schneider und ich haben gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Haushaltsgruppe der Koalition den Ehrgeiz, hier noch einmal nachzuarbeiten und noch weniger Schulden aufzunehmen.
Ich will in aller Klarheit sagen: Die erzielten Sanierungserfolge sind nicht selbstverständlich. Die Verwerfungen auf den Finanzmärkten haben deutlich gemacht, dass die Sanierung jede Woche und jeden Monat erneut erkämpft werden muss. Aber unsere Haushaltspolitik nutzt den Menschen in Deutschland, weil sie etwas davon haben. Ich will darauf hinweisen, dass kein Land, in dem es wirtschaftlich aufwärts geht, ruinierte Staatsfinanzen hat. Solide Staatsfinanzen, die Vertrauen bei Investoren und Konsumenten schaffen, flankieren unseren Aufschwung und schaffen Möglichkeiten, den Menschen wieder etwas zurückzugeben.
Wir wollten den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung ein Stück weit senken. Wir senken ihn nun noch weiter. Der Kollege Meister hat gesagt, dass die Zielgröße 3,5 Prozent sei. Das entspräche einer Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um insgesamt 3 Prozentpunkte, wenn ich richtig gerechnet habe. Das ist die größte Senkung in einem sozialen Sicherungssystem, die es jemals in so kurzer Zeit gegeben hat. Wo wir das Geld nicht benötigen, geben wir es den Menschen zurück. Auch das ist eine Dividende, ein Ergebnis dieser Sanierungsschritte.
Schulden von heute - diese Erkenntnis vermittelt jedes wirtschaftliche Seminar - sind die Steuererhöhungen von morgen. Wenn wir Schulden senken und die Null-Neuverschuldung anstreben, dann verhindern wir nicht nur Steuererhöhungen, sondern schaffen auch Spielräume für Steuersenkungen.
Herr Kollege Poß, je früher wir die Null-Neuverschuldung haben, umso eher können wir uns Gedanken darüber machen, in welchem Maße wir Schulden abbauen und in welchem Maße wir den Menschen die gezahlten Steuern zurückgeben. Wir haben das Projekt Stoltenberg im Sinn, wonach den Menschen nicht das Geld aus der Tasche gezogen werden soll, um es ihnen in komplizierten Verfahren wieder zurückzugeben; wir wollen ihnen vielmehr das lassen, was sie für ihr Leben brauchen, und ihnen nur das wegnehmen, was wir ihnen gut begründet wegnehmen müssen, um wichtige Aufgaben zu finanzieren. Das ist legitim und vermittelbar. Unsere Perspektive für die nächste Legislaturperiode ist es, nach der Null-Neuverschuldung auch über Steuersenkungen weiter nachzudenken. Das ist unser fester Wille.
Ich will noch eines sagen: In dem Umfeld von solideren Staatsfinanzen, das wir jetzt haben, fangen auch andere an, wieder Vertrauen zu gewinnen. Es ist kein Zufall, dass gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs und eines sinkenden Schuldenstands die Tarifvertragsparteien zum ersten Mal seit langem wieder Lohnsteigerungen in einer vernünftigen Größenordnung vereinbaren. Das kommt bei den Menschen an. Die Stabilität der Rahmenbedingungen schlägt sich auch in Mut und Zuversicht bei den Tarifvertragsparteien nieder. Das ist eine ganz konkrete Dividende, das ist ein ganz konkreter Erfolg von Stabilisierungs- und Konsolidierungspolitik.
An dieser Stelle will ich aus Anlass des bösen Begriffs des Kaputtsparens bzw. des Ins-Koma-Sparens festhalten: Ich halte es mit der Kollegin Hajduk, die gerade der Debatte nicht zuhört, sondern telefoniert: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not! - Ich finde, man muss etwas zurücklegen können. Der Grundgedanke der Schuldenregel, die der Kollege Meister, aber auch der Kollege Poß im Kopf haben, ist, dass wir demnächst für schlechte Zeiten Geld aus Haushaltsüberschüssen - das heißt technisch: Ausgleichskonto - zurücklegen. Da kommen wir zueinander.
Trotzdem ist zu diesem Zeitpunkt nicht alles finanzierbar. So wünschenswert es für die Betroffenen sein mag, Regelleistungen in bestimmten Sozialversicherungssystemen, zum Beispiel Hartz IV, auszuweiten; ich halte das unter einem bestimmten Gesichtspunkt für nicht mehr sozial gerecht, ja für unsozial. Sozial ist das, was in diesem Land Beschäftigung schafft. Nelson Rockefeller hat einmal festgehalten: Wohltätigkeit ist nur dann unschädlich, wenn sie den Empfänger dazu anleitet, von ihr unabhängig zu werden. - Deswegen werden wir von der Union diesen Forderungen nicht nachgeben. Wir erkennen die schwierige Situation derjenigen an, die in diesem Regelkreis sind, aber wir konzentrieren uns nicht darauf, dass die Regelleistungen kontinuierlich ansteigen. Wir konzentrieren uns vielmehr durch eine Reform unserer Arbeitsmarktpolitik darauf, wieder Brücken in reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bauen. Darin müssen wir Geld investieren. Ich glaube, das ist soziale und beschäftigungsfreundliche Politik.
Ich warne in diesem Hause auch vor Populisten, die unterwegs sind. Die sind auf der linken Seite dieses Hauses unterwegs. Kollege Struck hat den Taschenrechner angeworfen und festgestellt, dass 174 Milliarden Euro jedes Jahr fehlen würden.
- 154, Entschuldigung. - Ich will aber auch auf die von mir aus gesehen rechte Seite des Hauses hinweisen: Morgens fordert der Kollege Fricke Subventionsabbau und Null-Neuverschuldung.
- Ich finde, das ist eine solide Forderung.
Dann kommt der Kollege Solms und beklagt, dass wir die Mehrwertsteuer erhöht haben, dass die Familienleistungen geändert wurden und das Erziehungsgeld eingeführt worden ist, und er erwähnt die Kürzung der Pendlerpauschale. Das sind Leistungen von zusammengenommen etwa 30 Milliarden Euro pro Jahr. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was das soll. Bisher dachte ich, Liberalismus sei das Eintreten für die Freiheit. Wenn man aber unter Liberalismus die Freiheit versteht, jeden finanzpolitischen Unsinn erzählen zu können, dann habe ich Liberalismus bisher falsch verstanden. Entweder man fordert wie der Kollege Fricke die Null-Neuverschuldung, oder man äußert Kritik wie der Kollege Solms, die, würde man die Kritik aufgreifen, zur Folge hätte, dass sich die Kreditaufnahme jedes Jahr um 30 Milliarden Euro erhöhen würde. Es ist unseriös, was Sie in diesem Bereich machen. Populismus auf der linken und auf der rechten Seite ist schädlich. Dem werden wir keinesfalls folgen können.
Die Perspektive bei der Sanierung besteht darin, dass wir, obwohl wir die Spendierhosen im Schrank lassen und die Sparstrümpfe heraushängen, in bestimmten Bereichen Schwerpunkte setzen.
Ich will zwei erwähnen: Ein Schwerpunkt sind für uns die Familien, wobei es dabei nur vordergründig um Geld geht. Im Kern geht es uns um einen Wandel des gesellschaftlichen Klimas gegenüber den Menschen, die sich in diesem Land für eine Familie und Kinder entscheiden. Dieser Klimawandel drückt sich im Haushalt konkret aus - im Elterngeld und in der Betreuungsinfrastruktur -, vor allen Dingen aber in der veränderten gesellschaftlichen Wahrnehmung der Familienpolitik, wie sie von dieser Großen Koalition, wie sie von Ursula von der Leyen betrieben wird.
Das ist ein großer perspektivischer Gewinn, der trotz Haushaltskonsolidierung möglich wird. Das setzt ein Zeichen und gibt eine Perspektive.
Das rohstoffarme Land Deutschland muss in die Köpfe seiner Menschen investieren. Deswegen ist unsere Investition in Bildung und Forschung als eine Partnerschaftsaufgabe zwischen öffentlicher und privater Hand schon auf einem guten Weg. 2,5 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts fließen in diesen Bereich. Michael Glos und Annette Schavan sind die beiden Minister, die dafür stehen. Dies ist eine Zukunftsinvestition, die auch während der Konsolidierung möglich ist. Man kann beides miteinander verbinden: sparsam sein und trotzdem an die Zukunft denken. Das ist der Kern der Haushaltspolitik der Großen Koalition.
Ich will eine letzte Perspektive dieser Haushaltspolitik ansprechen: die Null-Neuverschuldung. Es ist mehrfach schon gesagt worden, dass man sich diesbezüglich nicht festlegen soll. Aber sie ist greifbar und es wird keiner in diesem Hause ausgelacht, der behauptet, sie käme jetzt bald. Wir würden damit rund 40 Jahre Verschuldungspolitik in Deutschland erstmals -hoffentlich auch dauerhaft - beenden. Ich will mit einem Zitat schließen, das ungefähr so alt wie unsere Verschuldungspolitik ist. Dieses Zitat stammt von Ludwig Erhard, dem Bundeskanzler und langjährigen Wirtschaftsminister einer unionsgeführten Regierung:
Die Menschen haben es zwar zuwege gebracht, das Atom zu spalten, aber nimmermehr wird es ihnen gelingen, jenes eherne wirtschaftliche Gesetz aufzusprengen, das uns mit unseren Mitteln haushalten heißt, d.h., das uns verbietet, mehr zu verbrauchen als wir erzeugen können ...
Das ist die eigentliche Verheißung. Dieses konservative, nachhaltige Prinzip der Haushaltspolitik,
das Ludwig Erhard formuliert hat, als wir angefangen haben, Schulden zu machen, ist die Mission der Haushaltspolitik der Großen Koalition. Das ist die Mission, die die Union kräftig unterstützen wird.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Als Nächster spricht der Kollege Dr. Hermann Otto Solms für die FDP-Fraktion.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP freut sich über die begonnene Haushaltskonsolidierung und über den Abbau der Arbeitslosigkeit genauso wie die Regierungsfraktionen. Da gibt es keinen Zweifel. Wir haben nur den Verdacht - der durch die Reden heute bestätigt worden ist -, dass Sie sich hinter dieser entstandenen Konsolidierung, für die Sie überhaupt nichts können, verbergen und Ihre Hausaufgaben nicht machen.
Ihre Aufgabe wäre es, den Haushalt durch Einsparungen zu konsolidieren. Das wäre eine mutige Politik, die einer Großen Koalition würdig wäre. Aber Sie erweisen sich als schwache und kleinmütige Koalition. Das beweisen die Zahlen: 2006 beliefen sich die Ausgaben auf 261 Milliarden Euro, 2007 auf 270 Milliarden Euro und 2008 auf 283 Milliarden Euro. Sie legen jedes Jahr etwas darauf. Würden Sie das nicht tun, könnten wir im nächsten Jahr natürlich leicht einen ausgeglichenen Haushalt haben.
Wir wehren uns dagegen, dass Sie diese Konsolidierung - immer mit schönen Worten verbrämt - einseitig zu Lasten der Bürger in diesem Lande durchführen.
Die Bürger zahlen die Zeche, obwohl sie am Erfolg beteiligt werden müssten.
Im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Finanzminister, gesagt haben, blüht die Konjunktur nicht. Die Exportkonjunktur läuft, aber die Binnenkonjunktur lahmt. Das ist kein Wunder, weil die Bürger in diesem Lande durch gewaltige Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer, bei der Einkommensteuer, bei der Versicherungsteuer, bei Steuern auf biogene Kraftstoffe und durch den Abbau von Steuervergünstigungen insgesamt in Höhe von 40 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich belastet werden. Dann haben sie natürlich nicht mehr das Geld, um ihren Konsum, ihre Altersvorsorge oder sonstige Investitionen zu finanzieren.
Das ist eben so. Wenn Sie einen dauerhaften konjunkturellen Aufschwung möglich machen wollten, müssten Sie die Konsolidierung auf der Ausgabenseite fortführen und die Bürger von den zusätzlichen Belastungen nach und nach befreien. Das ist unsere Strategie. Herr Finanzminister, wir haben den Menschen vor der Bundestagswahl tatsächlich gesagt: Wir wollen die steuerlichen Vergünstigungen kategorisch abbauen, allerdings gegen Entlastungen im Tarif und nicht als reine Zusatzbelastung.
Eine so hohe Mehrbelastung können viele Bürger gar nicht verkraften.
Wir haben einige Beispiele rechnerisch dargelegt. Diejenigen, die sich dafür interessieren, weise ich auf meine Homepage hin: Hermann minus Otto minus Solms.de.
Wenn man diese Beispiele nachvollzieht, kommt man zu dem Ergebnis, dass der normale Arbeitnehmerhaushalt in Deutschland durch die Maßnahmen dieser Regierung pro Jahr in einem Bereich zwischen 1 000 und 2 000 Euro mehr belastet ist; manche Haushalte sind noch höher betroffen Das verfügbare Einkommen dieses Haushalts ist also entsprechend geringer.
Das passt sehr gut zur gesamten Steuerpolitik dieser Bundesregierung. Die Unternehmensteuerreform war eine absolute Katastrophe, und das wird sich noch auswirken. Mittlerweile haben die Unternehmen nämlich angefangen, zu rechnen. Mir liegen beispielsweise Rechnungen aus dem Handel vor, die zu dem Ergebnis kommen, dass die Einbeziehung der Mieten in die steuerliche Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer dazu führt, dass die Steuerbelastung von Handelsunternehmen, die in Mietobjekten ansässig sind, steigt - von heute etwas über 40 Prozent auf nahezu 70 Prozent -, und Sie haben ihnen Steuerentlastungen versprochen. Wenn die Gewinne dieser Unternehmen sinken, dann steigt die Steuerbelastung auf 80, 90 und sogar auf über 100 Prozent. Was ist denn das für eine Steuerpolitik?!
Herr Meister, aus Ihrem Land - aus unserem gemeinsamen Land -, aus Hessen, kommen die dämlichsten Vorschläge: die Einführung der Zinsschranke, die Einbeziehung von Mieten und Pachten in die Gewerbesteuergrundlage, zur Funktionsverlagerung und zum Mantelkauf. All diese Vorschläge kommen von Herrn Koch und Herrn Weimar. Das ist steuerpolitisch völlig widersinnig, unsystematisch, kompliziert, und es macht den Standort schwächer und nicht stärker.
Das wussten Sie genauso gut wie ich. Sie hätten das in Ihrem Landesverband einmal sagen sollen, anstatt das alles hier zu vertreten.
Erbschaftsteuer: bis heute keine Antwort. Seit zwei Jahren diskutieren Sie darüber. Die Menschen sind total verunsichert. Sie wissen nicht mehr, wie sie ihren Nachlass regeln sollen, weil Sie sich nicht einigen können.
Jahressteuergesetz. Ich erinnere nur an das, was darin wieder geregelt ist: § 42 der Abgabenordnung soll so geändert werden, dass die Bürger einen Nachweis erbringen und sich ihre privaten Entscheidungen quasi vom Finanzamt genehmigen lassen müssen. Wenn ein Paar also im Dezember heiraten möchte, dann muss es zum Finanzamt gehen und fragen, ob es das darf, weil es das Ehegattensplitting für das Jahr der Eheschließung noch in Anspruch nehmen könnte. Negativ betroffen sind natürlich noch viel mehr die Investitionsprozesse von Unternehmen.
- Doch, das steht darin. Sie haben es nicht gelesen. Das kann ich mir gut vorstellen; schließlich liest man einen solchen Unsinn nicht gern.
Letzte Bemerkung. Mit der zentralen Lohnsteuerkartei, die eingerichtet werden soll, schafft man den gläsernen Bürger, und zwar von der Wiege bis 20 Jahre nach dem Tod. Öffentliche Stellen haben Zugriff auf diese Kartei. Es gibt keine Kontrolle und keine Information für den Bürger. Auch Private, wie Arbeitgeber, können darauf Zugriff nehmen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege!
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
All das zeigt, dass die verfassungsrechtlich geschützte Privatheit von dieser Koalition ausgehöhlt wird. Das machen wir nicht mit.
- Es geht nicht um Steuerhinterziehung.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Ihnen geht es darum, den Bürger von der Wiege bis zur Bahre zu kontrollieren und zu überwachen. Das ist mit unserer Vorstellung von einem liberalen Rechtsstaat nicht in Einklang zu bringen, und das lehnen wir grundsätzlich ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das Wort hat jetzt der Kollege Carsten Schneider für die SPD-Fraktion.
Carsten Schneider (Erfurt) (SPD):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt, den der Finanzminister heute eingebracht hat, und die mittelfristige Finanzplanung bis 2011 sind nicht nur der Marken-Kern der Großen Koalition, sondern sie bieten auch Anlass, eine Bilanz der vergangenen zwei Jahre - ich erinnere an die negativen Vorhersagen der FDP, die der Finanzminister heute zitiert hat - zu ziehen. Sie sind vor allen Dingen ein Ausblick auf das, was wir in den nächsten zwei Jahren in diesem Land noch zu tun gedenken.
Ich finde, dass der Haushalt 2008 insgesamt eine sehr gute Vorlage ist. Ich möchte dem Finanzminister dazu gratulieren, dass es ihm gelungen ist, gegen die widerstrebenden Einzelinteressen, die es im Kabinett natürlich und berechtigterweise gibt, durchzusetzen, dass wir spätestens 2011 im Bundeshaushalt bei der Neuverschuldung eine Null stehen haben,
eine Null, was zusätzliche Kredite betrifft.
Den Zeitungen und manchen Reden hier zufolge müssten wir im Geld schwimmen. Im Unterschied dazu muss man das sehen, was real hereinkommt. Es ist richtig: Wir haben eine sehr gute Konjunktur, gestützt vor allen Dingen auf die Reformen der Jahre 2002 bis 2005, verstärkt durch die vergangenen zwei Jahre, insbesondere durch die Impulse, die wir gegeben haben, durch das Vertrauen, das die Bevölkerung in die Bundesregierung gesetzt hat, und durch eine Finanzpolitik, die sich nicht nur dadurch auszeichnet, Nein zu sagen. Das klassische Haushälter-Nein ist zu einem Gestaltungs-Ja geworden. Dieses Gestaltungs-Ja heißt, dass man nicht nur spart und kürzt, so wie das von den Kollegen der FDP gefordert wurde, sondern auch wichtige Zukunftsbereiche stärkt.
Ich glaube, dass dem Kabinett damit insgesamt ein Entwurf gelungen ist, der sehr ausgewogen ist. Ich nenne Bereiche wie Forschung und Entwicklung, aber auch Infrastruktur. Ich denke an unsere internationalen Verpflichtungen im Rahmen der ODA-Quote. Diese Ausgaben sind maßvoll und tragen zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes bei.
Wir planen im Jahr 2008 eine Nettokreditaufnahme von 12,9 Milliarden Euro. Unser Ziel als Haushälter ist es - der Kollege Kampeter hat schon darauf hingewiesen -, diese möglichst noch zu senken; denn jeder Euro Kredit, den wir in einem Jahr mehr aufnehmen, heißt mehr Zinsen im nächsten Jahr und weniger Spielraum. Wir wollen aber wieder Spielraum zurückgewinnen. Spielraum wurde uns ja auch genommen, nämlich durch Entscheidungen der vergangenen 30 Jahre, die von allen Fraktionen hier - da sind wir nicht schuldlos - mitgetragen wurden.
Es ist richtig, dass wir mit der Finanzplanung und mit dem Kurs, den der Finanzminister vorgegeben hat, aus der Schuldenfalle herauskommen. ?Raus aus der Schuldenfalle“ heißt nicht, dass wir dann, wenn wir einen ausgeglichenen Bundeshaushalt erreicht haben, stehenbleiben können. Wenn ich an das Grundsatzpapier von Wirtschaftsminister Glos denke, sehe ich da einen Dissens; den muss man klar benennen. Mein Ziel und das Ziel der SPD ist es, dass wir dazu kommen, Schulden zu tilgen, nachdem wir in guten Zeiten den Ausgleich erreicht haben werden, das heißt 2011, hoffentlich schon früher, mit den Mitteln, die wir einnehmen, auch auskommen. Jede Verschuldung von heute ist die Steuererhöhung von morgen.
Ich möchte an dieser Stelle den Präsidenten des Bundesrechnungshofs zitieren, der heute in der Frankfurter Rundschau ein sehr bedenkenswertes Interview gegeben hat, was die Frage von Steuersenkungen angeht; Kollege Kampeter hat das schon angesprochen. Das ist ein bisschen irreal. Wir sind im Jahr 2008. Wir nehmen noch neue Schulden auf. Ich habe den Eindruck, dass sich die Union schon auf die Wahlauseinandersetzung vorbereitet. Das ist noch zwei Jahre hin, Kolleginnen und Kollegen. Wir haben noch tüchtig zu tun.
Im Interview heißt es:
Immer lauter wird der Ruf nach Steuersenkungen. Selbst die Bundesbank spricht sich dafür aus. Sie auch?
Ganz offen:
Nein. Wir haben keine Luft, jetzt schon wieder die Steuern zu senken. Sollten wir wirklich irgendwann einen Bundeshaushalt mit Überschüssen bekommen, müssten wir doch endlich damit anfangen, unsere Schulden zurückzuzahlen.
- Jeder Normalbürger würde dies auch tun.
Warum ist es besser, das Defizit statt die Steuern zu senken?
Erstens muss der Bund seine drückende Zinslast mindern. Zweitens … muss Schluss sein mit der Haltung: Wir machen den Gürtel weiter, aber bezahlen muss es die künftige Generation.
Die Verschuldensregel hat im Laufe der Debatte heute schon eine Rolle gespielt. Ich stimme mit den Kriterien, die der Bundesfinanzminister hier genannt hat, eins zu eins überein. Ich bin mir auch sicher, dass wir zu einem guten Ergebnis kommen, das es uns künftig ermöglicht, auch in schlechten Zeiten noch politisch tätig zu sein und in guten Zeiten mit dem Geld nicht nur auszukommen, sondern letztlich auch von der bedrückenden Schulden- und Zinslast herunterzukommen.
Hier nur ganz kurz die Zahlen: Wir haben im Jahr 2007 Ausgaben für Zinsen in Höhe von knapp 40 Milliarden Euro und am Ende des Zeitraums der Finanzplanung in Höhe von fast 46 Milliarden Euro. Was könnte man mit diesem Geld alles anfangen, und wo könnte man nicht überall zusätzliche Investitionen vornehmen? Ich denke an den Ausbau der Kinderbetreuung oder die Erhöhung des BAföG-Satzes, was für uns als SPD-Fraktion ein wichtiger Punkt ist. Von daher finde ich, springt man zu kurz, wenn man, wie Herr Glos es vorgeschlagen hat, dabei stehen bleiben würde, statt in guten Zeiten Vorsorge zu treffen.
Diese widersprüchliche Auffassung wird auch noch an einem anderen Punkt deutlich: Herr Kampeter und Herr Meister haben die Frage der Höhe des Arbeitslosenversicherungsbeitrages angesprochen und eine Senkung von 3,5 Prozent anheimgestellt.
- ?Auf“ 3,5 Prozent, ich korrigiere mich. - Nun sind wir in einer sehr guten konjunkturellen Situation. Der Überschuss bei der Bundesagentur hat maßgeblich auch mit den Reformen bei der Arbeitsverwaltung zu tun. Ich finde, gerade in guten Zeiten müssen wir Vorsorge für schlechte Zeiten treffen. So haben wir in den vergangenen zehn Jahren etwa 40 Milliarden Euro aus Steuermitteln an die Bundesagentur für Arbeit überwiesen. Wenn wir den Beitragssatz jetzt senken, müssten wir ihn in schlechten Zeiten sofort wieder erhöhen. Ist es nicht sinnvoller, logischer, plausibler und auch gerechter, in guten Zeiten Vorsorge für kommende schlechte Zeiten zu treffen?
Ich bin der Auffassung, das sollten wir tun.
Im Übrigen muss die Bundesagentur ja auch ihre Arbeit machen können. Das ist wichtig gerade für strukturschwache Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. So bin ich froh, dass im nächsten Jahr für aktive Arbeitsmarktpolitik 6,4 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Diese sollten wir auch möglichst gezielt zum Nutzen der Menschen einsetzen.
Ich möchte zum Abschluss noch auf ein Missverhältnis zu sprechen kommen, das in diesen Tagen immer wieder unter dem Stichwort ?gesamtstaatlicher Haushaltsausgleich“ debattiert wird. Ja, wir werden spätestens 2008 einen gesamtstaatlichen Haushaltsausgleich haben. Das heißt, alle staatlichen Ebenen und die Sozialversicherungen zusammengenommen werden genauso viel einnehmen wie sie ausgeben. Hier gibt es aber Unterschiede: Der Bund zum Beispiel wird noch weiterhin ein Defizit haben. Das ist manchmal schwer zu erklären, ist aber Folge der Verhandlungen im Bundesrat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, die im Hinblick auf die Aufgaben immer zulasten des Bundes ausgingen. So kommt es zustande, dass die Kommunen insbesondere aufgrund der Stärkung der Gewerbesteuer, die wir im Rahmen der Unternehmensteuerreform vorgenommen haben - das ist in Richtung der Linken gesagt -, einen Überschuss aufweisen und somit die Möglichkeit haben, vor Ort Sozial- und Wirtschaftspolitik zu betreiben, und ebenso auch die Länder in diesem Jahr einen Überschuss erzielen, wahrscheinlich in Höhe von etwa 7 Milliarden Euro, während der Bund ein Defizit aufweist.
Ich will einmal fragen - heute ist kein Vertreter des Bundesrates anwesend; sie scheinen alles bekommen zu haben -, ob im Zusammenhang mit den Deckungsquoten jede staatliche Ebene auch den Ausgleich auf der Einnahmenseite bekommt, der ihr für ihre Ausgaben zusteht. Denn es steht uns als Bund ein Mehrwertsteuerpunkt in Höhe von 7 bis 8 Milliarden Euro zu. Auch möchte ich den Bundesfinanzminister nachhaltig in seiner Auffassung unterstützen, dass weitere Zusagen in Richtung der Länder oder der Kommunen seitens des Bundes nicht möglich sind, da wir insgesamt die schlechteste Finanzierungsstruktur und das höchste Defizit haben. Wer hätte denn gedacht, dass ein Land wie Berlin, das vor nicht allzu langer Zeit wegen Haushaltsnotlage gegen den Bund geklagt hat, aber vom Bundesverfassungsgericht nicht Recht bekommen hat, plant, im Jahre 2009 ohne neue Schulden auszukommen? Dies alles sollte uns nachdenklich stimmen.
Wir als Haushälter werden uns bemühen, diesen guten Entwurf der Regierung noch ein bisschen besser zu machen, auch die Intentionen des Parlaments einzubringen
und möglichst das Defizit des Bundes zu senken. Ich denke, wir sind dabei auf einem guten Weg.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Dr. Dietmar Bartsch spricht jetzt für die Linke.
Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE):
Gerade jetzt geht die Bundeskanzlerin, wo jemand aus ihrem Bundesland spricht.
- Ja, wahrscheinlich hat sie Angst; das wird es sein.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Koalitionsvertrag steht so schön: ?Deutschland braucht einen Dreiklang aus Sanieren, Reformieren und Investieren.“ Frau Merkel betont das immer wieder, und auch Herr Steinbrück hat das heute in seiner Rede angesprochen. Das klingt sehr schön und ist auch richtig. Aber das Stück, das Sie den Menschen seit 2005 vorspielen, ist nicht so harmonisch. Es ist für viele Menschen in diesem Land schlecht.
Zunächst zwei Klarstellungen zu Ihrer Rede. Die erste: Nicht Sie, Herr Bundesfinanzminister, nicht die Bundesregierung, sondern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnen und Rentner, die Hartz-IV-Empfänger und diejenigen, die kein Hartz IV bekommen, obwohl sie arbeitslos sind, sowie der Mittelstand, das sind diejenigen, die zu den besseren Ergebnissen des Bundeshaushalts beigetragen haben.
Die zweite Klarstellung bezieht sich auf Ihre Reformen. Ich will nur auf eine in Kürze eingehen, die Gesundheitsreform, über die Sie gar nicht mehr reden. Ich finde, allein das sagt sehr viel. Die Gesundheitsreform macht Kranke und Pflegebedürftige nicht schneller gesund; aber sie führt dazu, dass die medizinische Versorgung für die Menschen teurer und die Zweiklassenmedizin weiter verfestigt wird. Die Finanzierung ist unklar, und die Krankenkassenbeiträge sind gestiegen. Das ist das einzige Ergebnis dieser Reform.
Warum ist die Haushaltslage besser? Wir alle wissen, dass die Steuergesetze der Bundesregierung das Kernstück sind. Ich will auf das zurückkommen, was auch von der FDP schon erwähnt worden ist: Die Mehrwertsteuererhöhung entzieht den Konsumenten 20 Milliarden Euro. Wissen Sie, was Voodoo-Ökonomie ist, Herr Steinbrück? Wenn die SPD vor der Wahl von 0 Prozent Mehrwertsteuererhöhung spricht, die CDU von 2 Prozent Mehrwertsteuererhöhung und das Ergebnis dann bei 3 Prozent liegt. Das ist Voodoo-Ökonomie, und nicht das, was Sie den Linken vorwerfen.
Bei der Entfernungspauschale, die die Betroffenen im Übrigen auch 2,5 Milliarden Euro kostet, ist es ähnlich. Nicht Sie oder ich oder das Haus entscheiden, ob das verfassungskonform ist; das wird das Verfassungsgericht feststellen. Mir ist nur wichtig, dass Sie das haushalterisch berücksichtigen. Das wäre sinnvoll und notwendig.
Ich will noch auf zwei Punkte zu sprechen kommen. Wer musste beim Sparerfreibetrag die Kosten in Höhe von 750 Millionen Euro tragen? Diejenigen, die etwas für ihre Altersvorsorge getan haben, denn die trifft diese Reduzierung. Es geht also wieder gegen die sozial Schwächeren. Das gilt auch für die Kindergeldzahlungen. Den Eltern werden in diesem Jahr 700 Millionen Euro genommen. Wenn das jemanden wie mich trifft - zweimal im Übrigen -, dann ist das nicht so schlimm. Aber viele Kinder von sozial Schwächeren können deshalb nicht mehr studieren. Das ist das Problem Ihrer Politik.
Ich will ein weiteres Missverständnis, das man zur Halbzeit der Legislaturperiode auch in der Öffentlichkeit häufig hört, ausräumen. Die Große Koalition hat in den Jahren 2006 und 2007 neue Schulden in Höhe von über 40 Milliarden Euro aufgenommen. Mit dem Haushalt 2008 wollen Sie weitere 12,9 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Damit plant die Bundesregierung, die Zinszahlung von 37,5 Milliarden Euro auf 42,1 Milliarden Euro zu schrauben. Wir leben zulasten unserer Kinder und Enkel. Das ist keine Generationsgerechtigkeit. Da haben Sie ausnahmsweise recht. Das ist eine gigantische Umverteilung von unten nach oben, weil die Banken davon profitieren.
Es ist ein Riesenfehler, dass Sie nur so geringe Investitionen planen. Jährliche Steigerungsraten von 300 Millionen Euro sind viel zu wenig. Da hat Herr Kampeter ausnahmsweise recht. Wenn Sie die Investitionen bis 2011 sogar um 600 Millionen Euro senken wollen, dann ist das unverantwortlich. Die Linke fordert ein Zukunftsprogramm für Jugend und Innovation. Wir fordern Investitionssteigerungen, um Arbeitsplätze zu schaffen und weitere zu initiieren. Ihr politisches Kredo ist dafür verantwortlich, dass immer mehr Arme trotz Konjunktur ärmer werden, dass es die erschreckende Kinderarmut gibt und dass die Reichen immer zahlreicher in diesem Land werden. Die Bundesregierung strebt offensichtlich danach, beim Wachstum der Zahl der Superreichen Spitze zu sein. Das ist unsozial und unsolidarisch. Das muss nicht sein, es geht anders.
Es ist falsch, wenn Sie behaupten, in Deutschland sei nicht mehr Geld für eine soziale Politik vorhanden.
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. 2006 stieg die Zahl der Vermögensmillionäre in Deutschland um über 4 Prozent auf 798 000. Zur gleichen Zeit stieg das Bruttoinlandsprodukt nur um 2,3 Prozent. Das ist Ausdruck Ihrer Politik: mehr Vermögensmillionäre, deren Zahl immer deutlicher steigt. Das ist nicht nur sozial ungerecht, sondern viel schlimmer.
Sie sagen immer, wir würden keine Vorschläge machen. Aus Zeitgründen will ich nur einen einzigen machen, und zwar, weil der auch in der Diskussion ist, die Erbschaftsteuer. Manche sagen, man müsse sie abschaffen. In den nächsten Jahren werden nach Berechnungen der Dresdner Bank in Deutschland 1,3 Billionen Euro vererbt. Es ist die Pflicht der Politik, die haushalts- und verteilungspolitische Funktion der Erbschaftsteuer für das Gemeinwesen zu nutzen.
Deswegen muss es darauf ankommen, hier Mehreinnahmen zu erzielen, bei hohen Freibeträgen und so, dass keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Das ist völlig richtig.
Ich kann Ihnen nur empfehlen, einmal die Erbschaftsteuer in den USA anzuschauen. Hätten wir eine vergleichbare Regelung, dann würden wir in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro mehr in den Kassen haben. Das wäre eine richtige Politik. Wir brauchen eine sozial verantwortliche Reform der Erbschaftsteuer mit - dies betone ich ausdrücklich - angemessenen Freibeträgen. Herr Steinbrück, Sie sanieren zu wenig, Sie reformieren zulasten der Mehrheit, und Sie investieren zu wenig. Das bringt Ihr Haushalt zum Ausdruck.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt hat der Kollege Georg Fahrenschon das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Georg Fahrenschon (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Woche ist dadurch gekennzeichnet, dass wir den Bundeshaushalt 2008 einbringen. Das bedeutet, dass in den kommenden Wochen jeder Einzelplan durchgearbeitet wird und dass wir noch einmal versuchen, den Regierungsvorschlag in jedem einzelnen Punkt zu optimieren. Warum gehen wir guten Mutes daran? Wir tun dies, weil wir nach zwei Jahren zur Halbzeit der laufenden Periode durchaus erfolgreich und zufrieden auf die Zusammenarbeit der Großen Koalition zurückblicken können.
Lieber Kollege Bartsch, ich will versuchen, dies in vier Punkten unter der Überschrift ?Was haben die Menschen im Land von der Politik der Großen Koalition?“ noch einmal darzustellen. Als Erstes ist hier die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts im Jahresschnitt zu nennen. Im Jahresdurchschnitt 2005 lag dieser Wert bei mageren 0,9 Prozent. Im Jahresdurchschnitt 2006 lag er bei 2,8 Prozent. Im laufenden Jahr schaffen wir vielleicht sogar einen Wert mit einer 3 vor dem Komma. Die Prognose ist weiterhin gut. Wir haben in diesem Land weiterhin Wachstum. Das heißt, wir haben einen Zuwachs an Arbeitsplätzen und an Beschäftigung. Wir geben den Menschen in diesem Land eine Zukunft.
Zweitens nenne ich die Arbeitslosenzahlen. Im Durchschnitt des Jahres 2005 gab es 4,86 Millionen Menschen, die ohne Lohn und Brot und damit ohne Perspektive waren und ohne Zukunft in unserem Land gelebt haben. Wir haben diese Zahlen auf nur noch 3,7 Millionen - das ist der Wert für August - reduzieren können. Die Prognose lautet, dass wir die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter senken. Wir geben den Menschen eine Perspektive. Wir geben den Menschen eine Zukunft. Das ist eine weitere gute Nachricht.
Drittens nenne ich das Defizit. Im Jahr 2005 erfolgte mit einem Defizit von über 3 Prozent der wiederholte Bruch des Europäischen Stabilitätspaktes. Der genaue Wert lag bei 3,2 Prozent. In diesem Jahr lautet die Prognose, dass dieser Wert bei 0,5 Prozent liegen wird. Gesamtstaatlich gesehen, könnten wir sogar schon in diesem Jahr einen Ausgleich schaffen. Das heißt, wir haben in diesem Jahr ein Defizit abgebaut. Endlich halten wir in Europa wieder Verträge ein. Wir kommen wieder unserer Vorbildfunktion nach. Das ist ein gutes Zeichen für die Menschen. Die Prognose lautet auch hier, dass wir auf dem besten Weg sind.
Viertens komme ich zur Nettokreditaufnahme. Noch im Jahr 2005 waren wir in einer Situation, in der wir gezwungen waren, neue Schulden in Höhe von 31,2 Milliarden Euro aufzunehmen. Die Große Koalition hat diesen Bedarf an Haushaltsunterdeckung in den letzten zwei Jahren halbieren können. Diesen Weg gehen wir weiter. Das erklärte Ziel der CDU/CSU-Fraktion ist es, noch in dieser Periode ohne die Aufnahme von neuen Schulden auszukommen. Dies erst 2011 zu erreichen, ist uns zu spät. Wir wollen das früher erreichen. Das ist in den nächsten Wochen das wesentliche Ziel unserer Haushaltsarbeit.
Dafür haben wir gute Gründe, denn wir sind der festen Überzeugung, dass wir uns in der jetzigen guten wirtschaftlichen Situation anstrengen müssen, um uns auf schlechtere Zeiten, die wieder drohen, vorzubereiten. Um dies zu erläutern, habe ich nach einem passenden Bild gesucht. Wir alle sind aus dem Sommerurlaub zurück; die einen waren am Meer, die anderen waren in den Bergen. Ich glaube, der Bergsport liefert ein gutes Bild. Warum ist die Eigernordwand so eine große bergsportliche Herausforderung? Warum gibt es viele Menschen, die versuchen, diesen Berg zu bezwingen? Natürlich ist ein Grund das Gefühl, es geschafft zu haben, auf dem Gipfel zu stehen, nach unten zu schauen und zu sagen: Ich habe eine Leistung vollbracht. Der wesentliche Punkt aber ist die Vorbereitung. Was macht die Eigernordwand so schwierig? Was macht sie einerseits so herausfordernd, andererseits aber auch so gefährlich? Es sind nicht nur einzelne Kletterpassagen, sondern es ist die Tatsache, dass man in der Eigernordwand mit plötzlichen Wetterumschwüngen rechnen muss. Außerdem muss man sich mit der Länge der Route auseinandersetzen. Deshalb passt das Bild von der Besteigung der Eigernordwand, eines der interessantesten Berge, die wir in Europa haben, auch zu den Arbeiten am Bundeshaushalt 2008.
Ja, die Entwicklung der öffentlichen Finanzen ist positiv. Der Weg der Haushaltskonsolidierung einerseits und die gezielte Wachstumsförderung andererseits haben sich als richtige Instrumente erwiesen, das zu Beginn der Legislaturperiode stagnierende Wirtschaftswachstum wieder in Schwung zu bringen und vor allen Dingen auf hohem Niveau zu stabilisieren. Das hat auch der aktuelle Stresstest gezeigt, den wir gerade durchleben. Die Tatsache, dass die dramatische Krise am US-Subprime-Markt uns in Deutschland zwar in Mitleidenschaft zieht, aber es zu keinem Flächenbrand gekommen ist, zeigt, wie stark der Finanzplatz Deutschland ist.
Von dieser Stelle aus gilt mein besonderer Dank nicht nur dem Bundesfinanzminister, sondern insbesondere auch dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank, weil er im Rahmen des Krisenmanagements an zentraler Stelle dafür gesorgt hat, dass keine Bank zusammenbricht und dass der deutsche Finanzmarkt aus dieser wirklich schwierigen Situation gut herausgekommen ist.
Diese positive Stimmung darf uns jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin erheblicher Konsolidierungsbedarf besteht. Denn auch im kommenden Jahr besteht nach wie vor ein strukturelles Defizit in Höhe von immerhin 23,5 Milliarden Euro. Deshalb ist es gerade in konjunkturell guten Zeiten, also sozusagen bei einer guten Wetterlage, von großer Wichtigkeit, die weiterhin bestehenden Haushaltsungleichgewichte rasch zu beseitigen und, der Intention der europäischen Haushaltsregeln folgend, eine ausgeglichene Haushaltsposition zu erreichen und zu sichern.
Die Grundregel gilt: Nur eine Überschussposition bei günstiger Konjunkturlage ermöglicht auch bei schlechtem Wirtschaftsklima, die nationalen und europäischen Vorgaben einzuhalten. In diesem Sinne, Herr Bundesfinanzminister, sagen wir: Wir brauchen eine Regel, die atmende Haushalte ermöglicht. Dazu gehört aber, dass wir in guten Zeiten Überschüsse erwirtschaften, dass wir in normalen Zeiten einen ausgeglichenen Haushalt haben und dass wir nur in speziellen Ausnahmefällen ins Defizit gehen.
Ich komme zum Schluss.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Das wäre gut.
Georg Fahrenschon (CDU/CSU):
Solide Staatsfinanzen sind kein Selbstzweck. Sie sind die unumgängliche Voraussetzung zur Wiedergewinnung der haushaltspolitischen Spielräume, die wir zur Finanzierung von zentralen Zukunftsinvestitionen und zur weiteren Rückführung der Steuerbelastung brauchen. Nur mit Wachstum schaffen wir den Verschuldungsabbau. Wer glaubt, wir könnten uns die unendlich große Summe von 1 500 Milliarden Euro an gesamtstaatlicher Verschuldung aus den Haushalten schwitzen, der irrt. Wir müssen auf Wachstum setzen, weil wir nur durch Wachstumsimpulse in die Lage versetzt werden, die Verschuldung abzubauen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, das muss jetzt Ihr letzter Satz gewesen sein.
Georg Fahrenschon (CDU/CSU):
Wir haben meines Erachtens schon schwierige Passagen hinter uns gebracht und den richtigen Weg eingeschlagen. Zum Ausruhen ist es jedoch zu früh. Wir müssen jetzt bei gutem Wetter Vorkehrungen gegen kommende schwierige Passagen und auch gegen schlechtes Wetter treffen. Denn es liegt noch ein langes Stück Weg vor uns.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Ich gebe jetzt dem Kollegen Jörg-Otto Spiller für die SPD-Fraktion das Wort.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Fahrenschon, das Bild von der Eigernordwand ist etwas heikel. Mir würde es im Zusammenhang mit dem Schuldenberg reichen, wenn wir uns in Richtung Brocken bewegen würden. Das wäre mir lieber; die Eigernordwand ist mir ein bisschen zu steil und zu massiv.
Deutschland befindet sich in einem soliden wirtschaftlichen Aufschwung, wie wir ihn seit geraumer Zeit nicht mehr gehabt haben. Das reale Wirtschaftswachstum betrug im vorigen Jahr rund 2,8 Prozent. In diesem Jahr erwarten Bundesbank und die Wirtschaftsforschungsinstitute ähnlich wie für 2008 ein reales Wachstum in der Größenordnung von 2,5 Prozent.
Herr Kollege Dr. Solms, erfreulicherweise hat sich auch bei den Komponenten des Wachstums, also bei der Nachfrage, ein Wandel ergeben. Wir haben nicht mehr ausschließlich eine starke Auslandsnachfrage. Hauptträger des Wachstums in diesem Jahr ist vielmehr die hocherfreuliche Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen der deutschen Wirtschaft.
Alles spricht dafür, dass im zweiten Halbjahr 2007 und im Jahre 2008 die Belebung des privaten Verbrauches hinzukommt, sodass wir schon jetzt sagen können: Wir haben eine solide Basis des Wachstums, die sich nicht ausschließlich auf unsere erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und die starke Auslandsnachfrage stützt, sondern breit gestreut ist. Die Basis ist solide. Das ist meiner Ansicht nach ein großer Vorteil.
Es besteht die Situation - das ist neu -, dass es bei einem Wachstum von gut 2 Prozent eine deutliche Belebung der Beschäftigung gibt. Wir haben heute rund 500 000 mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse als vor einem Jahr. Bei der Arbeitslosigkeit ist ein Rückgang von fast 700 000 im Vergleich zum August 2006 zu verzeichnen. Das darf man nicht beiseiteschieben. Ich behaupte ja nicht, dass es ausschließlich Verdienst der Politik gewesen ist, dass wir diese Entwicklung erreicht haben. Viele haben dazu beigetragen; einige Kolleginnen und Kollegen haben es vorhin schon angesprochen. Zur Wiedererlangung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit weltweit beispielsweise haben Arbeitnehmer und Unternehmen erheblich beigetragen.
Zur Verbesserung der Situation hat aber auch beigetragen, dass wir in der vorigen Wahlperiode den Mut gehabt haben, Reformen am Arbeitsmarkt durchzusetzen, die überhaupt nicht bequem waren und die uns viel Streit und Auseinandersetzungen eingebracht haben, die sich jetzt aber auszahlen und die greifen. Es ist eine Zunahme der Beschäftigung zu verzeichnen. Bei einer erhöhten Zahl von offenen Stellen ist es leichter geworden, einen neuen Job zu bekommen. Besonders erfreulich finde ich: Der Rückgang bei der Langzeitarbeitslosigkeit ist überproportional hoch. Dies hat zwei Gründe: Zum einen dauert es nicht mehr sehr lange, bis jemand aus der Arbeitslosigkeit heraus eine neue Anstellung findet. Zum anderen hat inzwischen - das ist aber noch steigerungsfähig - im Bereich des Arbeitslosengeldes II ein Rückgang von gut 11 Prozent stattgefunden.
Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Darauf können wir, so finde ich, stolz sein. Das sage ich als Sozialdemokrat mit besonderem Bewusstsein; dazu haben ja mehrere beigetragen. Es ist ein Erfolg der vorangegangenen Regierung, dass wir diese Entwicklung am Arbeitsmarkt haben.
Angesichts der Situation beim Wachstum und der Zunahme der Beschäftigung ist es kein Wunder, dass die Steuerquellen relativ kräftig sprudeln. Es ist nicht in erster Linie der notwendigen Erhöhung der Mehrwertsteuer und dem Abbau von Steuervergünstigungen an verschiedenen Stellen zu verdanken, dass es heute eine kräftigere Zunahme der Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden gibt. Dies ist vielmehr ein Spiegelbild der besseren wirtschaftlichen Entwicklung. Ich schließe mich dem an, was Kollege Fahrenschon gesagt hat: Wirtschaftliches Wachstum ist eine Grundvoraussetzung für die Haushaltskonsolidierung.
Ich drehe das allerdings auch um: Ohne solide Staatsfinanzen wird es schwierig werden, auf Dauer ein nachhaltiges Wachstum in Deutschland zu erreichen.
Zum Stichwort ?Verschuldung“. Kollege Koppelin hat so getan - er ist leider nicht mehr anwesend -, als sei die FDP, die in Deutschland eine Weile mitregiert hat - es war nicht viel mehr als drei Viertel der Zeit, seit es diese Bundesrepublik gibt -, für die heutigen Schulden im Bundeshaushalt nicht verantwortlich.
- Herr Kollege Dr. Solms, von den heutigen Schulden des Bundes stammen 80 Prozent aus Zeiten, in denen die FDP im Bund mitregiert hat.
Ich werfe Ihnen das gar nicht vor. Der Ehrlichkeit halber sollte man aber nicht so tun, als hätte Herr Koppelin gar nichts damit zu tun, bloß weil er erst 1990 in den Bundestag gewählt wurde. Das stimmt nicht.
Noch eine kleine Erwiderung bzw. Korrektur: Sie, Herr Dr. Solms, haben gefragt, wann die Große Koalition endlich einen Entwurf zur Reform der Erbschaftsteuer vorlegt. Wir müssen ihn schon solide erarbeiten.
- Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat Ende Januar dieses Jahres seine Entscheidung vorgelegt. Sie müssen auch die Begründung lesen; es reicht nicht, nur die zwei Leitsätze zu lesen. Man muss sich die Entscheidung schon genau anschauen. Der Bund bzw. die Große Koalition und die Länder haben eine solide Vorarbeit geleistet. Daher werden wir eine vernünftige Regelung finden.
- Das haben wir schon vor geraumer Zeit getan. Wenn Sie darauf hoffen, dass die Erbschaftsteuer abgeschafft wird, muss ich Sie enttäuschen. Dazu wird es nicht kommen.
- Das ist schön. Dann haben wir ja Ihre Unterstützung. Das freut mich.
Ich möchte das, was die Kollegen Schneider, Poß und der Bundesfinanzminister gesagt haben, unterstreichen: Wenn der Haushalt in einem Jahr ausgeglichen ist, haben wir die Schulden trotzdem noch lange nicht abgebaut. Es ist schon ein Problem, wenn man einen solchen Brocken vor sich hertragen muss. Die Verpflichtung, jedes Jahr Zinsen zu zahlen, engt natürlich den Handlungsspielraum der künftigen Generationen ein. Gleichwohl sage ich: Wir müssen auch die für das Wachstum entscheidenden Komponenten stärken; es ist richtig, dass wir für Forschung und Entwicklung sowie für Bildung mehr Geld ausgeben als in der Vergangenheit. Es ist notwendig, dass wir die Handlungsfähigkeit des Staates in den Bereichen innere und äußere Sicherheit gewährleisten; ich sage das bewusst am 11. September. Dass wir es geschafft haben, hinsichtlich der Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder zwischen einem und drei Jahren eine Verständigung zu erzielen - 35 Prozent eines jeden Jahrgangs sollen einen solchen Betreuungsplatz erhalten -, und dass ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz besteht, sind große Leistungen, die der Zukunftssicherung dienen.
Wenn ich mir den Einfluss der sozialdemokratische Sozialpolitik auf die Reformen in den Bereichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik in der vergangenen Wahlperiode und in diesem Jahr ansehe und wenn ich die von der Koalition insgesamt getragene Entwicklung hinsichtlich Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrachte, muss ich ganz freimütig sagen: Ich bin froh, dass so viel sozialdemokratische Handschrift in der Politik dieser Regierung zu erkennen ist.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
Jörg-Otto Spiller (SPD):
Herr Kollege Dr. Solms, möglicherweise hängt die Zukunft von den heutigen Friedensgesprächen zwischen FDP und Union ab. Es könnte ja sein, dass Herr Westerwelle der Kanzlerin morgen wieder vorwirft, sie bzw. ihre Politik sei zu sozialdemokratisch. Wir können damit leben. Unsere Handschrift lässt sich erkennen.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Einzelplan 10.
Als Erster hat das Wort der Kollege Bundesminister Horst Seehofer für die Bundesregierung.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe bei aufgehender Sonne zum Einzelplan 10 auch frohe Botschaften. Nach dem Weggang unseres bisherigen Parlamentarischen Staatssekretärs Peter Paziorek, der ja bekanntlich Regierungspräsident geworden ist, haben wir jetzt bei uns im Hause, also im Agrar- und Verbraucherschutzministerium, eine neue Staatssekretärin: unsere Kollegin Ursula Heinen, der ich auch hier vor dem Parlament noch einmal gratulieren möchte.
Ich bitte um gute Zusammenarbeit.
Der Einzelplan, den ich zu verantworten habe, steht unter guten Vorzeichen. Wir haben jetzt knapp zur Halbzeit dieser Legislaturperiode alles, was diese Koalition vereinbart hat, entweder längst erledigt, verabschiedet oder es steht kurz vor der Verabschiedung.
Das gilt zum Beispiel - das freut mich am meisten - dafür, dass der Haushaltsplan 2008 nach über zehn Jahren Kürzungen im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zum ersten Mal wieder einen Aufwuchs der Mittel für die Agrarstruktur vorsieht. Das bedeutet im Grunde nichts anderes, als dass wir mit unserer politischen Aussage Ernst machen, nämlich dass wir die ländlichen Räume wieder stärker fördern und nicht nur gut über die ländlichen Räume sprechen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Mittel werden in diesem Bereich von 615 auf 660 Millionen Euro aufwachsen. Das ist eine Komplementärfinanzierung mit den Bundesländern. Es ist nach Beginn der Kürzungen in diesem Bereich unter der Regierung Helmut Kohl und in Fortsetzung unter der Regierung Schröder zum ersten Mal seit über zehn Jahren wieder so, dass die Mittel nicht gekürzt werden oder stagnieren, sondern dass zusätzliches Geld verwandt wird.
Wir werden diese Mittel sehr stark in einem Bereich konzentrieren - dort sind sie auch gebunden -, und zwar auf die Breitbandversorgung, auf den Anschluss von strukturschwachen Räumen an das Internet. Ich glaube, es ist für die Entwicklung des ländlichen Raumes einer der zentralen Punkte, dass wir ihn ans Internet anschließen.
Der andere Teil der Mittel wird verstärkt in der Energieversorgung eingesetzt werden. Wir diskutieren sehr viel über CO2. Ich persönlich bin ein großer Anhänger einer stärkeren dezentralen Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Diese Mittelverwendung hätte zur Folge, dass wir nicht nur viel für den Klimaschutz tun und viele Zukunftsperspektiven für die Landwirte eröffnen, sondern dass wir auch dafür sorgen, die Wertschöpfung im ländlichen Raum zu verbessern.
Das ist der erste große Punkt, der mich freut.
Der zweite Punkt, der mich freut, sind die nachwachsenden Rohstoffe. Das ist mittlerweile eine feste Größe in der deutschen Agrarkultur. Wir bebauen etwa 13 Prozent der Ackerflächen mit nachwachsenden Rohstoffen. Unsere Vorstellung ist, dass wir diesen Anteil verdoppeln. Auch hier haben wir einen Mehrfacheffekt, nämlich den Beitrag zum Umweltschutz, die Einkommensmöglichkeiten für die Bauern und wiederum eine Stärkung des ländlichen Raumes.
Ich darf Sie unterrichten, dass wir vor wenigen Wochen gemeinsam mit dem Kollegen Tiefensee in Leipzig den Startschuss für das Deutsche Biomasse-Forschungszentrum gegeben haben. Das war ein wichtiger Punkt in unserer Koalitionsvereinbarung. Es hat etwas gedauert; aber ich bin immer dafür, dass man so etwas erst dann auf den Weg bringt, wenn Personal, Finanzierung und Organisation nicht nur für den Augenblick des Pressetermins, sondern auch nachhaltig für die nächsten Jahre gewährleistet sind. Das ist mittlerweile ein großes Gemeinschaftswerk: Der Bund, der Freistaat Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, die Wirtschaft und die Wissenschaft engagieren sich hier. Es ist schön, dass das Deutsche Biomasse-Forschungszentrum in Leipzig am 1. Januar des nächsten Jahres endgültig seinen Betrieb aufnehmen wird.
Wenn ich gleichzeitig sehe, dass im Bundeshaushalt 2008 erneut 50 Millionen Euro für den Bereich ?Nachwachsende Rohstoffe“ bereitgestellt werden, dann glaube ich, ist das ein guter Beweis dafür, dass wir diesen Sektor ernst nehmen. Die Biomasse - das wissen viele nicht - deckt mittlerweile rund 70 Prozent der regenerativen Energien in Deutschland ab. Man hat ja immer nur die Windräder, die Sonnenkollektoren oder die Wasserkraft im Auge. Aber mittlerweile ist es die Biomasse, die rund 70 Prozent des Bedarfs deckt.
Der dritte Punkt, der mir wichtig ist, ist die agrarsoziale Sicherung. Ich bitte unseren Koalitionspartner um Nachsicht, dass ich sage: Wir sind jetzt zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren in der Lage, die Höhe der Zuschüsse des Bundes zur agrarsozialen Sicherung beizubehalten. Wir müssen sie also nicht kürzen.
Das ist gegenüber den Bäuerinnen und Bauern gerechtfertigt. Sie haben nämlich einen sehr großen Strukturwandel erlebt, mit der Folge, dass es auf der einen Seite viele Leistungsempfänger aus der Vergangenheit gibt - die Fachleute nennen sie: die Altlasten - und dass auf der anderen Seite die Zahl der Beitragszahler aufgrund des Produktivitätsfortschritts immer geringer geworden ist. Insofern ist es für die bäuerlichen Familien sehr wichtig, dass der Bund seine Zusage einhält. Wir lassen die Höhe der Zuschüsse unverändert; darauf können sich die Bauern verlassen.
Würden wir beispielsweise unseren Zuschuss zur Unfallversicherung streichen, würde das für die meisten bäuerlichen Familien bedeuten, dass ihre Beiträge zu dieser Sozialversicherung um 50 Prozent erhöht werden müssten; das sind bei Jahresbeiträgen von 4 000 bis 5 000 Euro keine zu vernachlässigenden Größen.
Ich bin froh, dass der Staat seine Verlässlichkeit an dieser Stelle vorexerziert. Wir werden die Zuschüsse aufrechterhalten. Wir sind uns in der Koalition einig, dass auch die landwirtschaftliche Krankenversicherung teilhaben soll, wenn die allgemeine Krankenversicherung höhere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt bekommt.
Eine Behauptung, die immer wieder aufgestellt wird, möchte ich korrigieren: Es bleibt bei der beitragsfreien Versicherung der Kinder in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung; auch das ist pausenlos infrage gestellt worden.
Wir gehen jetzt eine Reform der landwirtschaftlichen Unfallversicherung an; sie ist bereits vom Kabinett beschlossen worden. Nach allem, was ich höre, wird diese Reform im Parlament noch zu intensiven Diskussionen führen, insbesondere was den Verwaltungsaufwand und die Organisation der landwirtschaftlichen Unfallversicherung betrifft; auch dieses Thema haben wir auf den Weg gebracht.
Drei Bereiche, die unmittelbar mit dem Haushalt bzw. mit Finanzen zusammenhängen - die GAK, also die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, die nachwachsenden Rohstoffe und die Verlässlichkeit in der agrarsozialen Sicherung -, wurden im vorliegenden Haushaltsentwurf für das Jahr 2008 sehr gut gelöst.
Ich darf darauf hinweisen, dass wir außerdem eine umfassende Reform der Ressortforschung auf den Weg gebracht haben, mit dem Ziel, dass wir nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene Reputation erwerben, und zwar auf allen Feldern: von der Pflanzenzucht bis hin zur Tiergesundheit.
Ich bin sehr froh, dass das in meinem Hause die Zustimmung des Personalrats gefunden hat, obwohl es mit personellen Veränderungen, mit Personalabbau und Ähnlichem verbunden ist. Bemerkenswert ist, dass mir der Personalrat, die Personalvertretung der Beschäftigten, immer wieder gesagt hat: Uns sind die Nachhaltigkeit und die Verlässlichkeit, dass es in den nächsten Jahren in die richtige Richtung geht und wir unser Tun stolz nach außen vertreten können, wichtiger als das Festhalten und Festklammern an einigen Planstellen. Ich halte eine solche Einstellung eines Personalrats in unserer Zeit für sehr bemerkenswert; denn gelegentlich wird das Gegenteil gesagt.
Den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Ressortforschung werden wir in den nächsten Wochen hier im Parlament beraten, allerdings - das habe ich beiden Koalitionsfraktionen zugesagt - mit einer Ausnahme, mit der wir uns noch beschäftigen müssen; dieses Thema lassen wir gerade vom Bundesrechnungshof überprüfen. Es geht um die Frage, ob die Bundesforschungsanstalt für Fischerei ihren Sitz in Hamburg oder Bremerhaven haben wird. Bis auf diese eine Ausnahme ist mittlerweile einvernehmlich mit den betroffenen Bundesländern über alle anderen Institute und Einrichtungen entschieden worden.
Ich bin froh, dass das Verbraucherinformationsgesetz in der nächsten Woche im Bundesrat zur Abstimmung steht. Das war eine sechsjährige Odyssee. Wäre sie früher beendet worden, hätte uns das in den aktuellen Problemfällen, was die öffentliche Nennung von Namen betrifft, sehr gedient. Dann hätte auch diese sechsjährige Odyssee, zu der ich nur eineinhalb Jahre beitragen konnte,
ein Ende. Ich glaube, dass ein ohnehin verfassungsgemäßes Gesetz jetzt noch verfassungskonformer geworden ist, und hoffe, dass der Bundespräsident seine Unterschrift unter dieses Gesetz setzen wird.
Ich darf darauf hinweisen, meine Damen und Herren, dass wir auch das ungeheuer sensible Thema Gentechnik nach sehr langen Beratungen in der Koalition vor dem Auftakt der parlamentarischen Beratungen zu einem vorläufigen Abschluss gebracht haben.
Ich glaube, wir können drei Dinge festhalten:
Erstens. Im Haftungsrecht bleibt es bei der verschuldensunabhängigen Haftung.
Zweitens. Wir haben in der Koalition vernünftige Regeln zum Abstand zwischen GVO-Anbau, Bioanbau und konventionellem Anbau festgelegt; der Abstand beträgt in dem einen Fall 150 Meter, in dem anderen Fall 300 Meter. Dadurch wird gewährleistet, dass die Koexistenz ihren Namen verdient. Koexistenz bedeutet nach dem Brockhaus nämlich das ?gute Nebeneinander von zwei Dingen“; politisch könnte man auch sagen: das friedliche Nebeneinander von zwei Dingen. Da wir Abstandsregelungen getroffen haben, durch die gewährleistet wird, dass es im Regelfall nicht zur Auskreuzung kommt, glaube ich, dass wir hier im Sinne der Verlässlichkeit einen ganz gewaltigen Schritt vorangekommen sind.
Ich sage ein Drittes: Wir wollen auch die Forschung in Deutschland voranbringen. Wir wären gut beraten, die sich in den Bereichen Entwicklung und Sicherheit stellenden Fragen durch Forschung in Deutschland zu beantworten, anstatt uns sozusagen künstlich unwissend zu halten. Letzteres wäre nicht in Ordnung.
Da es meine Nachredner wahrscheinlich dazu verleiten wird, etwas zu Gammelfleisch und Vogelgrippe zu sagen, noch wenige Sätze dazu.
Wir haben es bei der Vogelgrippe mit einer sehr ernsten Situation zu tun; dies verschweige ich nicht. Ich wünsche mir mehr Aufmerksamkeit für diese H5N1-Problematik, da sie für die Gesundheit der Menschen von ungleich größerer Bedeutung - hier lasse ich niemanden in Zweifel - als manches ist, was sonst im Lebensmittelbereich diskutiert wird. Wir sind mit Hochdruck dabei, zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Dieses gigantische Naturgeschehen hat mittlerweile große Nutzgeflügelbereiche in Bayern erreicht. Vom Impfstoff bis zur Ursachenforschung müssen wir alles tun, um die Gefahr für die Lebensmittelkette zu bannen. Ich erwähne dies nicht, weil wir hier etwa neue gesetzgeberische Maßnahmen brauchen, sondern weil ich den Blick darauf lenken will, dass die Herausforderung durch das H5N1-Virus um ein gewaltiges Stück größer ist als das, was wir gelegentlich unter dem Stichwort ?Ekel-? oder ?Gammelfleisch“ diskutieren. Hier geht es wirklich um eine potenzielle Gesundheitsgefährdung auch von Menschen durch Nutztierhaltung.
Meine Damen und Herren, zum Thema Gammelfleisch werden wir in der nächsten Woche im Ausschuss vorstellen, was wir von unseren 13 Punkten wie umgesetzt haben und was möglicherweise auf europäischer Ebene noch zu leisten ist. Aber eines mache ich bereits heute deutlich: Wir müssen mit der Übung aufräumen, dass bei jedem Vorkommnis - es gibt nicht an jedem Tag ein Vorkommnis; das ist eher selten - reflexartig nach neuen Paragrafen gerufen wird. Denken Sie bitte daran, dass jeder neue Paragraf die Anständigen in dieser Szene bestraft.
Es ist übrigens in allen Bereichen des Strafrechts selbstverständlich, dass man Rechtsumgehungen oft nur mithilfe der Bevölkerung aufklärt. Daher habe ich großen Respekt vor dem Lkw-Fahrer, der trotz einer gewissen arbeitsrechtlichen Gefährdung für sich selbst die Zivilcourage aufgebracht hat, zu erklären, er mache da nicht mehr mit.
- Ja, Herr Kollege, mein Staatssekretär ist beauftragt, zu schauen, für welche öffentliche Auszeichnung wir den Lkw-Fahrer vorschlagen können. Das hat er auch verdient.
Ein zweiter Grund, warum ich dagegen bin, dass man in diesem Bereich schon wieder reflexartig nach Paragrafen und Richtlinien ruft, ist, dass es in diesem Fall Hinweise der Nachbarschaft gegeben hat. Für solche Fälle einer komplexen Gesetzesumgehung haben die Bayern eine interdisziplinär besetzte Taskforce eingerichtet, die sich nicht darauf beschränkt, Fleisch optisch zu begutachten oder Laboruntersuchungen auszulösen, sondern die das tun kann, was hier notwendig gewesen wäre. Wenn 100 Tonnen und mehr Fleisch innerhalb Deutschlands verfrachtet werden, diese Verfrachtung aber in den Büchern nicht festgehalten wird, dann bedarf es einer sehr intelligenten, bei den Finanzämtern üblichen Durchforschung der Bücher. Wie kann es sein, dass 150 Tonnen, 180 Tonnen Fleisch verfrachtet werden, aber der Eingang und möglicherweise auch das Geld für dieses Fleisch in den Büchern nicht zu finden ist? Um so etwas nachzuvollziehen, muss man sich einige Tage hinsetzen. Dafür haben die Bayern die interdisziplinäre Gruppe. Nur, wenn die örtliche Behörde - das hat jetzt nichts mit der Bayerischen Staatsregierung zu tun - diese Taskforce nicht anfordert, weil man glaubt, man könne das Feuer aus eigener Kraft löschen, obwohl man Hilfe von außen braucht, dann hilft der schönste Paragraf nichts. Das ist in diesem Fall der zentrale Punkt.
Deshalb bin ich froh, dass die Sonne, die aufgegangen ist, als ich an das Rednerpult getreten bin, bis zum Ende meiner Rede geschienen hat.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Hans-Michael Goldmann spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Seehofer! Liebe Kollegen Parlamentarische Staatssekretäre! Herzlichen Glückwunsch, Ulla Heinen! Ich habe dir sogar einen Brief geschrieben, weil ich diesen Glückwunsch fristgerecht zum Ausdruck bringen wollte. Denn wir werden sicherlich noch Diskussionen haben, bei denen wir in der Sache unterschiedlicher Auffassung sind.
Herr Minister Seehofer, Sie haben eben zum Schluss so flapsig zwei, drei Sätze zu Gammelfleisch und Vogelgrippe gesagt. Wissen Sie, das ist der Kardinalunterschied zwischen meiner Arbeitshaltung und Ihrer: Ich beschäftige mich zunächst mit den wichtigen Dingen, die die Menschen beschäftigen, mit den Dingen, die Auswirkungen haben.
Der erneute Gammelfleischskandal - interessanterweise wieder in Bayern - hat Auswirkungen auf die gesamte Branche, hat Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in diesem Bereich. Das Problem der Vogelgrippe berührt eine große Anzahl von Menschen. Wenn ein paar Hunderttausend Tiere getötet werden müssen, geht das an den Menschen Gott sei Dank nicht spurlos vorüber. Deswegen ist es Ihre Kernaufgabe, sich in besonderer Weise diesen Aufgabenfeldern zu widmen. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang im Rahmen einer sogenannten Halbzeitbilanz einmal sagen, was bei Ihnen herumgekommen ist. Denn das ist erschreckend wenig, es ist enttäuschend.
Nehmen wir das Beispiel Gammelfleisch. Sie waren es doch, Herr Minister Seehofer, der das Aktionsprogramm erfunden und die Sofortzusammenkunft organisiert hat, und Sie sind es doch, der mit einem bescheidenen - um es vorsichtig zu formulieren - Verbraucherinformationsgesetz keine Schranke eingeschoben hat, die uns hilft, den - wenigen - kriminellen Elementen in diesem Bereich zu begegnen. Herr Minister Seehofer, Sie hätten doch die Möglichkeit gehabt, das Fleisch einfärben zu lassen. Es ist doch falsch, wenn Sie sagen, dass Sie das nicht hätten tun dürfen. Es ist schlicht falsch, wenn Sie erklären, dass es den kriminellen Elementen nicht entgegengestanden hätte, wenn Sie das Fleisch hätten einfärben lassen. Veterinäre haben dieses Fleisch wieder freigegeben. Wenn es eingefärbt gewesen wäre, hätte man es nicht freigeben können, und es wäre eben nicht dort gelandet, wo es den Menschen Schaden zufügt. Wenn Sie jetzt erklären: ?Super, klasse, diese Taskforce vor Ort!“, dann sage ich Ihnen: Sie waren es doch, der die Bundestaskforce wollte. Ich habe Ihnen gesagt, dass das dummes Zeug ist, weil sich die Situation vor Ort durch Leute, die einreisen, nicht kontrollieren lässt. Sie muss vor Ort im Auge behalten werden.
Beim Thema Gammelfleisch haben Sie also bis jetzt versagt.
Ich kann Sie nur dringend bitten, deutliche Verbesserungen herbeizuführen.
Nehmen wir das nächste Thema, die Vogelgrippe. Ich habe Sie gestern Abend auf Phoenix gesehen. Es ist nicht so, wie Sie es darstellen: dass man sich gegen Impfungen sperren müsse. Wir müssen uns auf den Weg machen, zu impfen. Das hat man zur Bekämpfung der Schweinepest gemacht, das muss man zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche machen, und das muss man auch bei der Vogelgrippe machen. Es ist eben nicht mehr so, dass das Virus irgendwann vorbeikommt; das Virus ist permanent unter uns. Deswegen müssen wir die hochunternehmerischen Bereiche, aber auch die anders orientierten Bereiche - die Freilandhaltung zum Beispiel, die Vogelzüchtung, die Hobbyhaltung, die Zootierhaltung - durch Impfen schützen. Da müssen wir einmal über den Tellerrand hinausschauen. Wir können doch nicht so tun, als ob die Niederländer mit ihrem Impfen ein bisschen blöd wären.
Die Niederländer gehen intelligente Wege. Diesen intelligenten Wegen müssen wir gemeinsam den Weg ebnen und dafür sorgen, dass dies auf europäischer Ebene und international Anerkennung findet. Wir müssen verhindern, dass ein Land aus Eigeninteresse nicht geimpftes Material nicht mehr von uns abnehmen will - nicht aus Angst davor, dass die Vogelgrippe eingeschleppt wird, sondern um einen Marktvorteil missbräuchlich zu nutzen. Dafür müssen Sie sich auf europäischer Ebene einsetzen. Dann brauchen Sie auch nicht mehr die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Entwicklung der ländlichen Räume einzusetzen. Der ländliche Raum kann sich dann nämlich aus eigener Kraft stärken. Unser politischer Ansatz sollte darin bestehen, unternehmerischen Landwirten Rückenwind zu geben und sie bei den anstehenden Herausforderungen zu unterstützen.
Ich will noch einen anderen Bereich ansprechen. Das ist, um ganz ehrlich zu sein, eine Geschichte wie aus dem Tollhaus. Dass Sie in einer Situation, in der ganz Deutschland über die Milchquote diskutiert, kein Wort zu Ihrer Position zur Milchquote sagen, ist ein Witz.
Wie soll denn ein deutscher Landwirt Vertrauen in Ihre Arbeit und in die Rentabilität seiner Investitionen bekommen, wenn Sie zu diesem Komplex nicht klipp und klar sagen, dass die Quote nichts gebracht hat und abgeschafft werden muss, damit unternehmerische Landwirte den Segen der globalen Entwicklung in diesem Bereich für sich in Anspruch nehmen können?
Wir haben es nicht mehr mit dem alten Problem der Überproduktion von Milch und Butter zu tun. Heute gibt es zu wenig Milch für gute Milchprodukte wie Butter. Wenn wir in unserem alten Quotensystem verharren, dann werden wir die Chance zur Weichenstellung für die Stärkung des ländlichen Raumes verspielen. Ich kann Sie aus meiner Sicht nur entschieden davor warnen, in dieser Frage Ihren Weg der Zögerlichkeit weiterzugehen.
Ich verstehe das auch nicht richtig. Dass Sie CSU-Vorsitzender in Bayern werden wollen, ist zwar Ihr gutes Recht, aber Sie können nicht Ihre fachliche Position an dieser persönlichen Interessenlage ausrichten. Sie können von mir aus der Meinung sein, der beste CSU-Vorsitzende zu sein. Aber Sie können nicht auf dem Deutschen Bauerntag in Bamberg den Ausstieg aus der Quote ankündigen und feststellen, dass Sie die Position des Deutschen Bauernverbandes in Begleitung dieses Ausstiegs akzeptieren, um dann kurze Zeit später Ihre eigene Position grundsätzlich infrage zu stellen und zu signalisieren, dass Sie noch nicht wissen, ob Sie am Ausstieg aus der Quote festhalten wollen. Das führt zu dem, was in der Landwirtschaft gegenwärtig festzustellen ist. Der Landwirtschaft geht es trotz Ihrer Politik zurzeit sehr gut, weil die globale Entwicklung hervorragend ist.
Ja, das ist so. Du kommst doch viel herum, Peter, und weißt selber, wie die Landwirte über die Politik von Herrn Seehofer denken. Das wissen wir alle. Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Sie sind maßlos enttäuscht.
Das wird auch in den Fachkreisen transportiert.
Sie sind deshalb enttäuscht, weil in Deutschland nicht konsequent die Weichen für gutes, praktisches Handeln mit der Chance zur Teilhabe an der globalen Expansion im Lebensmittelbereich im Hinblick auf Qualität und Sicherheit gestellt werden.
Diese Weichenstellung ist erforderlich. Die Weichen werden aber nicht über den Haushalt, sondern über eine gute, zukunftsorientierte Politik gestellt. Dabei sind Sie aber aus meiner Sicht und aus der Sicht der FDP fast alles schuldig geblieben.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht die Kollegin Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.
Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte schon den Eindruck, wir diskutieren über den Agrarbericht. Aber soweit mir bekannt ist, beraten wir heute den Haushalt. Insofern danke ich Ihnen, Herr Minister Seehofer, dass Sie den Haushalt kurz umrissen haben, und möchte nach der Rede von Herrn Goldmann auch wieder auf den Haushalt zurückkommen.
Wir haben einen Aufwuchs von 108 Millionen Euro. Das sichert - darauf hat Herr Minister auch hingewiesen - auf jeden Fall die Beiträge für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Damit bin ich schon beim ersten Punkt im Haushalt angelangt. Wir haben darin etwas unterschiedliche Auffassungen. Das haben Sie auch schon deutlich gemacht.
Wir haben - das haben wir im Koalitionsvertrag festgelegt - eine große Reform der landwirtschaftlichen Unfallversicherung vor uns. Das hatten wir uns in die Hand versprochen. Was wurde uns in diesem Sommer präsentiert? Wir haben eine Einigung bekommen, die mithilfe der Bundesländer möglich war. Das heißt, wir bekommen keine große, fortschrittliche Reform der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Wir hatten schon in den vergangenen Legislaturperioden an dieser Stelle zu kämpfen. Mein Appell geht nicht an das Ministerium. Die Verantwortung dafür, dass der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach 2009 Beitragssatzsteigerungen ins Haus stehen, haben vielmehr die Bundesländer. So geht es nicht weiter. Es kann nicht sein, dass der Bund ständig die Mittel in voller Höhe bereitstellt. Schließlich haben die Bundesländer die Hoheit über die Aufgabenverteilung. Aber sie tun nichts. Sie wollen sogar noch einen Lastenausgleich bei der Beitragsgestaltung. Nicht mit diesem Parlament!
Ich glaube, dass die Bundesländer hier in Zukunft noch etwas zu tun haben.
Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte, ist der Ökolandbau. Biologische Produkte erleben einen riesengroßen Boom in Deutschland. Sicherlich hätten die Bauern in den letzten Jahren hier viel stärker ins Feld ziehen können. Wir importieren nun viele Biolebensmittel. Das finde ich sehr schade. Dennoch ist es nicht der richtige Weg, hier die Mittel zu kürzen, sodass nur noch 10 Millionen Euro für den Ökolandbau vorgesehen sind. Wir haben im parlamentarischen Verfahren bis zur zweiten und dritten Lesung des Haushalts die Möglichkeit, Korrekturen vorzunehmen.
Ich hoffe, dass wir uns in den Fraktionen über einen zukunftsweisenden Weg im Ökolandbau verständigen.
Damit komme ich zum nächsten Punkt, zu den nachwachsenden Rohstoffen. Wir alle wissen, dass es eine Konkurrenz zwischen Lebensmitteln und Tierfutter einerseits sowie nachwachsenden Rohstoffen für Biotreibstoffe und Biogasgewinnung andererseits gibt. Wir können dem entgegentreten, indem wir sagen: Orientiert euch doch an Bio; wir helfen euch seitens des Bundes zumindest auf gleichem Niveau weiter. Ich denke, das ist eine Möglichkeit, noch eine Marke zu setzen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein breitbandiger Internetzugang. Das ist etwas ganz Neues. Die SPD hat schon seit Jahren gesagt: Ländliche Entwicklung ist mehr als Landwirtschaft. Genau aus diesem Grund bedanke ich mich sehr herzlich, Herr Seehofer, dass Sie hier einen neuen Weg über die GAK gehen. Ich hoffe, dass wir die Möglichkeit bekommen, Mittel aus dem Strukturfonds und dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums zu akquirieren und so die weißen Flecken in Deutschland beim Internetzugang zu beseitigen. Die jungen Leute, die auf der Zuschauertribüne sitzen und vielleicht irgendwo in der Pampa wohnen, - -
- Okay, der Lacher ist auf Ihrer Seite. Aber nun habe ich Ihre volle Aufmerksamkeit. Auch ich komme aus dem ländlichen Raum. Ich revidiere mich.
Wenn man sich mit Studenten unterhält, stellt man manchmal fest, dass viele in die nächstgrößere Stadt ziehen müssen, weil sie ohne Internetzugang keinen Arbeitsplatz zu Hause einrichten können. Das ist ein wichtiger Punkt.
Der letzte Punkt, den ich aus dem Haushaltsentwurf aufgreifen will, ist der Klausurtagung des Kabinetts geschuldet. Frau Bundeskanzlerin Merkel hat für die Regierung die Klimaschutzziele ziemlich hoch gehängt. Ich glaube, dass wir der Landwirtschaft Antworten für die Zukunft geben können. Ich erwähne das Biomasseforschungszentrum. Wir haben den Weg für Forschung und Entwicklung frei gemacht. Ich glaube, dass es wichtig und richtig ist, hier ganz entschieden vorzugehen und auf der einen Seite Monokulturen in Deutschland zu verhindern - das ist eine Aufgabe -; auf der anderen Seite müssen wir aber darauf achten, den Raubbau in den ärmsten Ländern der Welt zu verhindern. Daher ist die Zertifizierung ein wichtiger Punkt. Wir müssen im Zusammenhang mit der künftigen EEG-Novelle über alle biologischen Restprodukte nachdenken, angefangen von Rübenhackschnitzeln über Getreideschlempe bis hin zu tierischen Fetten, und wir müssen sehen, was wir für die Treibstoffgewinnung und die Energiegewinnung festlegen können.
Der Einzelplan 10 ist kein spektakulärer Haushaltstitel in diesem Jahr, aber wir können unsere Arbeit ganz solide fortsetzen. Deshalb lade ich Sie ein, bei den Beratungen mitzumachen und in der zweiten und dritten Beratung unserem Haushaltsplan zuzustimmen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Roland Claus hat jetzt das Wort für die Linke.
Roland Claus (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich finde es völlig in Ordnung, dass wir die Haushaltsberatungen für das Jahr 2008 mit dem Etat für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz beginnen, hat doch schließlich schon Karl Marx festgestellt, dass sich der Mensch erst ernähren und kleiden muss, ehe er sich mit Politik, Religion und Philosophie beschäftigen kann.
Nun erklärt uns der Minister, der Aufschwung sei überall, auch auf dem Lande. Ich habe es täglich mit einer Uns-geht-es-gut-Berichterstattung zu tun. Wenn man sich heute einmal die Mühe macht, eine Tageszeitung von vor 18 Monaten zu lesen, dann hat man den Eindruck, man lebe in einer ganz anderen Republik. Die Menschen im ländlichen Raum allerdings - ich werde nicht über Einzelheiten reden; das werden auch Sie wissen - fragen sich: Wann kommt dieser Aufschwung zu uns, wann gelingt es uns, den Abwanderungstrend zu stoppen, wann kommt das, was die Regierung als Erfolg und Fortschritt verkündet, tatsächlich bei mir an? Sie erleben es nicht in dem Maße.
Man muss nach wie vor ausdrücklich darauf hinweisen, dass Beschäftigte in der Landwirtschaft benachteiligt sind. Wir haben es mit einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 1 550 Euro zu tun. Das ist gerade einmal ein bisschen über dem, was meine Fraktion als Mindestlohn fordert. Der Verdienst liegt durchschnittlich 1 000 Euro unter den Verdiensten im verarbeitenden Gewerbe. Deshalb sage ich Ihnen: Ein Aufschwung - auch wenn sie ihn noch tausendmal predigen -, der bei den Leuten auf dem Lande nicht ankommt, hat diesen Namen nicht verdient.
Ich will deshalb eines der, wie ich finde, Grundprobleme dieser Regierungspolitik benennen. Ich glaube, dass bei Ihnen die Entwicklungslogik für die Metropolen mit der Entwicklungslogik für die ländlichen Räume nicht zusammenpasst. In der Äußerung des Ministers, dass man die ländlichen Räume jetzt wieder stärker beachten wolle, empfinde ich ein gewisses Verständnis für meine Kritik. Aber, Herr Minister, ich will auch so fair sein und Sie in Ihrem innerparteilichen Wahlkampf nicht mit meiner Zustimmung belasten.
Das, womit wir es zu tun haben und womit wir fertig werden müssen, sind ein Wettbewerbsdruck und ein Preiskrieg bei Nahrungsgütern und Futtermitteln, die zu einer Selbstausbeutung der Landwirte bei uns und zu erheblichen Naturzerstörungen in der sogenannten Dritten Welt führen. Deshalb muss immer wieder deutlich gesagt werden: Eine Globalisierung ohne soziale und ökologische Verantwortung gefährdet die Welt. Wir brauchen eine soziale Gestaltung der Globalisierung.
Ein Beispiel: Biomasse als Energiequelle und nachwachsende Rohstoffe - 50 Millionen Euro Förderung; volle Unterstützung - sind aus dem belächelten Nischendasein zu einem dynamischen Wirtschaftsfaktor geworden.
Wir sehen jetzt aber auch die Grenzen. Fast 20 Prozent der Ackerflächen werden bereits für die Erzeugung dieser nachwachsenden Rohstoffe genutzt, bei einem Anteil von 3 Prozent an der Gesamtenergieerzeugung. Selbst wenn man jeden Quadratmeter Acker dafür nutzte, käme man nur auf einen sehr überschaubaren Prozentsatz des Gesamtaufkommens. Deshalb ist in der Tat die einzige Stellschraube, die uns zur Verfügung steht, die Effizienzsteigerung beim Einsatz von Biomasse.
Deshalb ist es völlig richtig, dieses Forschungszentrum zu installieren. Ich finde es gut, dass es zum Standort Leipzig gefunden hat, nicht nur wegen der schlichten geografischen Verortung und unserer Zuständigkeit für die neuen Bundesländer, sondern auch deshalb, weil inzwischen ein riesiges Erfahrungspotenzial im Umgang mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen im Osten vorliegt, aber nicht abgerufen wird.
Wir sind der Meinung, dass, wenn man sich einmal die Herausforderung und ihre Größenordnung anschaut, diese 5 Millionen Euro zu wenig sind. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen - das wird Sie nicht wundern -, dass -
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.
Roland Claus (DIE LINKE):
- die Agrargenossenschaften auch im Osten nicht benachteiligt, sondern weiter gefördert werden.
Ich möchte, da nicht nur in meinem Wahlkreis die fünfte Jahreszeit, also die Weinlese, angebrochen ist, eine letzte Bitte an den Herrn Minister richten:
Lassen Sie uns gemeinsam noch einmal etwas dafür tun, dass die europäische Weinmarktordnung nicht so wird, wie es der Entwurf noch vorsieht.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht Cornelia Behm für Bündnis 90/Die Grünen.
Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir bitte, dass ich zuerst Frau Heinen ganz herzlich zu ihrem neuen Amt gratuliere.
Jetzt komme ich aber zum Haushalt. Herr Minister, Sie versuchen auch bei Ihrem dritten Agrarhaushalt, durch Buchungstricks und Intransparenz von den Unzulänglichkeiten Ihrer Finanzpolitik abzulenken.
- Ich werde Ihnen dazu einiges erzählen. - Die vollmundig verkündete Aufstockung der Mittel für die Förderung des ländlichen Raumes um 45 Millionen Euro entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein ungedeckter Scheck. Denn der Haushaltsentwurf für das Jahr 2008 weist den gleichen Ausgabenposten aus wie der für das laufende Jahr, nämlich 615 Millionen Euro. Er wird lediglich durch die Bemerkung ergänzt, dass eine Erhöhung der Mittel um 45 Millionen Euro durch Vermögensverkäufe möglich ist. Versprechungen auf der Grundlage ungedeckter Schecks sind jedoch keine Aufstockung.
Es ist auch kein Ausdruck von Ehrlichkeit, wenn Sie sich mit dem Argument zu schmücken versuchen, dass das die erste Aufstockung der GAK seit vielen Jahren wäre.
Herr Minister, ich darf Sie daran erinnern, dass seit Ihrer Regierungsübernahme für die zweite Säule jährlich 400 Millionen Euro weniger zur Verfügung stehen als zu rot-grünen Zeiten. Damit entziehen Sie vielen arbeitenden Menschen auf dem Lande ihre Lebensgrundlage. Herr Minister, mit einem Placebo ändern Sie überhaupt nichts. Aber gleichzeitig binden Sie Mittel der Gemeinschaftsaufgabe für neue Infrastrukturprogramme. Das fasse ich nicht. Auch uns Grünen liegt die flächendeckende Anbindung der ländlichen Räume in Deutschland an das Breitbandnetz am Herzen.
Das betrifft im Übrigen auch die von Ihnen erwähnte Energieversorgung, also die Versorgung durch Nahwärmenetze. Aber, Herr Minister, der ländliche Raum ist eine Querschnittsaufgabe. Da frage ich mich schon, warum Sie nicht Ihren Kollegen Tiefensee in die Verantwortung nehmen und stattdessen das Geld aus der GAK herausziehen.
Schon jetzt reichen die Mittel für das vorhandene Förderangebot nicht aus. Ich möchte nur kurz die stark gesunkenen Förderprämien für den Ökolandbau erwähnen. Dadurch haben unsere Landwirte wichtige Marktanteile in Deutschland verloren. Das Ergebnis Ihrer Politik ist Jahr für Jahr gleich: Die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik wird konsequent abgewickelt.
Ich komme zur Unfallversicherung der Landwirte. Da wenden Sie das Prinzip an, das Sie auch schon bei der GAK anwenden: Intransparenz und Verscherbelung von Vermögen. Sie wollen die Hälfte des Ansatzes, 100 Millionen Euro, durch Veräußerungserlöse finanzieren. Wer die Sozialversicherungssysteme über den erhofften Verkauf von Vermögenswerten des Bundes finanziert, handelt aber nicht seriös. Zumal Sie bis 2009 weitere 400 Millionen Euro für die Abfindung von Kleinrenten brauchen. Es ist wohl nicht ganz zufällig, dass Sie dieses Geld im Haushalt nicht ausweisen. Liebe Kollegen, schauen Sie in den Haushalt einmal hinein!
Von Haushaltswahrheit und -klarheit halten Sie, Herr Minister, offensichtlich gar nichts. Wenn Sie Ihr Haus spätestens 2009 verlassen müssen, werden Sie sein Vermögen durchgebracht haben. Mit verantwortungsvoller Politik hat das nichts zu tun.
Man sollte sich in diesem Zusammenhang einmal den 21. Subventionsbericht der Bundesregierung anschauen. Die Bundesregierung verkündet stolz eine Senkung der Subventionen im Agrarbereich von 1,3 Milliarden Euro auf 0,9 Milliarden Euro zwischen 2005 und 2008. Das hat den Deutschen Bauernverband sofort veranlasst, darauf hinzuweisen, dass die Landwirtschaft überproportional zum Subventionsabbau beiträgt. Doch schaut man in die Haushaltsvermerke, dann stellt man fest, dass die - vermeintlich gestrichenen - Subventionen für die landwirtschaftliche Unfallversicherung nicht nur nicht korrekt bilanziert werden, sondern auch in einer Fußnote wieder auftauchen. Diese Verschleierungstaktik fruchtet. Zumindest den Verfassern des Subventionsberichts ist nicht aufgefallen, dass sie die Agrarsubventionen in Wirklichkeit gar nicht verringern.
Kommen wir noch einmal zum ökologischen Landbau. Dieser scheint Ihnen außerhalb von Fototerminen wirklich ein Dorn im Auge zu sein. Nach den Kürzungen um 4 Millionen Euro im Bundesprogramm Ökologischer Landbau im letzten Jahr setzen Sie nun noch eins drauf und streichen weitere 6 Millionen Euro. Damit haben Sie die Mittel dieses Haushaltstitels innerhalb von zwei Jahren halbiert. Sie strafen damit Ihre eigenen Ankündigungen, alle Landwirtschaftsbereiche gleich zu behandeln, Lügen. Sie tun das Gegenteil dessen, was Sie angekündigt haben: Sie stellen weniger Geld für die Forschung im boomenden Ökolandbau und mehr Geld für die von der Bevölkerung abgelehnte Agrogentechnik zur Verfügung. Herr Minister, ich frage Sie: Ganz ehrlich, wessen Interessen vertreten Sie eigentlich?
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Georg Schirmbeck hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Georg Schirmbeck (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich war als Parlamentsabgeordneter schon einmal Mitglied einer Oppositionsfraktion. Daher kann ich mich in die Situation der Opposition ein bisschen hineindenken. Es gehört zum demokratischen Kräftespiel: Für eine Opposition ist nichts schlimmer, als dass der Regierung etwas gelingt. Wir haben einen Bundesminister, dem etwas gelingt.
Alles, was er anfasst, gelingt ihm.
Herr Goldmann, ich finde es toll, dass Sie in so einer Situation als Liberaler sagen: Es gibt da immer noch einen Kriminellen, der mit Gammelfleisch handelt. Wenn es doch noch solch einen Kriminellen gibt, will ein Liberaler dann jeden Tag ein neues Gesetz oder eine neue Verordnung erlassen? Ein Liberaler vertraut doch erst einmal den Menschen! Auch wenn man noch so spezielle Gesetze verabschiedet, wird man immer wieder feststellen, dass es einige gibt, die ausbüxen und das machen, was sie eigentlich nicht machen sollen.
Herr Claus, ich wollte eigentlich einen ganz anderen Schwerpunkt setzen; aber Sie haben mich dazu animiert, auf etwas anderes einzugehen. Sie haben gesagt - ich sage es mit meinen Worten -: Erst kommt das Fressen, und dann kommen Ethik, Moral und Religion. Darauf möchte ich Ihnen entgegnen: Da, wo ethisch, moralisch und religiös alles am Boden liegt, hilft auch das beste Fressen nicht mehr; da geht es in die Pampa, da geht es den Berg runter.
Ich bringe Ihnen einmal ein Beispiel. Ich habe einen Freund. Er heißt Albert Focke. Er ist Landrat in einem Landkreis in Norddeutschland, im Landkreis Vechta. Da sind die Kirchen voll. Da werden die meisten Kinder in Deutschland geboren. Da boomt die Landwirtschaft. Da boomt die Landtechnik. Da boomt alles, was wir bei diesem Einzelplan zu bereden haben. Ich sage Ihnen: Vielleicht hat das doch eine Verbindung, nämlich dass da, wo ethisch-moralisch-religiös die Dinge voreinander sind, auch gesellschaftlich alles voreinander ist. Ländlicher Raum ist nicht Pampa, sondern eigentlich der Bereich, wo neue Entwicklungen, neue Ideen entstehen, wo Zukunft gestaltet wird.
Lieber Michael Goldmann, ich war gestern beim Landesbauerntag. Ich kenne da viele Leute oder sogar die allermeisten. Da war beste Stimmung.
Es wird Geld verdient, unternehmerisch Geld verdient. Das ist eine tolle Sache. Die einzelnen Aspekte müssen wir unterstützen. Das heißt überhaupt nicht, dass überall heile Welt ist. Natürlich haben die Ferkelzüchter Probleme.
Da muss man sich im Detail anschauen, was man an der einen oder anderen Stelle tun kann. Es gibt in diesem Bereich aber auch Unternehmer, die sagen: Tut uns einen Gefallen: Fangt nicht an, irgendetwas zu reglementieren! Der unternehmerische Landwirt will in Ruhe gelassen werden, will sich seine Märkte suchen können, will etwas gestalten können.
Er will nicht jeden Tag irgendein neues Gesetz oder eine neue Verordnung von uns.
Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Ernährungswirtschaft boomen. Wir waren mit einer Delegation des Haushaltsausschusses in Kiew.
Wir haben uns auch in Russland angesehen, wie sich Landwirtschaft dort entwickelt. Wir können feststellen, dass die deutschen Berater, die wir über diesen Einzelplan finanzieren, da nicht nur gute Arbeit leisten, sondern sogar die beste Investitionsförderung betreiben, die überhaupt denkbar ist. Sie sorgen dafür, dass deutsche Landmaschinen, deutsche Forsttechnik, deutsches Saatgut, deutsche Pflanzen, deutsche Produktionsverfahren und -anlagen sowie deutsche Tiere dort begehrt sind und nach dorthin verkauft oder exportiert werden.
Voraussetzung dafür, dass diese Geschäfte weiter boomen, sich weiterentwickeln, ist, dass wir eine liberale Handelspolitik betreiben.
Dazu gehört auch, dass wir uns einmal überlegen, ob die Visapolitik,
die wir in diesem Zusammenhang betreiben, so ist, wie sie für diese Unternehmen sein müsste. Wenn wir in Kiew und in Moskau neun Wochen brauchen, damit ein ukrainischer Unternehmer bei Claas in Harsewinkel einen Mähdrescher kaufen kann, dann ist irgendetwas falsch. Wenn unsere Botschaft in der Ukraine Claas in Harsewinkel quasi auf eine Liste setzt, sodass die keine Handelsbeziehungen mehr pflegen können, dann ist etwas falsch. Das haben uns beide Botschafter dort vorgetragen. Das sind Handelshemmnisse, die vom Auswärtigen Amt verursacht werden. Wenn ich nach einem Vierteljahr vom Auswärtigen Amt dazu noch keine zufriedenstellende Stellungnahme habe, dann ist das etwas, was ich auch als Vertreter der Regierungskoalition hier kritisieren muss.
Wir haben im Zusammenhang mit diesem Einzelplan zu reden über Projekte wie ?Ernährung und Bewegung“, wirtschaftlichen Verbraucherschutz, Mittel für Küstenschutz und Schutz vor Binnenhochwasser, mittelfristige Finanzplanung für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe, Breitbandversorgung im ländlichen Raum, vor allen Dingen die Baumaßnahme des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Insel Riems und die Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Seien wir doch mal ehrlich! Man kann natürlich über alles polemisch reden.
Ich nehme aber einmal das Beispiel der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Wir alle wissen, dass wir gerade bei diesem Punkt auch regionale Probleme haben, weil es regional sehr unterschiedliche Strukturen gibt. Deshalb ist es schwierig, hier einen gerechten Ausgleich zu finden. Ich bin sicher, dass Ernst Bahr und ich, unterstützt durch die Fachleute, nach ausgiebigen Diskussionen einen guten Weg finden werden. Wir werden in der zweiten und dritten Beratung gute Vorschläge machen. Ich freue mich auf die Beratungen in den Fachausschüssen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Der Kollege Dr. Edmund Geisen spricht jetzt für die FDP-Fraktion.
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würde ich meine Rede aus dem letzten Jahr hier halten - niemand würde es merken. Immer noch stehen die gleichen ungelösten Probleme auf der Agenda: Gammelfleisch, Vogelgrippe, LUV, also Landwirtschaftliche Unfallversicherung, Erntehelferregelung, Grüne Gentechnik usw.
Aus dem frischen Reformwind, der mit Horst Seehofer in die Agrarpolitik Einzug halten sollte, ist eine echte Reformflaute geworden,
vielleicht auch deswegen, weil anscheinend hinter den Kulissen die schwarz-roten Auseinandersetzungen zum Teil orkanartige Ausmaße angenommen haben.
- Scherz beiseite. - Fakt ist, dass viele für die Landwirte existenziellen Themen entweder nur halbherzig angegangen wurden oder es sogar zu Verschlechterungen kommt, so bei der Gesundheitsreform, bei der Biodieselbesteuerung oder ganz aktuell bei den Plänen zur Erbschaftsteuer. Wirksame Reformen sehen anders aus, meine Damen und Herren!
Nun zum Dauerbrenner ?Landwirtschaftliche Unfallversicherung“: Es ist meines Erachtens ein Trauerspiel, mit ansehen zu müssen, wie diese schwarz-rote Koalition mit groß angekündigten Reformvorhaben umgeht.
Verehrter Herr Minister, Ihre Reformschwäche geht sowohl zulasten der Landwirte als auch zulasten des Haushalts und damit zulasten aller Steuerzahler. Ihre Abfindungsaktion für Kleinrenten ist für mich reine Geldverschwendung.
Sie stecken in den nächsten beiden Jahren 800 Millionen Euro in ein längst nicht mehr finanzierbares System und werden sich wundern, wenn wir 2010 erneut vor leeren Kassen stehen werden. Die FDP setzt sich stattdessen mit ihrem Vorschlag zur Kapitaldeckung
für einen nachhaltigen, zukunftsfesten Umgang mit Steuermitteln ein.
Sehr verehrte Damen und Herren, wir stehen wieder vor der Obst- und Weinernte. Wieder müssen wir feststellen: Die Eckpunkteregelung ist ein Flop.
Davon konnte ich mich bei der Kirschernte im Rheinland selbst überzeugen. Sie hilft nicht den Arbeitslosen, nicht den Saisonarbeitskräften, nicht den Bauern. Nein, sie verdirbt wieder die Ernte.
Die FDP-Fraktion fordert erneut: erstens weg mit der Eckpunkteregelung, zweitens volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und drittens bilaterale Vereinbarungen mit Ländern wie Serbien, Weißrussland und der Ukraine.
Haushalterisch gesprochen: Geben Sie den Landwirten endlich ihre unternehmerische Freiheit zurück, dann brauchen Sie sich auch nicht ständig für Ihre Subventionspolitik zu rechtfertigen.
Meine Damen und Herren, abschließend möchte ich noch davor warnen, vor lauter Klimawandelstrategien die Nahrungsmittelversorgung in Deutschland aufs Spiel zu setzen.
Die FDP-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass - bei allen berechtigten Forderungen zum Klimaschutz - auch in Zukunft die Erzeugung gesunder Nahrungsmittel zu fairen Preisen möglich bleibt, faire Preise übrigens für beide Seiten: für die Landwirte ebenso wie für die Verbraucher.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Sie müssen zum Ende kommen.
Dr. Edmund Peter Geisen (FDP):
Mein letzter Satz: Die FDP hat im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz viele konkrete Lösungen vorgelegt. Auf Ihre Vorschläge, Herr Minister, warten wir noch, hoffentlich nur bis Ende September!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht Manfred Zöllmer für die SPD-Fraktion.
Manfred Zöllmer (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Heinen, auch von dieser Stelle noch einmal ganz herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg in der neuen Aufgabe sowie uns eine gute Zusammenarbeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Welt jenseits von Gammelfleisch und Vogelgrippe. Ich möchte gerade im Zusammenhang mit diesem Haushalt die Aufmerksamkeit ein bisschen auf diese Welt lenken. Die Herausforderungen an eine aktive und gestaltende Verbraucherpolitik sind größer und wichtiger als je zuvor. Wir wissen, dass sich das Wirtschaftsleben auf globaler Ebene abspielt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen jetzt in vielen Bereichen zusätzlich Eigenverantwortung übernehmen, etwa im Bereich der Altersversorgung. Hierdurch ergeben sich neue Möglichkeiten und Chancen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch große Aufgabenfelder für die Verbraucherpolitik.
Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat Minister Seehofer am 15. März die Charta Verbrauchersouveränität in der digitalen Welt vorgelegt. Damit hat er wichtige Standards für ein verbraucherfreundliches digitales Wirtschaftsleben benannt. Immer mehr wird das Internet zum Handelsplatz: Waren werden ersteigert, Onlinebankgeschäfte getätigt. Deshalb ist das Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Informationstechnologie ein besonders wichtiger Aspekt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass die vertraulichen Daten geschützt werden. Verbraucherschutz und Datenschutz sind in der digitalen Welt inzwischen Zwillinge geworden.
Wir brauchen faire Nutzungsmöglichkeiten für digitale Medien. Insoweit stehen wir vor einer Anpassung des Datenschutzes. Wir müssen die Verantwortlichkeiten von Diensteanbietern neu definieren und europaweite Vertragsstandards ermöglichen. Mit diesem Vorhaben hat die Bundesregierung insgesamt - denn hier sind verschiedene Ministerien beteiligt - deutlich gemacht, dass sie sich auf diesen Weg begeben will.
Es ist - das wurde schon deutlich - sehr zu begrüßen, wenn im Haushalt 10 Millionen Euro eingestellt werden, um die Versorgung ländlicher Regionen mit Breitbandanschlüssen voranzutreiben. Viele Unternehmen sind auf diese Breitbandanschlüsse angewiesen. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Regionen in Deutschland abgekoppelt sind. Das stellt für die Wirtschaft eine Wachstumsbremse dar. Strukturförderung und ländliche Entwicklung werden mit dieser Position im Haushalt in die richtige Richtung gedrängt.
Der Telekommunikationssektor ist ein weiterer für uns ganz wichtiger Bereich. Erst Anfang dieses Monats ist das neue Telekommunikationsgesetz in Kraft getreten, mit dem wir den Kundenschutz signifikant verbessert haben: Preisansageverpflichtung, Preistransparenz usw. Dennoch macht uns die Branche weiterhin Sorgen. Ich nenne nur drei Punkte: belästigende und verbotene Telefonwerbeanrufe, das Problem ewiger Warteschleifen bei Hotlines - der Minister hat es vor kurzem angesprochen - und Callcenter, die aggressive Verkaufsstrategien verfolgen. Günter Wallraff hat in seinem neuesten Buch die Praktiken und Arbeitsbedingungen der schwarzen Schafe in dieser Branche deutlich beschrieben. Ihnen muss das Handwerk gelegt werden.
Deshalb wird diese Bundesregierung entschieden gegen die sogenannten Cold Calls vorgehen. Eine Rufnummerunterdrückung darf es in Zukunft nicht mehr geben.
Wer gegen das bereits jetzt geltende Verbot im UWG verstößt, muss mit Bußgeld belegt werden. Wir müssen alle Verträge, die telefonisch geschlossen werden, ausnahmslos einem Widerrufsvorbehalt unterziehen. Darüber hinaus lassen sich weitere zivil- und vertragsrechtliche Möglichkeiten denken.
Aber auch die Wirtschaft muss stärker Verantwortung übernehmen. Werbestrategien einzelner Unternehmen müssen überdacht werden. Die Unternehmen müssen sich zu bestimmten Standards verpflichten. Es muss Zertifizierungen für Callcenter geben. Wir dürfen die Wirtschaft hier nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.
Das Gleiche gilt für die Warteschleifenproblematik; jeder kennt sie. Es ist unerträglich, wenn man, während der Gebührenzähler tickt, 95 Knöpfe drücken und zehn Minuten warten muss, bis man, wenn man Glück hat, endlich ein menschliches Wesen auf der anderen Seite am Apparat hat. Das kann auf Dauer so nicht funktionieren.
Verbraucherpolitik ist und bleibt Querschnittsaufgabe. Daher will ich nicht versäumen, der Bundesministerin Frau Zypries ausdrücklich dafür zu danken, dass sie mit ihrem Entwurf einer Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens und dem geplanten Pfändungsschutzkonto eine Verbesserung für viele überschuldete Menschen in unserem Land durchsetzen wird. Damit wird es in Zukunft auch sehr viel einfacher werden, das Recht auf ein Girokonto für jedermann gegenüber den Banken durchzusetzen.
In der Energiepolitik sind wir mit einer Vielzahl von gesetzlichen Initiativen und Maßnahmen auf einem guten Weg zu einem funktionierenden Wettbewerb. Energiewirtschaftsgesetz, Unbundling, Missbrauchsaufsicht im GWB, Vorschriften zur Verbesserung im Bereich des Anbieterwechsels, zur Anreizregulierung und zur Kraftwerks-Netzanschlussverordnung seien hier genannt.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege.
Manfred Zöllmer (SPD):
Verbraucherpolitik ist bei dieser Bundesregierung in guten Händen. Wir werden auch in Zukunft gemeinsam daran arbeiten, sie voranzubringen.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt gebe ich Karin Binder für Die Linke das Wort.
Karin Binder (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Unsere Debatte über den Haushalt des Verbraucherschutzministeriums wird auch in diesem Jahr von unerfreulichen Ereignissen überlagert. Mittlerweile liegen Meldungen über mehr als 220 Tonnen Gammelfleisch in Bayern, Berlin und Schleswig-Holstein vor. Widerlich! Hatten wir vor einem Jahr nicht die gleiche Situation? Auch damals war die Haushaltsdebatte von einem Ekelfleischskandal geprägt. Herr Minister Seehofer hat uns auch während der letzten Debatte erläutert, dass sein Maßnahmenpaket bereits weitgehend realisiert sei.
Ich frage nun: Wenn das damalige 10-Punkte-Programm des Ministers doch schon weitgehend realisiert war oder ist, wie kommt es dann, dass auch heute noch Fleischabfälle in der Gastronomie landen? Im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher wird es Zeit, dass Schlachtabfälle auch als solche gekennzeichnet und eingefärbt werden.
Nur so werden sie mit einiger Sicherheit nicht mehr in den Verkehr gelangen.
Diese Forderung kommt auch aus der internationalen Tagung der Lebensmittelkontrolleure, die zurzeit in Berlin tagt. Lebensmittelkontrollen müssen personell und materiell besser ausgestattet werden. Schulungen müssen für den aktuellen Kenntnisstand sorgen. Nur so können wir die Lebensmittelsicherheit langfristig verbessern. Wir brauchen dafür aber bundeseinheitliche Qualitätsstandards und endlich verbindliche, länderübergreifende Qualitätssicherungssysteme.
Dazu müssen die Verbraucherminister am kommenden Donnerstag verpflichtet werden. Von Ihnen, Herr Minister Seehofer, erwarten wir, dass Sie Ihre verfassungsgemäßen Kompetenzen ausschöpfen und auf Umsetzung drängen. Die hier oft beschworene Eigenkontrolle und Selbstregulierung der Lebensmittelindustrie funktioniert eben nur dürftig. Dies war in diesem Fall erneut sichtbar. Nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, auch die ehrlichen Firmen mit guten Produkten und hohen Qualitätsansprüchen würden von einer verbesserten Lebensmittelkontrolle profitieren. Sie würden ebenso von einem endlich umgesetzten Verbraucherinformationsgesetz profitieren. Die Behörden dürften dann bei Bekanntwerden solcher Probleme endlich öffentlich die Betrüger nennen. Leider aber parkt die schwarz-rote Bonsai-Version des VIG noch im Bundesrat. Für mich stellt sich dabei die Frage: Hat das Ministerium deshalb noch keine Mittel im Haushalt eingestellt, um das Gesetz einer breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen?
Meine Damen und Herren, nur wer seine Rechte kennt, der kann sie auch in Anspruch nehmen. Damit das Gesetz seinen Zweck erfüllen kann, Markttransparenz herzustellen und die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu stärken, muss es kommuniziert werden. Das ist die Aufgabe der Regierung, und dafür müssen Mittel eingeplant werden.
Im vorliegenden Haushalt setzt das Ministerium verbraucherpolitisch fast ausschließlich auf Maßnahmen im Ernährungsbereich. Verbraucherschutz in wirtschaftlichen und finanziellen Belangen oder bei den ständig neuen Kommunikationstechniken spielt damit so gut wie keine Rolle. Angesichts der Unzahl geprellter Anlegerinnen und Kreditnehmer, betrogener Telekommunikationsnutzerinnen, zugemüllter Mail-Accounts und abgefischter Kontodaten ist das nicht nur unzeitgemäß, sondern in jedem Fall ungenügend. Auch deshalb möchte ich am Ende meiner Rede auf die Verbraucherberatung eingehen. Wir alle sind uns darin einig, wie wichtig und unverzichtbar eine unabhängige Verbraucherberatung ist. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die bestehenden Strukturen finanziell abgesichert werden. Das ist zwar nur bedingt über den Bund möglich, aber nicht einmal das, was möglich wäre, wird gemacht. Die Stiftung Warentest soll künftig zum Beispiel mit einer halben Million Euro weniger auskommen, obwohl auch ihre Aufgaben eher wachsen. Den Verbraucherzentralen wiederum wurde noch vor Kurzem signalisiert, dass man sich um die Finanzierung ihrer Projekte zum wirtschaftlichen Verbraucherschutz bemühen würde. Davon ist im aktuellen Zahlenwerk aber nichts zu finden. De facto fehlen hier 2,5 Millionen Euro. Das heißt, Personal muss entlassen und Angebote müssen eingestellt werden.
Wenn wir jetzt noch zwei Jahre warten müssen, bis eine Studie zur Finanzierung der Verbraucherberatung erstellt wird, dann sind die Strukturen der Verbraucherzentralen bis dahin zerbröselt. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wichtige Expertinnen und Experten sind dann abgewandert.
Sehr geehrte Damen und Herren, dieser Haushalt bleibt weit hinter den aktuellen Anforderungen eines gesundheitlichen, wirtschaftlichen und digitalen Verbraucherschutzes zurück. Mit diesem Haushalt stärken Sie die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht Bärbel Höhn für Bündnis 90/Die Grünen.
Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Meine Damen und Herren! Die Haushaltberatungen 2008 finden zur Halbzeit der Legislaturperiode statt. Nach zwei Jahren kann man Bilanz ziehen. Die Bilanz nach zwei Jahren Seehofer sieht so aus: große Ankündigungen und kleine Taten. Die entscheidende Frage ist nämlich: Was kommt für die Menschen dabei herum?
Ich fand interessant, was Minister Seehofer zum Gammelfleischskandal gesagt hat. Das Einzige, was ihm bei diesem Skandal einfiel - immerhin der dritte während seiner Amtszeit -, war, dem mutigen Lkw-Fahrer herzlich zu danken.
Es war zwar gut, dass er ihm gedankt hat.
Aber ist es nicht ein Armutszeugnis, dass man auf mutige Lkw-Fahrer und mutige Mitarbeiter angewiesen ist, weil die Kontrollen nicht funktionieren?
Mit der Frage, warum die Kontrollen nicht funktionieren, muss sich die Politik beschäftigen.
Herr Seehofer hat vor anderthalb Jahren selber gesagt: Wenn wir feststellen, dass es zu wenig Kontrolleure gibt, müssen wir selbstverständlich aufstocken. - Vor einigen Monaten hat auf meine Frage, wie es denn jetzt nun mit dem Personal sei, sein Ministerium zugeben müssen, dass der Bundesregierung keine konkreten Informationen über die Aufstockung des Personals bei den für die Durchführung der Lebensmittelüberwachung zuständigen Ländern vorliegen. Wer den Mund so voll nimmt, muss damit rechnen, dass seine Taten an dem gemessen werden, was er vorher gesagt hat. Da sieht die Bilanz sehr mager aus.
Nächster Punkt: Fahrgastrechte. Minister Seehofer hat im Juli 2006 angekündigt, er wolle eine Verbesserung bei den Fahrgastrechten. Was lese ich jetzt? Die Kollegin Zypries hat letzte Woche versprochen, ein Gesetz vorzulegen. Ankündigung, Ankündigung, Ankündigung. Das nützt den Menschen in diesem Land nichts. Sie werden an Ihren Taten gemessen und nicht an Ihren Worten.
Nächster Punkt: Bioprodukte. Die Verbraucherinnen und Verbraucher fragen immer mehr Bioprodukte nach. Was passiert? Immer mehr Bioprodukte werden aus dem Ausland eingeführt. Auch das ist eine schlechte Tendenz. Wer Bioprodukte kauft, will, dass diese Produkte in der Nähe produziert werden und dass unsere Bauern eine Chance haben, sie anzubauen. Auch das haben Sie verschlafen. Das ist nicht in Ordnung.
Nächster Punkt: Tierseuchen. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, dass über 350 000 Tiere getötet werden mussten - die größte Tötungsaktion in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist das Ergebnis eines fehlenden Tierseuchenkonzeptes. Immer nur auf Tötungen zu setzen, ist nicht die Lösung. Schauen Sie auf die Niederlande! Dieses Land hat die größte Erfahrung mit Tierseuchen in der EU. Dort wird es anders gemacht; denn dort wird geimpft. Es wäre angemessen, auch in Deutschland freiwillige Impfungen durchzuführen.
Am Ende werden Sie, Herr Minister Seehofer, in der Tat daran gemessen, wie Sie öffentlich dastehen. Sie werden aber nicht an selbstgefälligen Reden und Schönrederei gemessen. Schauen wir einmal, wie die Öffentlichkeit mittlerweile über Sie urteilt. Sie, Herr Seehofer, haben selber gesagt, es gebe zwei Sorten von Menschen: Handwerker und Mundwerker.
Was haben Sie nicht alles verkündet! In der Monatszeitschrift Capital wurden Sie kürzlich als ?Untätigkeitsminister“ bezeichnet. Untätigkeitsminister heißt in der Tat: viel ankündigen und wenig tun.
Sie haben bewiesen, dass Sie mit dem Mund gut sind. Dass Sie aber Ihr Handwerk beherrschen, müssen Sie noch beweisen.
Es wäre für die Menschen gut, wenn es Ihnen gelingen würde. Bis jetzt fällt Ihre Bilanz sehr mager aus. Das ist schade; denn es ist nicht gut für die Bevölkerung in Deutschland.
Danke schön.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht der Kollege Peter Bleser für die CDU/CSU-Fraktion.
Peter Bleser (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Manchmal kommt man sich vor, als wenn man im falschen Saal wäre. Frau Höhn, was Sie gerade vorgetragen haben, hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun.
Ich nenne das Thema Seuchen gleich beim Namen: Keine Bundesregierung zuvor hat so viel in das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems investiert, wie diese es getan hat und noch zu tun vorhat.
Dort wird wissenschaftlich an der Lösung des in diesem Zusammenhang bestehenden Problems gearbeitet. Wenn es zurzeit keinen Markerimpfstoff gibt, dann kann man einen solchen auch nicht herbeireden. Aber wir sind sehr hoffnungsvoll, dass es demnächst gelingt, einen solchen einsetzen zu können.
Es ist schon merkwürdig, Herr Goldmann: Haben nicht auch Sie die Stimmung aufgenommen, die sich in der Landwirtschaft und der Bevölkerung nicht nur in Bezug auf unser Fachthema, sondern insgesamt wegen der guten Konjunkturentwicklung, der Arbeitsmarktzahlen und der positiven Entwicklung des Haushaltes, über den wir heute diskutieren, breitmacht? Haben Sie diese Stimmung nicht wahrgenommen?
Ich kann Ihnen nur sagen: Das Agrarkonjunkturbarometer, das seit einigen Jahren erhoben wird, ist mittlerweile bei der Punktzahl 32 angekommen. Frau Höhn, zu Zeiten Ihrer Kollegin Künast lag es bei minus 18. Da haben sich in der Zwischenzeit Welten verändert.
Das zeigt am deutlichsten die Entwicklung, die in den letzten zwei Jahren stattgefunden hat.
Es ist nun einmal so: Neue Ideen, Verlässlichkeit und Kontinuität sind die Markenzeichen dieser Bundesregierung und unseres Ministers Seehofer. Das zeigt sich wieder bei der Vorlage dieses Haushaltes. Wir sind sehr stolz darauf und sehr zufrieden, dass dies auch draußen so gesehen wird.
Ich will die Schwerpunkte zusammenfassen: Wir haben die Haushaltsansätze für die Durchsetzung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes erhöht. Wir haben zum Beispiel vorgesehen, dass die Verbraucherzentralen in den Ländern - dies sollte eigentlich in diesem Jahr auslaufen - auch im nächsten Jahr 2,5 Millionen Euro für projektbezogene Verbraucherberatung aufwenden dürfen.
Das ist ein echter Fortschritt. Das haben wir jetzt eingeplant. Herr Kollege Bahr, ich weiß, dass Sie dabei mitgeholfen haben.
Wir haben die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe ?Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ erstmals wieder aufgestockt; der Minister hat darauf hingewiesen. In den nächsten drei Jahren dürfen bis zu 50 Millionen Euro für die Förderung von Breitbandanschlüssen in ländlichen Regionen, in unseren schönen Dörfern, liebe Waltraud Wolff, aufgewendet werden. Genau das wollen wir. Wir wollen die Chancengleichheit zwischen städtischen und ländlichen Regionen sicherstellen. Das wird damit am ehesten erreicht. Dies führt zu Investitionen im ländlichen Raum.
Ein weiterer Punkt - er ist genauso wichtig - ist die Agrarsozialpolitik. Hier hat es in den letzten Jahren immer wieder Einschnitte und Belastungen gegeben. Das ist, wenn der Haushalt so beschlossen wird, im dritten Jahr in Folge nicht mehr der Fall. Wir haben auch hier die Mittel aufgestockt; auch hier ist Planungssicherheit geschaffen worden. Ich sage an dieser Stelle aber auch - Frau Wolff, da bin ich mit Ihnen einig -: Dazu gehört eine Reform der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung, die über mehrere Jahre Bestand hat. Da müssen unsere Länder noch etwas nachlegen.
Ich stimme mit Ihnen völlig überein: Man kann es nicht beim Status quo belassen. Das sehen wir genauso. Ich bin erfreut, dass wir in der Koalition darüber Einigkeit haben.
Manchmal sind kleine Zeichen viel wichtiger für die Bewertung einer Lage als umfangreiche Statistiken. Für mich ist ein solches Zeichen die Tatsache, dass die Zahl der Auszubildenden in den 15 grünen Berufen - ich meine die richtigen grünen Berufe, Frau Höhn - auf 42 000, also um 1,3 Prozent, gestiegen ist. Das ist eine Trendwende. Das sind die wahren Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht, die wir in der Bevölkerung feststellen können.
Dazu gehört natürlich auch Verlässlichkeit. Ich will deswegen noch etwas ansprechen, was in den letzten Monaten in der öffentlichen Diskussion häufig eine Rolle gespielt hat: die Milchquote. Wir bleiben bei der Verlässlichkeit unserer Aussage: 2015 endet sie. Wir wollen aber vorher wissen, wie das Ausstiegsszenario aussieht, bevor wir das endgültige Go geben.
Das ist völlig in Ordnung. Das muss draußen auch so vertreten werden.
Nun möchte ich noch etwas ansprechen, was mir auf dem Herzen liegt. In den letzten Wochen hat ein großes Unternehmen im Lebensmitteleinzelhandel - ich nenne den Namen: Aldi - in für mich vorbildlicher Weise agiert, indem es den Molkereien aus der Not geholfen hat, als die Kosten für die weiße Ware Frischmilch, Joghurt und ähnliche Produkte in Konkurrenz zu Magermilchpulver und Butter nicht mehr wettbewerbsfähig waren.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Peter Bleser (CDU/CSU):
Ich komme zum Schluss. - Offen die Verbraucher zu informieren, dass man die erhöhten Rohstoffkosten weitergeben muss, und dann auch nur diese weiterzugeben, halte ich für vorbildlich. Damit ist eine Verbesserung der Einkommenslage der milchproduzierenden Landwirtschaftsbetriebe erreicht worden. Auch das ist ein positives Zeichen. Die Politik der Bundesregierung wirkte unterstützend.
Da der Staatssekretär Gerd Müller hier sitzt, möchte ich zum Abschluss sagen: Die Stabsstelle Exportförderung, für die er rackert, hat tolle Erfolge hervorgebracht. Auch das dürfen wir uns auf die Fahne schreiben.
Herzlichen Dank.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Jetzt spricht die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für die SPD-Fraktion.
Ein zukunftsfähiges Angebot auf dem Markt setzt eine nachhaltige Nachfrage voraus. Dafür müssen wir die Verbraucher von morgen fit machen. Wir müssen sie vor üblen Angeboten von heute schützen: vor Gift im Spielzeug, vor Gammelfleisch im Döner, vor Blei in der Kleidung, vor nicht zugelassenem Gentech-Reis und vor Pestiziden im Obst. Neben verstärkten und effektiveren Lebensmittel- und Produktkontrollen und harten Sanktionen bei Verstößen sind Aufklärung und Transparenz die wichtigsten Instrumente gegen solche Skandale.
Wo die freien Kräfte des Marktes wirken, muss die Seite der Nachfragenden durch Schutzrechte, durch Information und Aufklärung gestärkt werden. Wir sollten dabei verstärkt und zielgruppengerecht auch unsere jüngsten Verbraucher im Auge haben und dies bei der Gestaltung des Haushaltes berücksichtigen.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Das Wort hat der Kollege Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion.
Ulrich Kelber (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abschluss der Debatte zu diesem Einzelplan im Rahmen der Einbringung des Haushaltes möchte ich noch ein paar Anmerkungen zu zwei Themen machen.
Erstes Thema: die sogenannte Grüne Gentechnik. Ich glaube, man muss in der Mitte einer Legislaturperiode und im Anschluss an einen Sommer, in dem Sie alle gehört haben, dass die Große Koalition eine Einigung über die Fortentwicklung des Gentechnikrechts erzielt hat, in der Tat ein paar Punkte dazu nennen. Es ist relativ normal, dass eine Opposition im Deutschen Bundestag Kritik äußert, wenn die Regierungsfraktionen zu einer Einigung gekommen sind. Manchmal kritisiert man Details, manchmal sagt man - das ist fast schon Usus -, dass die gesamte Regelung falsch sei. Aber hierbei sind wir auf eine übermäßig starke Kritik gestoßen. Deswegen möchte ich einen kurzen Augenblick dabei verweilen.
Die FDP kritisierte - ich fasse dies kurz zusammen -, dies sei der Untergang der deutschen Forschungslandschaft
und Deutschland nutze seine Chancen auf den Äckern nicht.
Den zweiten Punkt sollten Sie in der FDP unbedingt beibehalten, weil ich es immer gut finde, wenn die FDP gegen den erklärten Willen der Mehrheit der Bevölkerung - in diesem Fall 80 Prozent - Politik betreibt; denn das macht es dann leichter für die anderen Parteien.
Ich komme zur Forschungslandschaft zurück. Man muss einfach die FDP-Pressemitteilung neben die Einschätzung der Forschungsinstitute legen. Dann sieht man den Unterschied zwischen Parteiideologie und Realität in diesem Land. Denn die Forschungsinstitute haben gesagt, dass es gut war. Sie haben seltsamerweise in der letzten Woche feststellen müssen, dass es FDP-mitregierte Bundesländer waren, die manche der Erleichterungen für die Forschung im Agrarausschuss des Bundesrates ablehnen wollen. Da, wo wir Anzeigepflichten gefordert haben, sollen Genehmigungspflichten gelten. Das ist völlig unverständlich und passt nicht zu dem, was Sie behauptet haben.
Die Kritik von Grünen und Linkspartei war in etwa gleichlautend. Auch da wurde behauptet, dies sei die völlige Öffnung gegenüber der Grünen Gentechnik, es gebe keinerlei Koexistenz mehr, die Verbraucherinnen und Verbraucher würden im Stich gelassen. Das waren die Stichworte. Auch das sollte man neben die Kritik von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden legen, deren erste Zusammenfassung - ich beziehe mich hier auf die des Kampagnenzusammenschlusses - lautete: ?Der angekündigte Durchmarsch der Gentechnik findet nicht statt.“ Das war der erste und entscheidende Satz auf der Webseite von Campact. Das ist auch richtig.
Denn - jetzt müssen meine Koalitionspartner die Ohren einmal kurz halb schließen -
wir haben beim Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und bei der Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der unter SPD und Grünen erzielten Rechtslage noch etwas drauflegen können, insbesondere bei der Frage der Kennzeichnung. In Zukunft ist auch bei tierischen Produkten zu erkennen, ob sie von Tieren stammen, die mit gentechnisch veränderten Organismen gefüttert worden sind oder nicht.
Das ist ein deutlicher Fortschritt, der gerade von den Verbraucher- und den Umweltschutzverbänden einstimmig unterstützt wird.
Wir haben im Bereich der Haftung für die gentechnikanwendende Landwirtschaft keine Veränderungen vorgenommen. Der einzige Punkt, der angesprochen wurde, waren die sogenannten privatrechtlichen Vereinbarungen. Sie werden am Ende in einem sehr geringen Umfang angewandt werden und auch nichts anderes, als man heute über Umgehungstatbestände schon tun könnte, und zwar aus einem einfachen Grund: Jeder Landwirt, der eine privatrechtliche Absprache trifft, muss sofort vollständig kennzeichnen, weil er nicht alles Vermeidbare in Bezug auf die Abstände getan hat.
Es ist sehr leicht, mit dieser Kritik umzugehen. Denn diejenigen, die etwas von diesem Thema verstehen, die Expertinnen und Experten, sagen: Alles, was ihr mit eurem nationalem Recht zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und zur Erhaltung der Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher tun konntet, habt ihr getan.
Weil das, was man mit nationalem Recht machen kann, Grenzen hat, wird die SPD nach der Verabschiedung des Haushalts weitere Vorschläge vorlegen, wie das europäische Recht weiterentwickelt werden kann, um das, womit wir auf nationaler Ebene begonnen haben, im Rahmen einer Veränderung des europäischen Rechts fortzusetzen.
Der zweite Aspekt sind die gestiegenen Lebensmittelpreise; wenn Peter Bleser dieses Thema nicht angesprochen hätte, wäre es in dieser Debatte wahrscheinlich gar nicht erwähnt worden. Das wäre schade gewesen, weil diejenigen, die Landwirtschaftspolitik, Ernährungspolitik und Verbraucherschutz betreiben, hierzu Stellung nehmen müssen; denn dieses Thema steht mindestens einmal pro Woche auf der Tagesordnung.
Wir müssen - nicht nur mit Blick auf die Situation der Landwirtinnen und Landwirte - sagen: Es war an der Zeit, dass die Erzeugerpreise ein faires Niveau erreicht haben, dass sie also etwas gestiegen sind.
Wenn man sich ansieht, wo die Erzeugerpreise gelegen haben, muss man feststellen: Auf diesem Niveau waren auf Dauer weder Qualität noch Lebensmittelsicherheit, noch eine gesunde Entwicklung des ländlichen Raums und der Kulturlandschaft möglich. Deswegen ist es gut, dass die Einnahmen aus den Preissteigerungen - zumindest ein Teil von ihnen - bei den Landwirten in den verschiedenen Regionen Deutschlands angekommen sind.
Genau hinsehen muss man bei denjenigen, die so etwas zu nutzen versuchen, indem sie ihre Preise stärker anheben, als es aufgrund der Veränderung der Rohstoffpreise und der Erzeugerpreise eigentlich notwendig wäre. Um dem zu begegnen, gibt es im Kartellrecht und an anderen Stellen geeignete Mittel. Insbesondere die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen darauf achten, dass sie nicht in diese Falle gehen und überhöhte Preise zahlen. Vielmehr müssen sie den Wettbewerb nutzen, um die Preise auf ein angemessenes Niveau zu drücken. Damit würden sie auch dazu beitragen, dass die Einnahmen bei den Landwirten ankommen.
Ich bitte diejenigen, die Landwirtschaftspolitik betreiben, eines nicht außer Acht zu lassen: Zu verzeichnen sind gestiegene Erzeugerpreise, aufgrund des EU-Kompromisses nach wie vor ungekürzte Direktzahlungen und deutliche Kürzungen der Mittel für die ländliche Entwicklung und die ökologische Landwirtschaft. Wer diese drei Aspekte miteinander verbindet, der stellt fest: Das schreit danach, dass über diesen Zusammenhang noch einmal diskutiert wird, allerdings aus dem Blickwinkel der deutschen Landwirtschaft, nicht aus europäischer Perspektive über Deutschland.
Man darf nicht erst aufgrund des Drucks von außen etwas ändern. Wir sollten nicht zulassen, dass man sagt: Wir werden die Direktzahlungen - draußen werden sie übrigens Subventionen genannt - in beliebiger, vorher festgelegter Höhe beibehalten, obwohl sich die Einnahmesituation verbessert hat. - Wir müssen uns darüber unterhalten, wann wir Korrekturen vornehmen wollen, ob wirklich bis 2009 oder bis 2013, und wie wir es schaffen können, mehr Mittel für die Entwicklung der ländlichen Räume und insbesondere für eine Beschleunigung der Umstellung auf ökologischen Landbau bereitzustellen. Das ist eine gemeinsame Verantwortung.
Man muss dazusagen: Der geringe Zuwachs im Jahr 2007 ist auf diejenigen zurückzuführen, die schon im Jahr 2004 mit der Umstellung begonnen haben. Es besteht schon seit mehreren Jahren die Situation, dass zu wenig umgestellt wird. Das ist eine geteilte Verantwortung. Geteilte Verantwortung heißt, dass wir gemeinsam die Aufgabe haben, diesen Prozess in den Ländern zu beschleunigen, die dringend wieder Umstellungshilfen zahlen müssen. Außerdem sollte der Bund das Förderprogramm in ungekürzter Höhe fortführen. Das verlangen die Märkte. Wir verspielen im Augenblick einen Milliardenmarkt. Das darf nicht die Politik der Bundesrepublik Deutschland sein.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 110. Sitzung - wird morgen,
Mittwoch, den 12. September 2007,
an dieser Stelle veröffentlicht.]