Familienrechtliche Verfahren neu regeln
Die Bundesregierung plant eine Reform des familiengerichtlichen Verfahrens. Im September vorigen Jahres hatte sie dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf ( 16/6308) vorgelegt. Im ersten Teil einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss erntete das Vorhaben am Montag, dem 11. Februar 2008, grundsätzliche Zustimmung. Am Mittwoch werden weitere Sachverständige zum Thema gehört.
Neue Zuständigkeiten
Zu begrüßen sei beispielsweise uneingeschränkt die "längst überfällige" Einführung des großen Familiengerichts, so Klaus Schnitzler, Fachanwalt für Familienrecht aus Euskirchen, in der Anhörung. Das Familiengericht soll nach den Vorstellungen der Regierung zum Beispiel zuständig sein für Verfahren zur Pflegschaft für Minderjährige, der Adoption oder zum Schutz vor Gewalt, für die bislang das Vormundschaftsgericht oder das Zivilgericht zuständig ist. Der Bonner Notar Timm Starke pflichtete ihm bei. Dem Regierungsentwurf liege ein "schlüssiges Konzept" zugrunde. Besonders hervorzuheben sei das Ziel einer außergerichtlichen Streitbeilegung im familiengerichtlichen Verfahren.
Rechtsschutz gefährdet
Auch Jörg Grotkopp, Richter am Amtsgericht Ratzeburg, meinte: "Wir begrüßen die Gesetzesinitiative sehr." Gleichwohl meinte der geladene Experte, der Versuch, das Verfahren zu verschlanken, gelinge nicht immer. Massive Kritik übte Professor Bernhard Knittel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München, an der vorgesehenen Neuregelung des Instanzenzuges im Gesetzentwurf. Dieser nenne kein einziges überzeugendes Argument für die "Zerschlagung eines bewährten und bürgernahen Rechtszuges" (Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht) in den klassischen Materien der so genannten freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es werde somit zu einer "drastischen Verminderung des Rechtsschutzes" kommen, auch auf Gebieten, auf denen der Grundrechtsschutz eine Rolle spiele wie Betreuung, Unterbringung und anderen Freiheitsentziehungen. Deswegen werde der Schutz der Betroffenen in Betreuungs- und Unterbringungssachen durch die vorgeschlagene Regelung "praktisch halbiert". Die Sachverständigen Schnitzler und Ulrike Donat, Rechtsanwältin für Familienrecht aus Hamburg, stimmten dem zu.
Befugnisse der Gerichte klären
Anders argumentierte Professor Florian Jacoby von der Juristischen Fakultät der Universität Bielefeld: Die "Straffung des Instanzenzuges" sehe er als "nicht so negativ" an. Auch Professor Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, meinte, es sei "zu diskutieren", ob in allen Bereichen, die künftig dem Familiengericht zugewiesen werden sollen, derselbe Instanzenzug zu fordern sei oder ob die als bürgernah bezeichneten Oberlandesgerichte auch künftig die Aufgabe hätten, die Entscheidungen der Landgerichte zu überprüfen. Grundsätzlich zu begrüßen sei aber, so Vorwerk, dass künftig der Bundesgerichtshof auch im Bereich des Familienrechts die Aufgabe habe, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären und die Einheit der Rechtsprechung zu sichern. Angelika Nake vom Deutschen Juristinnenbund aus Berlin lobte den Entwurf insofern, als nunmehr alle Gewaltschutzsachen vor dem Familiengericht verhandelt werden sollen. Das werde "ausdrücklich unterstützt". Es sei aber eine Regelung anzufügen, nach der Gewaltschutzverfahren "vorrangig und beschleunigt" eingeleitet werden sollen.
II. Teil der Anhörung
Zeit: Mittwoch, 13. Februar 2008, 14.00
Uhr
Ort: Jakob-Kaiser-Haus, Raum 1.302
Interessierte Zuhörer werden gebeten, sich beim
Sekretariat des Ausschusses per E-Mail
rechtsausschuss@bundestag.de, telefonisch unter
(030)-227 32430 oder per Fax (030)-227 36081 unter Angabe
von Name, Vorname und Geburtsdatum anzumelden.
Bild- und Tonberichterstatter werden gebeten, sich beim
Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anzumelden.
Liste der Sachverständigen:
Teil I, Montag:
- Prof. Dr. Cornelia Bohnert, Katholische Hochschule für Sozialwesen
- Ulrike Donat, Rechtsanwältin
- Dr. Jörg Grotkopp, Richter
- Prof. Dr. Florian Jacoby, Universität Bielefeld
- Prof. Dr. Bernhard Knittel, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München
- Dr. Angelika Nake, Rechtsanwältin, Vorsitzende der Kommission Zivil-, Familien-, Erbrecht, Recht anderer Lebensgemeinschaften des Deutschen Juristinnenbundes
- Klaus Schnitzler, Fachanwalt für Familienrecht
- Dr. Timm Starke, Notar
- Prof. Dr. Volkert Vorwerk, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof
Teil II, Mittwoch:
- Dr. Ludwig Bergschneider, Rechtsanwalt
- Helmut Borth, Präsident des Amtsgerichts Stuttgart
- Prof. Dr. Sibylla Flügge, Fachhochschule Frankfurt am Main
- Dr. Rose Häußermann, Präsidentin des Landgerichts Tübingen
- Dr. Frank Klinkhammer, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf
- Dr. Susanne Nothhafft, Deutsches Jugendinstitut
- Johannes Ohr, Richter am Amtsgericht Wiesbaden
- Ingeborg Rakete-Dombek, Rechtsanwältin und Notarin, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins e.V.
- Prof. Dr. Ludwig Salgo, Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- 16/6308 - Gesetzentwurf Bundesregierung: Änderung des Waffengesetzes und weiterer VorschriftenReform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG- RG)
- 16/7716 - Gesetzentwurf Bundesregierung: Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes