Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen
Konvent
am 16. Mai 2003
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die wichtigste Frage für die künftige gemeinsame Außenpolitik ist, ob und inwieweit es gelingt, dass die Europäische Union künftig mit einer Sitmme spricht. Der Europäische Außenminister ist eine bedeutsame institutionelle Antwort auf diese Frage. Er kann dazu beitragen, dass Europa kein politischer Zwerg bleibt und dass sich die bitteren Erfahrungen aus der hinter uns liegenden Zeit des Irak-Krieges nicht wiederholen.
Mit den Kollegen Dini, Brok und anderen meine ich: Ganz wesentlich für die Gemeinsamkeit der künftigen Europäischen Außenpolitik nach der Erweiterung auf 25 und dann noch mehr Staaten ist auch, ob wichtige Entscheidungen künftig mit Mehrheit getroffen werden können.
Der Vorschlag des Präsidiums ist auf dem richtigen Weg, auch wenn die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen etwas zaghaft erst in Artikel 9 in Teil II des Verfassungsentwurfs für den Fall eröffnet wird, dass der Europäische Außenminister und die Kommission eine gemeinsame Initiative starten. Zur Vermeidung inhaltlicher Widersprüche gehört diese Regelung in Teil I, und zwar in Abs. 7 von Art. 29. Außerdem sollte on diesem Artikel klar zum Ausdruck kommen, dass das Europäische Parlament in der gmeinsamen Außenpolitik eine stärkere Rolle erhält als bisher.
Auch für die küntige Sicherheits- und Verteidigungspolitik stellt sich die Frage nach möglichen Mehrheitsentscheidungen. Gerade in diesem besonders sensiblen Bereich bedeutet Einstimmigkeit nach meiner Überzeugung in aller Regel Handlungsunfähigkeit.
Deshalb erneuere ich für diesen Bereich mit Unterstützung des Deutschen Bundestages meinen schon mehrfach vorgetragenen Vorschlag von Entscheidungen mit "superqualifizierter Mehrheit".
Mein Vorschlag ist, dass Entscheidungen von 3/4 der Mitgliedstaaten getroffen werden können, die 3/4 der Unionsbürgerinnen und -bürger repräsentieren. Natürlich darf kein Mitgliedstaat, der eine Aktion nicht will, durch die Mehrheit zur Beteiligung gezwungen werden.
Deshalb schlage ich folgenden Verfassungsabsatz vor:
"Mitgliedstaaten, die sich bei der Abstimmung enthalten oder eine Gegenstimme abgegeben haben, sind nicht verpflichtet, den Beschluss durchzuführen. Sie akzeptieren jedoch, dass der Beschluss für die Union bindend ist. Im Geiste gegenseitiger Solidarität unterlässt der betreffende Mitgliedstaat alles, was dem auf diesem Beschluss beruhende Vorgehen der Union zuwiderlaufen oder es behindern könnte."
Herr Präsident, was die Nationalen Parlamentsvorbehalte angeht, kann auf diese gegenwärtig nicht verzichtet werden. Es ist aber eine Zukunftsvision, dass militärische Einsätze einer künftigen Eingreiftruppe an das zustimmende Votum des Europäischen Parlaments gebunden werden.