Man kann sich streiten, welches das zweitälteste Gewerbe auf Erden ist, Söldnertum oder Prostitution. Welches das Abartigere ist, daran lässt der in Rom lebende Publizist Rolf Uesseler, Spezialist für Mafia und kriminelle Auswüchse in der globalen Wirtschaft, keinen Zweifel. Auf der Basis intensiver Recherchen dokumentiert er das Phänomen der "neuen Söldner". Organisiert in privaten Militärfirmen, als "Betriebe des bürgerlichen Rechts", verstehen es deren Manager, sich mit ihren "Dienstleistungen" überwiegend im Auftrag von Regierungen und Konzernen in nahezu allen kriegerischen Konflikten unauffällig unentbehrlich zu machen.
Uesseler zufolge steht diesen Firmen derzeit ein abrufbares Personal von weltweit 1,5 Millionen Spezialisten und ebenso vielen Söldnern zur Verfügung. Bei Einsätzen in bislang 160 Ländern addiert er den Branchenumsatz auf knapp 200 Milliarden Dollar im Jahr. Allein im Irak-Krieg stellten private Militärfirmen mit 30.000 Einsatzkräften das zweitgrößte Kontingent nach den US-Truppen.
Die angebotenen "Leistungen" umfassen Logistik und Nachschub für kämpfende Truppen, vom Toilettenpapier bis zum Aufbau von Militärbasen, ebenso den Unterhalt von Ausbildungslagern. Private Militärfirmen stellen Vernehmungsspezialisten, auch als "Übersetzer" getarnt wie in Abu Ghraib, bieten Kampfeinheiten gegen Drogenkartelle und Gewerkschafter in Kolumbien oder ganze Privatarmeen gegen Rebellen auf den Philippinen.
Ihre Fachleute sind inzwischen unentbehrlich für die Bedienung und Wartung satellitengestützter High-Tech-Aufklärungstechnik und modernsten Kriegsgeräts wie dem B-2-Stealth-Bomber. Sie sichern Militär- und Regierungseinrichtungen in Krisenregionen und schützen Enklaven internationaler Konzerne in der Dritten Welt, die mit billigen Konzessionen Erdöl, Edelmetalle und Diamanten ausbeuten.
Vielfach werden die "neuen Söldner" mit Steuermitteln finanziert, wobei, so Uesseler, kaum noch feststellbar sei, "wo nationale Interessen aufhören und Konzerninteressen beginnen". Öffentliche oder parlamentarische Kontrollversuche liefen meist ins Leere.
Das Pentagon als wichtigster Auftraggeber begründe seine Aufträge an Private mit höherer Flexibilität und Einsparungen für die Streitkräfte. Ein Nachweis dafür sei bislang nicht erbracht. Stattdessen summierten sich Bestechungsskandale, überhöhte Abrechnungen und erpresste Zusatzvergütungen. Der Vorteil für die Auftraggeber bestehe nicht zuletzt darin, sich bei Völkerrechtsverletzungen der Verantwortung zu entziehen und bei Bedarf patriotische Propaganda anheizen zu können wie im Fall der vier im März 2004 im Irak erschossenen und öffentlich aufgehängten "Zivilisten". Tatsächlich handelte es sich um Einzelkämpfer der Militärfirma Blackwater mit dem Auftrag, Einheimische durch Razzien und Übergriffe bis hin zu Morden einzuschüchtern.
In Konfliktzonen eingesetzt, lösen private Militärfirmen innere Spannungen meist nicht dauerhaft, sondern tragen durch die Stabilisierung von Führungseliten oftmals zur Verschärfung von Krisen bei. Uesseler nennt den Einsatz privater Militärfirmen eine "primitive Option", die demokratische Entwicklungen wiederholt verhindert habe. Darüber hinaus entstehe der Eindruck, dass überwiegend "dort militärisch interveniert wird, wo etwas zu holen ist".
Zweifellos war die amerikanische Philosophie militärischer Intervention mit einem nachfolgenden Demokratieexport nach 1945 ein Erfolgsmodell für Deutschland. Doch inzwischen, so belegt dieses Buch, führt gewaltsam und mit massiven Eigeninteressen durchgesetzter "Frieden von oben" zur Verschärfung von Gewalt und Terror.
Auf kurze Sicht mühsamer, auf lange Sicht aber als gute Alternative sieht Uesseler den von der rot-grünen Bundesregierung im Mai 2004 nach dem US-Desaster im Irak verabschiedeten Aktionsplan mit dem Primat ziviler Krisenprävention durch Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Verbesserung sozialer Standards in Krisenregionen. Es war ein Konzept, das von den meisten EU-Staaten mitgetragen wurde. In Washington reagierte man mit einem abfälligen "old Europe".
Mit ihrer Strategie "Konfrontation vor Diplomatie" findet sich die US-Administration sogar selbst im "Lager der Willigen" zunehmend isoliert. Die hinter dieser Politik stehende unheilige Allianz aus globalen Konzerninteressen und Rüstungslobby samt ihrer Unterwanderung von UN-Konventionen kann Uesselers Aufsehen erregendes Buch nur andeuten. Nahezu 80 Prozent der privaten Militärfirmen sind US-Firmen, viele unterhalten Niederlassungen in der westlichen Welt, auch in Deutschland. Noch gibt es kaum Gesetze, die ihren Einfluss begrenzen.
"Auf Sicherheit sind wir alle angewiesen. Sie bereitzustellen, gehört nicht umsonst zu den Kernaufgaben eines demokratischen Rechtsstaates", schreibt der Autor einleitend. Staatliche Sicherheitsaufgaben auf private Militärfirmen zu übertragen, erinnert, so jedenfalls hat man nach der Lektüre den Eindruck, fatal an Geister, die man dann nicht mehr los wird. Uesselers faktenreiche Untersuchung warnt eindringlich vor diesem demokratiegefährdenden Trend.
Rolf Uesseler: Krieg als Dienstleistung. Private Militärfirmen zerstören die Demokratie. Ch. Links Verlag, Berlin 2006; 240 S., 14,90 Euro
Udo Scheer arbeitet als freier Journalist in Leipzig; vor allem zu zeitgeschichtlichen und deutschlandpolitischen Themen.