Frau Clemens, eigentlich lernen Sie in Dresden International Administration Management. Aber was tun Sie derzeit?
Ich mache ein Praktikum in einem französischen Hotel an der Rezeption. In Les Trois Vallés, einem Feriengebiet in den Alpen. Der Ort heißt La Tania und ist sehr klein. Seit Dezember arbeite ich hier. Mitte März bin ich wieder in Deutschland und war dann drei Monate hier. Viele Franzosen haben die Winterferien zum Skifahren genutzt, ich habe also die Hauptsaison mitbekommen und ganz schön viel zu tun.
Sie buchen Zimmer und erstellen Rechnungen. Das kann man auch in Deutschland lernen. Warum sind Sie dafür ins Ausland gegangen?
Im Laufe meiner Ausbildung muss ich drei Praktika absolvieren, eins soll nicht in Deutschland stattfinden. Auf Frankreich bin ich wegen der Sprache gekommen. Englisch kann ich schon gut genug. Also dachte ich, ich versuche es mal hier. Ich habe mich einfach bei der Gruppe beworben, zu dem das Hotel, in dem ich arbeite, gehört. Inzwischen will ich auch gar nicht mehr nach Hause und habe mich prima eingelebt. Mit den anderen Angestellten verstehe ich mich gut, wir gehen auch schon mal abends etwas trinken. Die Hälfte der Gäste sind Franzosen, die andere Hälfte Engländer. Deutsch spreche ich selten. Ich muss mich auch gerade sehr konzentrieren, Deutsch zu reden.
Praktika stehen im Ruf, schlecht bezahlt zu werden. Ist ein Praktikum im Ausland dann nicht doppelt so teuer?
Ich rechne schon sehr. Es gibt eine Entschädigung vom Hotel, außerdem habe ich vorher viel gespart. Und meine Eltern haben mir etwas dazu gegeben. Vom Deutsch- Französischen Jugendwerk (DFJW) bekomme ich im Nachhinein mindestens die Reisekosten erstattet. Im Hotel kann ich außerdem morgens, mittags und abends umsonst essen. Das nutze ich natürlich, um möglichst wenig kaufen zu müssen. Aber es ist nicht einfach.
Die Europäische Union wird dieses Jahr 50 Jahre alt. Überall mit einer Währung bezahlen zu können, einfach in einem anderen Land studieren zu können - das war bis vor einigen Jahren nicht denkbar. Was ist das für ein Gefühl, einfach über die Grenzen gehen zu können?
Für mich ist das selbstverständlich. Ich will auch wieder ins Ausland und würde es jedem empfehlen. Man lernt so viel und es ist eine tolle Erfahrung. Natürlich hatte ich am Anfang Schwierigkeiten mit der Sprache, aber das ging schnell vorbei. Für mich ist Europa wie eine Familie mit vielen kulturellen Unterschieden. Die Franzosen zum Beispiel grüßen immer freundlich, aber wenn man die Sprache nicht spricht, kann man auch schon mal eine unfreundliche Antwort bekommen. Und sie sind ziemlich stolz auf ihr Land. Wenn man mit ihnen über Frankreich spricht, leuchten schon mal die Augen. Ich war während der Schule schon in England, später in Belgien. Inzwischen würde ich sagen, dass ich mehr Europäerin als "nur" Deutsche bin.
In den vergangenen 50 Jahren sind viele Initiativen entstanden, zum Beispiel das Erasmus-Studium, um Europa auch für junge Leute erlebbar zu machen. Woan muss noch Ihrer Meinung nach noch gearbeitet werden?
An der Kommunikation zwischen den Ländern. Sie müssen mehr Akzeptanz füreinander entwicklen. Zum Beispiel sollte man noch mehr Austauschprogramme für junge Leute fördern. Ich finde es wirklich wichtig, dass man die Kultur anderer Länder versteht.
Die Fragen stellte
Sandra Ketterer